Wenig deutet heute auf die dramatischen Szenen der vergangenen Monate hin: Die ehemalige Grundschule, ein zweistöckiges Backsteingebäude am Ende einer gepflasterten Sackgasse außerhalb der Stadtmauer von Loitz, steht wieder leer. An den großen Fenstern vergilben Papiervögel, ein leerer Pizzakarton steht auf der Treppe. Nur ein paar Schilder auf Deutsch und Ukrainisch verraten, dass bis neulich hier Geflüchtete, eigentlich vor allem aus Syrien, untergebracht wurden: Alkohol, Rauchen und Fotos verboten. Dabei war die Unterkunft am Rande der mittelalterlichen Landstadt in der ersten Jahreshälfte 2023 Kulisse von Hungerstreiks, Protesten und Angriffen. Und sie ist kein Einzelfall in Mecklenburg-Vorpommern.
Erst im Januar ziehen Geflüchtete überhaupt in das alte Schulgebäude ein, zunächst 36 Syrer. Das sei notwendig, heißt es damals auf der Webseite des Landkreises Vorpommern-Greifswald, da die Gemeinschaftsunterkünfte bereits komplett belegt und an der Belastungsgrenze angekommen seien. Die Schule werde „bis auf weiteres“ als Notunterkunft zur Verfügung gestellt. Eigentlich soll das Gebäude bereits dieses Jahr saniert werden und danach als Förderschule wiedereröffnen.
Schon in den ersten Wochen spitzt sich die Situation zu: Rund die Hälfte der untergebrachten Geflüchteten verweigert Essen, als Protest gegen die verheerenden Bedingungen in der Unterkunft. Zum Höhepunkt müssen sich 120 Menschen gerade einmal vier Toiletten, vier Duschen und eine Waschmaschine teilen. Ein Video, das der Redaktion vorliegt, zeigt dreckige, mit Wasser überflutete Duschen in einem Container neben der Schule.
Zur Identifizierung sollen die Geflüchteten nummerierte Armbändchen tragen, Fotos liegen der Redaktion vor – eine Markierung als Außenseiter in einem Ort, in dem Willkommenskultur ein Fremdwort zu sein scheint. Die Geflüchteten berichten bis zu zehn Personen auf Feldbetten in Klassenzimmern, ohne Zwischenwände und Privatsphäre. Sie berichten von unzumutbaren Schweinefleischgerichten zu „deutschen Zeiten“ während Ramadan. Vom untersagten Gebet, das für die Anwohner*innen im Dorf zu laut sei.
Und dennoch sind die vielen Herausforderungen und die teils verheerenden Zuständen, mit denen Geflüchtete konfrontiert sind, nur ein Teil des Problems. Der andere zeigt sich auf der Straße, mit Parolen oder Pyrotechnik, „Bürgerinitiativen“ oder Brandanschlägen, aber vor allem mit Wut. Wut auf Menschen, die alles riskiert haben, um Sicherheit zu finden.
Die Loitzer*innen laufen schon kurz nach dem Einzug der Geflüchteten Sturm. Tür und Fenster der Unterkunft werden nachts eingeschlagen, ein Wachmann berichtet von einem „Knall“, heißt es in einer Polizeimeldung. In einem offenen Brief forderten die Anwohner*innen, dass die dunklen Gassen durch die Nacht hindurch beleuchtet werden, dass ein Durchgang in der Stadtmauer zwischen Ort und Unterkunft sogar abgeriegelt wird. 400 Unterschriften sammeln sie, und das in einem 4.000-Seelen-Dorf. Die Botschaft ist klar: Die Geflüchteten sollen draußen bleiben.
Eine weitere Eskalation: Der offene Brief der Anwohner*innen bezieht sich auch auf den vermeintlichen Angriff eines Asylbewerbers auf ein elfjähriges Mädchen. Aber dann stellt sich heraus: Das Mädchen hat sich die Nötigung ausgedacht. Doch es ist zu spät, die Stimmung ist schon hochgekocht, der Mob erzürnt. Ein Mann kündigt in einem Brief an die Stadt „Selbstjustiz“ an, sollten die Sicherheitsmaßnahmen nicht verbessert werden.
Eine Einwohnerversammlung im Januar hilft nicht dabei, die Lage zu beruhigen: Im Publikum sitzen auch Rechtsextreme der „Arischen Bruderschaft“ und der „Brigade 12 Pommern“ sowie „Querdenker*innen“. Immer wieder werden Teilnehmende von der Polizei hinausbegleitet, weil sie andere beleidigen oder bedrohen, wie der NDR berichtet. Ein Mann zeigt dem Vize-Landrat den Mittelfinger. Ein Syrer soll volksverhetzend bepöbelt worden sein. Rassistische und antisemitische Sprüche seien gefallen, Sätze wie „Bring einen Ofen aus Auschwitz mit“, heißt es im Magazin Katapult. Die örtliche AfD schlachtet das Thema aus, bezeichnetet die Loitzer*innen als die „Leidtragenden“.
Ein verheerendes Signal
Sechs Monate später steht die alte Grundschule wieder leer. Heute fühlt sich Loitz an wie eine Geisterstadt. „Die Flüchtlinge sind jetzt weg“, bestätigt ein kräftiger, gebräunter Mann Mitte 50, der neben der nun ehemaligen Geflüchtetenunterkunft arbeitet. Aber wohin? „Die Araber sind nach Greifswald“, antwortet er ruhig. Andere seien in Wohnungen untergekommen.
Im Mai 2023 bestätigte ein Sprecher des Landkreises Vorpommern-Greifswald auf Anfrage der Lokalpresse den Umzug der Geflüchteten nach Greifswald, in drei Gemeinschaftsunterkünfte verteilt. Und er sah es offenbar als notwendig an zu betonen: Bis zum Start der Sanierungsarbeiten in der alten Schule sei nicht vorgesehen, die Einrichtung noch einmal als Unterkunft für Geflüchtete herzurichten.
Man könnte sagen: Die Geflüchteten hätten wegen des Startes der Bauarbeiten so oder so ausziehen müssen.
Man könnte aber auch sagen: Die Wutbürger von Loitz haben gewonnen.
Auf Anfrage will sich die Bürgermeisterin der Landstadt, die CDU-Politikerin Christin Witt, zu den Vorwürfen nicht äußern, da der Landkreis Eigentümer der ehemaligen Grundschule und zudem auch für die Unterbringung von Geflüchteten zuständig sei. Eine E-Mail an die Pressestelle des Landkreises wird nicht beantwortet.
Die Landtagsabgeordnete Anna-Konstanze Schröder (SPD) schreibt im März in einer Pressemitteilung auf ihrer Webseite, der Umgang der Loitzer Stadtvertreter*innen mit CDU-Mehrheit, allen voran der Bürgermeisterin Christin Witt, mit den Geflüchteten sei „zum Fremdschämen“.
Über das verheerende Signal, das die Ereignisse in Loitz senden, über ihre Bedeutung für den Rest von Mecklenburg-Vorpommern, zeigt sich Jana Michael besorgt. Seit Februar 2022 ist die Erziehungswissenschaftlerin und Psychologin, ursprünglich aus der ehemaligen Tschechoslowakischen Republik, Integrationsbeauftragte der Landesregierung. 2021 erhielt sie für ihr Engagement in der Integrationsarbeit das Bundesverdienstkreuz. Bei der Einwohnerversammlung im Januar ist sie dabei: „Loitz schien mir wie eine Probe für die rechte Szene“, sagt sie heute über die Ereignisse. „Sie wollten gucken: Wie weit können wir gehen?“
Sturm auf den Kreistag
Laut Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sind im vergangenen Jahr rund 5.000 Asylsuchende nach Mecklenburg-Vorpommern gekommen, eine Verdopplung im Vergleich zum Vorjahr. Das Land nahm zudem 22.000 Geflüchtete aus der Ukraine auf, die aber kein Asyl beantragen müssen.
Nicht ohne Gegenwind. Denn Szenen wie in Loitz spielen sich im ganzen Bundesland ab: In Upahl brennt Ende 2022 eine von Ukrainer*innen bewohnte Unterkunft ab, der Verdächtigte ist ausgerechnet ein Feuerwehrmann. Vor dem Kreistag in Grevesmühlen protestieren im Januar 700 Menschen mit Pyrotechnik und Nebeltöpfen gegen den Bau einer weiteren Unterkunft in Upahl. Nur mit einem Großaufgebot kann die Polizei verhindern, dass das Kreistagsgebäude gestürmt wird. Die Gemeinde untersagt die Geflüchtetenunterkunft später per Baurecht. Jetzt kündigt der Landrat an, dass weitergebaut werden soll, doch am Ende sollen nur noch 250 statt den ursprünglich geplanten 400 Plätze zur Verfügung stehen. Im Februar eskaliert ein unangemeldeter Protest gegen eine geplante Unterkunft in Greifswald: Der 500-Menschen starke Mob versucht, den Oberbürgermeister zu attackieren. Nur mit körperlicher Gewalt und Schlagstöcken habe die Polizei den Angriff verhindert können, heißt es von der Behörde.
Meck-Pomm weltweit
Von der Bedrohung, der Gefahr, der Geflüchtete in Mecklenburg-Vorpommern ausgesetzt sind, weiß Kiana Khalili aus erster Hand. Die junge Frau mit lockigen schwarzen Haaren, gerade 21 Jahre alt, sitzt im Stralsunder Büro von Tutmonde, einem Verein mit dem Schwerpunkt Migration, Feminismus und Kinderschutz. Tutmonde, das bedeutet „weltweit“ auf Esperanto. An der Wand hängt ein Plakat von Marlene Dittrich mit ihrem berühmten Spruch „Ich bin aus Anstand Antifaschistin geworden“, von der Decke eine Regenbogenflagge.
Khalili ist selbst geflohen. Sie wuchs in Teheran auf, kam mit 15 nach Deutschland. Im Iran wurde ihr Vater politisch verfolgt, ein Oppositioneller. Auch in Deutschland engagiert er sich gegen das islamistische Regime der Mullahs, mit Unterstützung seiner Tochter. Khalili Junior hält Reden über die Situation der Frauen in ihrem Heimatland, sie organisiert Demos. Und sie setzt sich für Geflüchtete ein, in Stralsund und darüber hinaus.
Auch Tutmonde ist schon Zielscheibe rechtsextremer Umtriebe geworden, zuletzt im Dezember 2022: In der Nacht werden die Schaufenster des Erdgeschossbüros eingeschlagen. Für Tutmonde ein eindeutiges Signal, ein Einschüchterungsversuch: „Wir sind ein Verein, der sich für die Rechte von Migrant*innen und Geflüchteten sowie von Frauen und Kindern einsetzt, wir organisieren Demos zum Beispiel gegen Rassismus“, sagt Khalili. „Natürlich gehen wir also davon aus, dass die Angriffe auf unser Büro einen rechtsextremen Hintergrund haben.“
Khalili berichtet von den teils katastrophalen Zuständen in den Geflüchtetenunterkünften in Mecklenburg-Vorpommern. Zweimal pro Woche ist Tutmonde im Heim auf dem Dänholm, einer kleinen Insel zwischen Stralsund und Rügen fernab der Touri-Hotspots und Strandpromenaden der Ostseeküste. Hier befindet sich die Erstaufnahmestelle. „Die Geflüchteten dort sind wirklich isoliert vom Rest der Stadt“, kritisiert Khalili. „Sie sind von den Einheimischen getrennt.“ Auf dem Dänholm seien sie zwar geschützt von Rechtsextremen, sagt sie. „Aber das ist auch gewollt. Sie sind da, wo man sie nicht sehen kann.“
Von Container zu Kaserne
Besuch auf dem Dänholm, einer Insel mit mehr Geflüchteten als Einwohner*innen. Etwa 350 Schutzsuchende, allen voran Asylbewerber*innen aus Syrien und Afghanistan, wohnen auf dem alten Kasernengelände, das schon von den Preußen genutzt wurde. Die einzigen direkten Nachbarn sind Bundespolizei und Zoll. Zunächst kamen die Geflüchteten hier in Containern unter, ab 2015 sind sie in zwei der ehemaligen Militärgebäude eingezogen.
Eine leitet Birgit Mielke von den Maltesern. Auf dem langen, mintgrünen Flur spielen barfüßige Kinder mit einem Ball, in einem kleinen Raum mit großen Monitoren hat ein Security-Mitarbeiter die Überwachungskameras auf dem Gelände im Blick. Im Büro gegenüber sitzt Mielke. „Sicherheit geht vor“, sagt sie, bevor sie die Regeln des Besuchs erklärt: keine Fotos, zum Schutz der Geflüchteten.
Die 65-jährige gebürtige Stralsunderin hat über die Jahre vieles gesehen. Seit kurz nach dem Mauerfall arbeitet sie mit Migrant*innen, damals Russlanddeutschen, seit 2009 mit Geflüchteten. Heute leben 180 Menschen unter ihrem Dach, auf drei Etagen verteilt. Es sind größtenteils Männer, aber auch 17 Frauen und rund 40 Kinder. Manche von ihnen wohnen in der Kaserne seit 2015, davor in den Containern, andere sind erst in den vergangenen Wochen gekommen.
Bislang sind die Nazis dem Dänholm ferngeblieben. „Wir sind hier geschützt und versteckt“, drückt Mielke es positiv aus. Nicht abgeschottet, vom Rest der Stadt, vom sozialen Leben? „Mobilität ist uns wichtig“, heißt die diplomatische Antwort. „Die Männer haben fast alle Fahrräder, wir haben eine Fahrradwerkstatt da drüben im anderen Haus, die Frauen gehen ganz viel zu Fuß.“ Sechs Kilometer sind es in die Innenstadt und zurück.
Mielke ist eine beschäftigte Person, es klingelt andauernd an Tür und Telefon, sie unterbricht das Interview immer wieder, Gespräche führt sie auf Russisch oder Englisch, um die verschiedensten Probleme des Tages zu lösen. „Manchmal denke ich mir: Heute hast du Ruhe“, erzählt sie. „Dann kommt alles anders.“ Heute sei so ein Tag. „Kurz nach 7 steht meistens der erste schon bei mir.“
Auch in ihrem Haus hat es einen Hungerstreik gegeben, im März von einem 27-jährigen Kurden, dessen Asylantrag abgelehnt wurde. Als Kurde in der Türkei habe er Gefängnis und Folter zu fürchten. „Ja, wir hatten einen Hungerstreik“, antwortet Mielke kühl, fast unbeeindruckt, als sie darauf angesprochen wird, „aber der ist vorbei“. Manche würden sie vielleicht abgestumpft nennen. Besser wäre: dezidiert pragmatisch. Am Ende entschied eine Härtefallkommission aufgrund seiner Integration, dass der Mann bleiben darf. Ob das nicht eine dramatische Situation war? „Für mich sind solche Vorkommnisse Normalität, das habe ich etliche Male durchlebt.“
Ein Odyssee nach Stralsund
In der Küche, ein paar Zimmer weiter, einem kahlen Raum mit fünf Herdplatten, drei Spülbecken und Arbeitsflächen aus Stahl, kocht Omid. Der 35-Jährige mit tätowierten Händen kommt gerade von der Frühschicht bei einer Eisfirma, er bereitet ein Reisgericht zu. Nachdem sein Vater in den 1990er Jahren in Afghanistan ermordet wurde, sei seine Familie zunächst in den Iran geflohen, erzählt er. Später sei die Mutter gestorben, Omid habe sich dann entschieden, nach Deutschland zu gehen. Das war vor elf Jahren, fast ununterbrochen wohnt er seitdem auf dem Dänholm, zunächst in den Containern, seit 2015 in der Kaserne auf der Insel.
Omid ist glücklich, er bekam neulich eine Aufenthaltserlaubnis. „Endlich“, sagt er grinsend auf Persisch zu Kiana Khalili von Tutmonde, die ins Deutsche übersetzt. „Ich würde sehr gerne für immer hier in Deutschland bleiben“, sagt Omid weiter. „Aber ich wünsche mir, dass dieser ganze Prozess schneller liefe und nicht so lange dauerte.“ Nach Afghanistan kann er sowieso nicht zurück. „Das wäre zu gefährlich.“
Im Flur vor der Küche steht Nooshin, eine stylische Frau: Adidas-Top, schwarzer Maxirock, Rayban in den Haaren. Vor der Flucht arbeitete die 35-Jährige als Friseurin. Sie lädt in ihr Zimmer ein, einen Raum mit hohen Decken und grünen Vorhängen, wo sie, ihr Mann und die 12-jährige Tochter wohnen. Sie hat Dolmeh vorbereitet, Weinblätter mit Reis und Hackfleisch gefüllt, dazu saure Sahne. „Bitte“, lächelt sie.
Nooshin ist iranische Türkin aus dem Nordwesten Irans, fast an der Grenze zu Aserbaidschan, erzählt sie. Kiana Kahlili isst mit und dolmetscht wieder aus dem Persischen. Vor drei Monaten kam Nooshin in Deutschland an, vor drei Wochen auf dem Dänholm. Ihr Heimatland musste sie aus politischen Gründen verlassen, sagt sie, das sei vor sieben Jahren gewesen. Zunächst sei sie in die Türkei gegangen, wo sie ihren Mann, einen irakischen Kurden, kennenlernte, später nach Griechenland.
Deutschland gefällt ihr gut, eigentlich: „Dass es so viele Gesetze gibt, dass es Regeln und Ordnung gibt.“ Aber Nooshin kennt inzwischen auch die Kehrseite der deutschen Ordnungsgesellschaft, das Bürokratiedickicht des Behördendschungels. Aktuell warten sie und ihr Mann auf eine Gesundheitsbescheinigung. Ohne Aufenthaltstitel brauche man das Stück Papier, um überhaupt zum Arzt gehen zu können, sagt sie. Ihr Mann habe vermutlich Diabetes, erklärt sie, bekomme aber momentan weder Diagnose noch Behandlung. Auch sie habe gesundheitliche Beschwerden und warte seit Wochen auf die Bescheinigung.
„Ich wünsche mir Gleichberechtigung“, sagt Nooshin frustriert, „ohne dass Ethnien, Religion oder Glauben infrage kommen.“ Niemand solle wegen ihres Heimatlandes bevorzugt werden, findet sie. „Die Europäer sagen immer, Menschen seien alle gleich, sie engagieren sich für Menschenrechte – aber ich wünsche mir, dass das tatsächlich so wäre.“ Nooshin und Khalili tauschen Handynummern, immer wieder kann die Geflüchtete eine Dolmetscherin brauchen. Aber sie wirkt zugleich auch erleichtert, sich endlich von jemandem verstanden zu fühlen.
Auf engstem Raum
Zurück in der Stralsunder Innenstadt sitzt Kiana Khalili wieder im Büro von Tutmonde, zusammen mit Vorständin Theresia Michael und drei Ehrenamtlichen des Vereins. Eine heißt Dila, eine 19-jährige Kurdin, die mit ihrer Familie aus der Türkei geflohen ist. Fast ein Jahr lang lebte sie selbst in der alten Kaserne auf dem Dänholm. Heute engagiert sie sich für andere Geflüchtete, dolmetscht auch für sie.
Dila beschreibt, wie es ist, als junge Frau in einem überwiegend männlichem Heim zu wohnen: „Nachts kann man nicht selber zur Toilette gehen, weil da viele Männer sind, einige betrunken.“ Einmal habe ein Mann nachts auf sie gewartet. „Wir hatten keinen privaten Ort im Heim, wir waren eine Familie unter Männern.“ Und trotzdem sei die Situation auf dem Dänholm viel besser als in anderen Unterkünften, will sie betonen.
Eine andere Erfahrung hatte Lale, 46, die Tante von Dila. Anderthalb Monate habe sie in einer Unterkunft in Schwerin verbracht, und beschreibt die schlechte Situation vor Ort: keine Küche, keine privaten Duschen. Ramadan sei dort schwierig einzuhalten gewesen, kritisiert sie, Essen mit aufs Zimmer zu nehmen, sei nicht erlaubt.
Layla, eine 16-Jährige aus Syrien, die 2016 mit ihrer Familie nach Deutschland geflohen ist, ergänzt: „Was fehlt, ist ein soziales Leben für die Geflüchteten, viele sind auch zurückhaltend wegen der Sprache und können nicht kommunizieren.“ Für die wenigen Deutschkurse gebe es Wartelisten. Mit ihrem Engagement bei Tutmonde will sie vor allem Kindern helfen, die wie sie nach einer langen, oft gefährlichen Flucht in Mecklenburg-Vorpommern landen. „Wir kennen die Erfahrung von den Flüchtlingen in den Unterkünften, weil wir selber dort leben mussten, wir verstehen, wie das ist, wenn eine ganze Familie in einem kleinen Raum lebt.“
Transparenzhinweis: Tahera Ameer, Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung, sitzt auch im Vorstand des Vereins Tutmonde.