Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Völkische Ostern

Von|
Von Karfreitag bis Ostersonntag wird in Dorfmark gegen die Ostertagung des "Bundes für Gotterkenntnis demonstriert. Flyer des "Bündnisses gegen Ludendorffer". (Quelle: DBG Nord-Ost-Niedersachsen)

 

 

Dorfmark ist ein beschaulicher Ort bei Bad Fallingbostel in der Lüneburger Heide. Neben dem Weinfest, dem Schützenfest und dem Strandfest findet hier jedoch alljährlich auch eine Veranstaltung statt, die die Ruhe des Dorfes stört: Der „Bund für Gotterkenntnis“ hält hier seit mittlerweile über 40 Jahren seine Ostertagung ab. Zu diesem Anlass reisen zwischen 100 und 250 „Ludendorffer“ genannte, Mitglieder des „Bunds für Gotterkenntnis“ aus dem In- und Ausland an. Ganze Familien treffen sich hier in völkischem Ambiente, um Vorträgen zu lauschen, die Titel tragen wie „Behauptungen und Tatsachen zum Thema Menschenrassen“ oder „Von der Nachhaltigkeit der Geschichtslegenden und der Bequemlichkeit, sich in ihnen einzurichten“. Zu den eingeladenen Gästen und Referierenden zählten in der Vergangenheit die notorische Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck, der NS-Jagdfliegerheld Hans-Joachim Hermann und andere führende Köpfe der rechtsextremen Szene.

 

Proteste in der Lüneburger Heide

Die Bewohner Dorfmarks protestieren seit zehn Jahren gegen das Treffen des rechtsextremen Vereins. Sie berichten von Hitlergrüßen und offener Holocaustleugnung von Teilnehmenden. Zudem sind bereits mehrfach  Journalist_innen körperlich angegangen worden. Für Karfreitag, Ostersamstag und Ostersonntag sind Demonstrationen und Mahnwachen in Dorfmark geplant. Die Proteste werden von einem breiten lokalen Bündnis von Parteien, Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Akteur_innen getragen. Sie fordern, die Tagung und die Gruppierung selbst endgültig zu verbieten, so der Sprecher des Bündnisses, Charly Braun. Bislang habe die Politik allerdings keine Konsequenzen gezogen.

 

Wer sind die „Ludendorffer“?

Hinter dem „Bund für Gotterkenntnis“ steckt eine völkisch- (pseudo-) religiöse Weltanschauungsgemeinschaft, die sich auf die Werke vom „Hause Ludendorff“ beziehen. Unter der Bezeichnung publizierten Erich Ludendorff, General im Ersten Weltkrieg und seine zweite Ehefrau, Mathilde Ludendorff. Nach Ende des Ersten Weltkrieges wurde das Ehepaar zu zentralen Protagonist_innen der völkischen Bewegung. Der Ursprung des BfG liegt im 1930 von Erich und Mathilde gegründeten Verein „Deutschvolk“. Dessen Ziel war es, dafür zu sorgen, dass die „Deutsche Gotterkenntnis“ als Religion in der Weimarer Republik anerkannt wird. Dies gelang schließlich sieben Jahre später unter NS-Herrschaft – ein Indiz für die äußerst halbherzige angebliche „Gegnerschaft“ zum Nationalsozialismus und die fantasierte „Verfolgung“ im NS-Staat. Obwohl der Verein „Deutschvolk“ 1933 verboten wurde, durften die Ludendorffs nämlich beinahe uneingeschränkt weiterpublizieren. Als Nachfolgeorganisation entstand 1937 der „Bund für „Deutsche Gotterkenntnis (Ludendorff)““, welcher nach dem Krieg wiederum als, weniger verdächtig klingender, „Bund für Gotterkenntnis (L)“ neugegründete wurde. Vor allem Mathilde Ludendorffs Publikationen haben weitreichende Beachtung gefunden – bis heute.  

 

Die „Gotterkenntnis“ ist nicht mehr als völkischer Nationalismus

Den Ludendorffern ging es nicht um die Ausformulierung einer theologischen Lehre. Stattdessen verbanden sie pseudo-philosophische Versatzstücke mit einem rassen- und  verschwörungsideologischen Wahn zu einer zutiefst antisemitischen Ersatzreligion. Im Zentrum ihrer Lehre stand daher auch keine göttliche Heilvorstellung, sondern der Abwehrkampf gegen die „überstaatlichen Mächte“, zu denen sie „die Freimaurer“, „die Kommunisten“, „die Jesuiten“ und „das Christentum“ zählen, welche wiederum von „den Juden“ durchsetzt und beherrscht würden. Ziel dieser Gruppierungen sei es, eine „Neue Weltordnung“ zu schaffen, die von der „Gewaltherrschaft des „beweglichen Juden““ regiert würde. Dieser antisemitische Wahn wird heute vor allem auf die USA und Israel projiziert, welche den „Rassewahn“ verkörpern würden, der den Deutschen durch angebliche Lügen  über den Nationalsozialismus vorgeworfen werden würde. 

Zum Nationalsozialismus gibt es derweil eine ambivalente Haltung: Öffentlich lehnt der BfG diesen genauso ab wie jeden „religiös-orthodoxen Auserwähltheitsanspruch“ und setzt den NS so mit den unterstellten Interessen des Judentums gleich. Zudem wird die Rolle Hitlers in das verschwörungsideologische Konstrukt eingebaut: er sei von „jüdisch-amerikanischer Seite“ finanziell und von „führenden Weltmacht-Juden“ geistig „hochgebracht und zum Krieg aufgestachelt worden“. 

Da die „Erkenntnis“ des Göttlichen je nach „Rasse“ spezifisch sei, dürften sich diese zudem nicht „vermischen“. Auch die Gegenüberstellung von „Licht“- und „Schacht“-, bzw. „Schattenrassen“ in den Texten der Ludendorffs verdeutlicht deren inhärenten Rassismus, den die heutigen „Ludendorffer“ zu einem vermeintlich Vielfältigkeit-liebenden „Ethnopluralismus“ umzudeuten versuchen, der jedem „Volk“ seinen Platz in der Welt zubillige. Die Zuwanderung von „Volksfremden“ und die damit einhergehende „Vermischung der Völker“ werden zu einem verschwörerischen Plan der „überstaatlichen Mächte“, der auf die Vernichtung der „Völker“ abziele.

 

Für weitere Informationen zu den „Ludendorffern“ empfehlen wir die Broschüre „Im Kampf gegen „überstaatliche Mächte“. Die völkische  Ludendorff-Bewegung   –   von   „Jugenderziehung“   bis   „Ahnenpflege“ von Felix Reiter und Gideon Thalmann, die von der Bildungsvereinigung Arbeit und Leben in Braunschweig herausgegeben wurde.

 

Informationen zu den Protesten

gegen die Ostertagung gibt es etwas beim DGB Nord-Ost-Niedersachsen. Protestiert wird vom 14.04.2017 bis 16.04.2017.

http://nordostniedersachsen.dgb.de/termine/++co++e9311448-147c-11e7-bdff-525400e5a74a

 

Mehr auf Belltower.News: 

Ludendorffer und „Bund für Gotterkenntnis“Völkische Siedler_innenVölkisches Denken

Weiterlesen

npd-verbot

NPD-Verbot – Chance und Risiko

Die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen? Das will die NPD. Das weist ihr Parteiprogramm explizit aus, das betonen ihre Funktionär*innen bei vielfältigen Gelegenheiten. Gewalt? Verwenden Parteikader immer wieder, um ihrer Vorstellung Ausdruck zu verleihen, wer in ihrer Vision von Deutschland leben soll und wer nicht. Heute wird – nach Jahren der Diskussion – zumindest der Antrag für ein NPD-Verbot beim Bundesverfassungsgericht gestellt.

Von|
Eine Plattform der