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USA Biden ist Präsident – und die QAnon-Szene ist gespalten

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Heute ist es nicht leicht, ein Verschwörungsanhänger zu sein. Aber es ist ein guter Tag, um in die Realität zurückzukehren.

Die Vereidigung von Joe Biden als 46. Präsident der Vereinigten Staaten war für viele Menschen in den USA und auf der Welt ein freudiges Ereignis – für Anhänger*innen der Verschwörungsideologie von QAnon allerdings nicht. „Trust the plan“ hieß es oder „The Storm is coming“ – die „Q-Family“, wie sich die Anhänger*innen der Verschwörungsideologie bisweilen nennen, bezog diese Losungen auf einen Menschen, nämlich Donald Trump, und eigentlich auf spätestens ein Datum, nämlich die Vereidigung des Präsidenten am 20.01.2021. In der „Q“-Welt, die die Anhänger*innen beständig zur Recherche und eigenen Erzählungen auffordert, gab es verschiedene Ideen, was genau passieren sollte, eines aber war allen gewiss: Donald Trump bleibt Präsident. Joe Biden wird nicht Präsident.

Und genau das ist nicht passiert. Kein Militäraufstand, kein Staatsstreich, keine Verhaftung der demokratisch gewählten Regierung der USA durch Trump-Truppen, kein Trump, der das Weiße Haus besetzt. Trump ging, nicht ohne zuvor noch seine „Drain the Swamp“ („Trockne den Sumpf aus“)-Politik zu karikieren und den eigenen Getreuen das zuzugestehen, was er zuvor hatte bekämpfen wollen: Dass ehemalige Regierungsmitarbeiter hinterher hoch dotierte Lobby-Verträge annehmen und damit weiter Einfluss nehmen können. Natürlich wird Trump weiter ein politischer Akteur bleiben. Vielleicht zieht er sein angekündigtes neues „Medienimperium“ auf (vgl. Tagesspiegel). Er hat auch die Gründung einer neuen „Patriot Party“ angekündigt (vgl.Wall Street Journal). Statt an der Amtseinführung von Joe Biden teilzunehmen, verließen die Trumps  Washington DC zunächst in Richtung der Militärbasis Joint Base Andrews. Dort hatte Trump eine militärische Abschiedszeremonie für sich selbst organisiert, nachdem hochrangige Mitarbeiter des Pentagon verkündet hatten, dass es keinen offiziellen Abschied durch die Streitkräfte, wie bei bisherigen Präsidenten, geben würde (vgl. Guardian). Einige Unterstützer*innen erschienen, um sich vom Präsidenten samt First Lady Melania Trump zu verabschieden. „Wir werden in irgendeiner Form zurückkommen. Habt ein gutes Leben“, so Trump. Ein letztes Mal flogen die Trumps mit der Präsidentenmaschine Air Force One schließlich nach Florida, wo die Familie zukünftig in Trumps Privat-Resort Mar-a-Lago wohnen will. Bei der Zeremonie waren keine wichtigen Vertreter*innen der Republikaner anwesend. Der republikanische Mehrheitsführer im Senat Mitch McConell, Kevin McCarthy, Fraktionsvorsitzender der Partei im Kongress und selbst Trumps Vize Mike Pence nahmen stattdessen an der Vereidigung von Joe Biden teil (vgl. Washington Post).

Die Desillusionierten

Und QAnon-Fans? Ein Teil ist wirklich desillusioniert. Am deutlichsten zu sehen vielleicht in den kommentarlosen Löschungen der „Q-Drops“, also Q-Ankündigungen und Rätsel, auf dem Imageboard 8kun, wo sie zuletzt erschienen. Es gibt auch eine Nachricht von „CodeMonkeyZ“ aka Ron Watkins, dem ehemaligen Administrator von 8kun, an seine fast 120.000 Telegram-Abonent*innen: „Wir haben alles gegeben. Nun müssen wir das Kinn hochhalten und zurück in unsere Leben kehren, soweit uns das möglich ist.“ (vgl. Huffington Post) Wenigstens habe man in den letzten Jahren gute Freunde gefunden und „schöne Erinnerungen” geschaffen (vgl. Forbes)

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Auf einem der größten deutschsprachigen Q-Channel schreibt der langjährige Q-Anhänger Oliver Janich:

Und schließlich…

In einigen der großen deutschen Q-Kanäle herrschte dann zunächst beredtes Schweigen zu den Vorgängen in Amerika. Stattdessen gab es Postings zur angeblichen Gefährlichkeit von Anti-Coronavirus-Impfungen – was aber mehr wie eine Übersprungshandlung wirkte, nun da der Heilsbringer offenkundig nicht aktiv wurde.

Oder? Geht doch noch etwas?

Die weiter Gläubigen

Es gibt aber auch die Fraktion derjenigen, die trotz aller offensichtlichen Entwicklungen an der QAnon-Verschwörungsideologie festhalten – auch in Deutschland. Wer sich in eine wahnhafte Wirklichkeit begeben hat, kann diese beliebig modifizieren, um sie am Leben zu halten – das ist ja eine Eigenart von Verschwörungsideologien.

In diesen Kreisen geht es weiter mit der fleißigen Hinweissuche und Narrativentwicklung: Während Trumps letzter Rede stand er vor einer Kulisse von 17 Flaggen. Das kann kein Zufall sein, denn Q ist immerhin der 17. Buchstabe des Alphabets.

Und auch die Ohrringe von Jennifer Lopez, die bei der Amtseinführung autrat, haben eine Bedeutung, denn sie sehen aus wie das Coronavirus. Die minimale Zeitverzögerung zwischen unterschiedlichen Streams und Fernsehübertragungen bedeutet für die Q-Gläubigen in deutschen Q-Livestreams, dass die Vereidigung gar nicht real, sondern nur ein aufgezeichneter Film sei. Das Wetter sei in Washington „in Wahrheit“ ganz anders. Und auch der neue Präsident ist nicht echt, die Verschwörungsfreund*innen haben erkannt, dass die Falten auf Joe Bidens Stirn früher anders ausgesehen haben, es muss sich also ganz eindeutig um einen Schauspieler halten. Das würde auch zu einer der skurrilsten Theorien passen, die schon vor dem Machtwechsel in Washington die Runde machten: Die Gesichter von Donald Trump und Joe Biden wurden demnach operativ ausgetauscht. Joe Biden ist also eigentlich Donald Trump, der deswegen weiter regiert, sollte Donald Trump, der eigentlich Joe Biden ist, nun angeklagt werden und vor Gericht landen, würde also eigentlich Joe Biden angeklagt werden.

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Und überhaupt: Läuft nicht vielleicht alles weiter nach Plan? Hat Q (den die Anhänger*innen ja als realer Person und Regierungsmitarbeiter imaginieren) Einfluss auf Joe Biden? Lässt Trump Biden nur ein paar Tage Präsident sein und vertreibt ihn dann mit Militärgewalt? Schön auch eine Theorie, die unter anderem Heiko Schrang mit verbreitete: Trump habe alle Menschen aus Washington herausgeholt und die amerikanische Hauptstadt abgeriegelt. Auf dem Rest der USA werde Trump nun eine eigene Republik ausrufen und dann alle in Washington vor das Militärgericht stellen!

 

 

Diese Versuche, die eigene verschwörungsideologische Weltsicht angesichts erdrückender Realität zu erhalten, kosten viel Kraft. Gefährlicher allerdings sind die Gruppen, die nun – garniert Herzchen und Weltkugeln – die „Q-Family“ aufrufen, sich auf „ihre Stärke“ zu besinnen. „Wir sind ganz viele, schon in dieser Gruppe! Wenn wir zusammenhalten, können wir Einfluss nehmen!“, heißt es da. Aber ist damit Einfluss durch Wahlen, Einfluss auf die öffentliche Meinung oder Einfluss durch Gewaltanwendung gemeint? Das werden die nächsten Tage zeigen.

Wer QAnon-Fans in seinem Freundes- oder Bekanntenkreis hat, sollte diese jetzt nicht verlachen, sondern ihnen signalisieren, dass ein Weg zurück in die nicht-verschwörungsideologische Welt offen steht. Selten standen die Chancen so gut wie heute.
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