Verschwörungstheorien, nach denen es eine Verbindung zwischen neuen 5G-Mobilnetzwerken und der Corona-Pandemie gibt, haben eine Welle von Brandstiftungen an Funkmasten ausgelöst. Behörden in Europa und auch in den USA verfolgen die Entwicklung mit Besorgnis: Sie befürchten, dass die Attacken Telekommunikationsverbindungen lahmlegen könnten, die gerade in dieser Krisenzeit lebenswichtig sein können. Auch in Deutschland warnen Netzbetreiber vor Angriffen auf Mobilfunkmasten.
Zentrum der Brandattacken gegen Mobilfunkmasten und andere Ausrüstung ist Großbritannien. Mehr als 60 Mobilfunkmasten haben in den vergangenen Wochen in Großbritannien gebrannt – 20 allein am Osterwochenende.
Twitter bannt Falschinformationen zu 5G
80 Mal ist es vorgekommen, dass Telekommunikationsmechaniker*innen bei ihrer Arbeit beschimpft wurden, wie die Handelsgruppe Mobile UK berichtet. Zwölf Brandstiftungen wurden in den Niederlanden registriert, weitere in Irland, Belgien und auf Zypern. Mitte April gab es auch in Deutschland einen Brandanschlag auf einen Mobilfunksendemast in Hessen, die Motivation ist allerdings bisher ungeklärt.
Am Mittwoch, den 22. April, teilte der Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass er Falschnachrichten die einen Zusammenhang zwischen 5G und Covid-19 herstellen, löschen würde. Da solche Desinformationen zur Zerstörung von relevanter Infrastruktur, zu Panik und sozialen Unruhen führen könnten.
Aufruf zum Zerstören der Funkmasten
Auch auf Telegam, in den unterschiedlichsten rechten, rechtsextremen und rechtsterroristischen Gruppen rufen Menschen dazu auf, Funkmastene betriebsunfähig zu machen. Hier werden Karten gepostet, wo Antennen zu finden sind, oder Fotos von vermeintlichen Funkmasten mit Adresse. Auch in deutschen Gruppen rufen immer mehr User*innen dazu auf, die Funkmasten zu zerstören.
„Die Frage ist nicht ob, sondern wie viele Masten in Deutschland abgebrannt werden“, meint Miro Dittrich, Monitoring-Experte der Amadeu Antonio Stiftung. „Es ist gut zu sehen das Twitter sich hier seiner Verantwortung bewusst ist und seine Richtlinien angepasst hat.“
Der konstruierte Zusammenhang zwischen dem Corona-Virus und 5G
Der Grund für diese Zerstörungswut sind Verschwörungserzählungen, die einen Zusammenhang zwischen 5G und Covid-19 herstellen. Sie kursieren schon seit Januar im Internet und in Messenger-Diensten kursieren: Eine davon lautet, dass die Menschen gar nicht am Corona-Virus sterben, sondern an 5G. Denn, so die die Erzählung, 5G würde Zellabbau verursachen und grippeähnliche Symptome auslösen. Aber wie an den meisten Verschwörungsmythen ist auch an diesem nichts dran: Eine Sprecherin des Bundesamtes für Strahlenschutz gab bereits im Januar auf eine Anfrage von CORRECTIV Entwarnung: Elektromagnetische Strahlung könne keine solchen Auswirkungen haben. „5G verursacht weder Zellabbau noch grippeähnliche Symptome. 5G kann (wie alle Felder von Mobilfunksendeanlagen, also auch 2G, 3G, 4G) höchstens eine geringfügige, nicht wahrnehmbare Erwärmung verursachen, die sich vor allem auf die Körperoberfläche beschränkt (und die Lunge nicht erreicht).“
Keine einheitliche Erklärung
Wie bei Verschwörungsmythen üblich, gibt es auch bei 5G nicht die einheitliche Erzählung, auf die sich Verschwörungsideolog*innen einigen. Es gibt dutzende unterschiedliche Erklärungen. So würde 5G das menschliche Immunsystem schwächen und dadurch die Ausbreitung des Virus erleichtern, in anderen Fällen ist gar die Rede davon, dass das Virus selbst durch den neuen Mobilfunk übertragen wird, um so die Gedanken der Menschen zu kontrollieren oder um die menschliche Genetik zu verändern.
In folgender Erzählung sei Covid-19 nicht sonderlich gefährlich. Böse Mächte, die Neue Weltordnung (NWO, zumeist eine “jüdische Finanz-Elite”), würden dieses Virus jedoch nutzen, um Panik zu verbreiten, damit sie die Bevölkerung mit ihrem diabolischen Impfstoff unter ihre Kontrolle bringen: „Die Verbindung Coronavirus-5G geht sehr tief, tief hinein in die NWO-Agenden wie Pflichtimpfungen, Entvölkerung und Transhumanismus via DNS-Impfstoffe.“
Die Forscher aus dem Internet
„Verschiedene unabhängige Forscher überall im Internet“ hätten schon lange auf die Verbindung zwischen dem Corona-Virus und 5G aufmerksam gemacht, und das, „obwohl Google (als selbst ernannter NWO-Chefzensor) sein bestes tut“, um die Wahrheit zu unterdrücken. 5G sei eine „Militärtechnologie“ und würden auch „hinter dem Einsturz der Zwillingstürme am 11. September und den gefälschten kalifornischen ‘Wildnisfeuern‘ stehen.“ Dass der Ausbau von 5G, das Corona-Virus, die Terroranschläge vom 11. September 2001 und die kalifornischen Waldbrände 2018 völlig unabhängig voneinander sind, ist für Anhänger*innen dieser Theorie wohl schwer zu ertragen. Sie wollen in allem einen Zusammenhang sehen. Die Welt ist komplex und oft geschehen Dinge zufällig. Menschen, die diese Zufälligkeit nicht ertragen, flüchten sich oft in Verschwörungserzählungen, die einfache und recht simple Erklärungen für die Welt liefern.
Lieblings-Hassobjekt in Corona-Verschwörungserzählungen: Bill Gates und 5G
Eine aktuelle Untersuchung der „New York Times“ und „Zignal Labs“, einem Unternehmen, das Medienquellen analysiert, kommt zu dem Schluss, dass 5G nach Bill Gates derzeit das Lieblings-Hassobjekt in Zusammenhang mit Corona-Verschwörungserzählungen ist. Uns wie könnte es anders sein: Es gibt bereits Erzählungen, die BillGates und 5G in einen Zusammenhang bringen.
Und das ist Bill Gates imaginierte Rolle in diesem Verschwörungsmärchen: Bereits im Oktober 2019 hätte das Johns Hopkins Center gemeinsam mit dem Weltwirtschaftsforum und der „Bill and Melinda Gates Foundation“ in Wuhan eine Simulation eine globale Pandemie durch gespielt. Als Virus hätten sie damals ein Corona-Virus gewählt und Schweine-Zellen verwendet. Und „bekannter Weise“ würden die Fische auf dem Markt in Wuhan, auf dem das Virus erstmals beim Menschen auftrat, mit Schweineabfällen gefüttert. So wurde das Virus angeblich freigesetzt.
Dieses Event fand tatsächlich im Oktober 2019 statt. Es sollte ein Pandemie-Szenario simulieren. Es war ein Krisenszenario mit einer erfundenen Corona-Virus-Pandemie, keine Vorhersage oder Prognose. „Wir sagen auch jetzt nicht vorher, dass der Ausbruch 65 Millionen Menschen töten wird. Zwar hat unsere Übung ein fiktives Corona-Virus beinhaltet, aber die dafür genutzten Modelle waren nicht mit nCoV-2019 vergleichbar“, stellt Johns Hopkins Universität klar.
5G öffne die Haut der Menschen und mache sie zu Maschinen
Aber was tut nun 5G genau laut dieser Erzählung genau? Laut jener Theorie würde der Mobilfunkstandards dazu genutzt, die Haut der Menschen zu öffnen, damit das Corona-Virus leichter in die Haut eindringen könne (obwohl Fakten in dieser Theorie wohl irrelevant sind, hier nochmal der Hinweis darauf, dass das Virus über Tröpfcheninfektion übertrage wird, also über die Schleimhäute und nicht über die Poren auf der Haut). In der Verschwörungserzählung gibt es auch bereits einen Impfstoff, der aber nur dazu da sei, Menschen in Maschinen zu verwandeln. Und derjenige, der das Patent an dem Impfstoff besitzt, sei Bill Gates.
Im Kampf “Gut gegen Böse”
Egal wie absurd die Verschwörungserzählungen zu Corona und 5G auch seien mögen, sie sind gefährlich. Menschen, die Verschwörungstheorien anhängen, sind in einem wahnhaften Zustand. Sie sehen sich in einem Kampf “Gut gegen Böse”. Und nur, indem sie sich auflehnen und gegebenenfalls Gewalt anwenden, können sie sich – und die Menschheit – aus der Unterdrückung der bösen Macht befreien. Im Falle der Erzählungen zu 5G sehen wir, wie konkret die Folgen einer solchen Erzählung werden können, wenn Menschen beginnen, die Funkmasten in Brand zu setzen.
In Großbritannien hat die Zerstörungswut bereits reale Konsequenzen gefordert. Die Anwohner*innen einer betroffenen Region hatten teilweise stundenlang keinen Empfang und waren so selbst in Notfällen abgeschnitten. Und abgesehen davon, dass zahlreiche der in UK zerstörten Masten noch gar nicht auf 5G umgerüstet waren, zeigte sich dort, dass die Verschwörungserzählung dort Menschenleben bedrohte: In Birmingham zündeten die Brandstifter ausgerechnet einen Mast an, der ein örtliches Notfall-Krankenhaus mit Netz versorgte.
Recherche mit Miro Dittrich