Von Timo Büchner
– Achtung: Explizite Inhalte in Zitaten –
Das erste Rechtsrock-Festival des Jahres 2018 beginnt am 20. April, passend zur Feier des Geburtstags von Adolf Hitler: Wenige Meter vom Bahnhof des polnischen Dorfes Krzewina entfernt findet das zweitägige „Schild und Schwert“-Festival auf dem Gelände des Hotels „Neißeblick“ im ostsächsischen Ostritz statt. Das Motto lautet: „Reconquista Europa“. Ein zweites „Schild und Schwert“-Festival wurde bereits für den 02./03. November 2018 angekündigt. „Es gibt die Befürchtung, dass Ostritz zu einem zweiten Themar wird“, meint die sächsische Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz. Sie vermutet, das Festival könnten weit mehr als die angemeldeten 750 Teilnehmenden besuchen. Themar sorgte Mitte Juli 2017 für bundesweite Schlagzeilen: Über 6.000 Neonazis feierten einschlägig bekannte Rechtsrock-Bands wie „Stahlgewitter“ und „Die Lunikoff Verschwörung“. Die Veranstaltung war eines der größten Rechtsrock-Konzerte in der bundesdeutschen Geschichte. In Themar sollen die „Tage der nationalen Bewegung“ am 08./09. Juni an die „Erfolge“ des letzten Jahres anknüpfen.
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Was wird denn da gesungen?
In der gesellschaftlichen Debatte um Neonazi-Konzerte und RechtsRock rücken die menschenverachtenden Inhalte viel zu häufig in den Hintergrund, obwohl die Verbreitung der Ideologie eine zentrale Intention für die Rechtsrock-Szene ist. Antisemitismus spielt dabei eine elementare Rolle; er äußert sich im Rechtsrock entweder erschreckend grausam – oder verschlüsselt und versteckt.
Die Rechtsrock-Gruppe „Bataillon 500“, die für das „Schild und Schwert“-Festival angekündigt ist und deren Name sich auf das „SS-Fallschirmjäger-Bataillon 500“ bezieht, ist zweifelsohne ein Beispiel für einen Antisemitismus, der sich eindeutig in der offenen Verherrlichung des Nationalsozialismus äußert: Gemeinsam mit „Nordmacht“ veröffentlichte sie eine CD mit Live-Mitschnitten eines Konzerts, bei dem „Bataillon 500“ einschlägige Titel wie „Blut und Ehre“, „Der Führer“ und „Hißt die Alten Fahnen“ im Repertoire hat. Das CD-Cover zeigt einen SS-Funktionär samt Doppelblitze, im Hintergrund befindet sich eine Hakenkreuzflagge. Die verbreiteten Symbole und Inhalte stehen für einen eliminatorischen Rassenantisemitismus – wie ihn beispielsweise auch die Rechtsrock-Gruppe „Sonderkommando Dirlewanger“ verbreitet, deren Name sich auf die von Oskar Paul Dirlewanger geführte „SS-Sondereinheit Dirlewanger“ bezieht:
„Die Weltverschwörer und ihre Vasallen wollen das Abendland zerstören. / Da können sie kreisen wie die Geier, Deutschland wird ihnen nie gehören. / […] / Hängt sie auf, die Volksverräter, an Laterne oder Baum! / Es erwacht das Reich der Väter bald aus seinem bösen Traum. / Jagt das Pack, das einst sie holten raus aus jedem deutschen Gau! / Aus ihren Banken, Synagogen, raus, raus, raus! / […] / Das deutsche Volk in Ost und West wird sich bald von euch befreien / und das gelobte Land wird nicht Israel, es wird das Fegefeuer sein!“ (Sonderkommando Dirlewanger: „Hängt sie auf“, Album: „Eisern und stolz“, 2008)
Das Lied kombiniert antisemitische Stereotype eines reichen („Banken“), zersetzenden („Abendland zerstören“), gierigen („Geier“) und die Welt regierenden („Weltverschwörer“) Juden mit dem Wunsch, die jüdische Bevölkerung („Volksverräter“) zu vernichten. Damit knüpft die Band unmittelbar an den Nationalsozialismus an: Der Rassenantisemitismus zeichnete Jüd_innen als natürliche, minderwertige Rasse, weshalb die Lösung der „Judenfrage“ einzig in die Vertreibung oder Vernichtung münden konnte. Für das NS-Regime bedeutete das die industrielle Ermordung der vermeintlich jüdischen Rasse. Die „Synagogen“ und der Bezug auf „Israel“ verdeutlichen, wer gemeint ist: der Jude.
Verklausulierter Anschluss an den eliminatorischen Rassenantisemitismus des Nationalsozialismus
Im Rechtsrock wird die Ermordung der jüdischen Bevölkerung selten offen und unverschlüsselt propagiert. Auf nicht-indizierten Rechtsrock-Alben wird Antisemitismus mit Hilfe sprachlicher Codes verschlüsselt. Somit ging im Laufe der Jahre ein beträchtlicher Anteil der Rechtsrock-Szene gewissermaßen in den sprachlichen Untergrund. Antisemitische Codes finden sich in sämtlichen Phänomenen des Antisemitismus: Ob „Blutsauger“, „Die Auserwählten“ oder der „Ewige Jude“ – die meisten antisemitischen Codes stammen aus dem Mittelalter und sind tradierte, aktualisierte Stereotype des „christlichen Antijudaismus“. Die Legenden des Mittelalters bilden bis heute die Grundlage für den modernen Antisemitismus, der sich im „Rassenantisemitismus“, „sekundären Antisemitismus“ und „Israelbezogenen Antisemitismus“ offenbart.
Der „sekundäre Antisemitismus“ bezeichnet eine Form des Antisemitismus, der im Zuge der innerdeutschen Debatten um die gesellschaftliche Schuld am Holocaust sowie um die Forderungen nach Entschädigungszahlungen an die Überlebenden des Genozids aufkeimte. Er äußert sich entweder in der Relativierung oder Leugnung des Holocaust.
Der „Israelbezogene Antisemitismus“ wandelte mit der Gründung des Staates Israel 1948 die Vorstellung des abstrakten, kosmopolitischen und staatenlosen Judentums in ein konkret, national und staatlich identifizierbares Feindbild. Die Sprache des Rechtsrock kennt in allen Ausprägungen des Antisemitismus eigene Codes, die antisemitische Bilder und Stereotype verschlüsselt an seine Fans sendet.
Beliebt: Die imaginierte „jüdische Weltverschwörung“
In der extremen Rechten gilt „der“ Jude als Drahtzieher, der hinter den Kulissen die Politik, Wirtschaft und Medien lenkt. Die Staaten seien Marionetten, „der“ Jude sei der Marionettenspieler, der die Entscheidungen und Handlungen staatlicher Akteure zur Erlangung der Weltherrschaft beeinflusse. Die Vorstellung der sog. „jüdischen Weltverschwörung“ spielt für das Verständnis des Antisemitismus eine zentrale Rolle, im Rechtsrock ist sie omnipräsent. „Die Lunikoff Verschwörung“ beschreibt die „jüdische Weltverschwörung“ beispielsweise wie folgt:
„Kabbalistische Banker hinter den Kulissen, / schwarzmagische Eliten mit geheimem Wissen, / weil jedes Volk und jedes Land / regiert die unsichtbare Hand. // Kehrreim: Das ist die Schattenregierung, / die geheime Weltmacht, / über den Erdball / senkt sich die Nacht, / die Schattenregierung ohne Pardon, / die Wahnsinnigen vom Berge Zion.“ (Die Lunikoff Verschwörung: „Schattenregierung“, Album: „L-Kaida“, 2011)
Die „jüdische Weltverschwörung“ kann die Machtverhältnisse in Politik, Wirtschaft und Medien auf vermeintlich simple und verlässliche Weise erklären: Die „Wahnsinnigen vom Berge Zion“ seien für alles verantwortlich. Wer steckt hinter dem Code „Zion“, der auf die hebräische Bezeichnung des Jerusalemer Tempelbergs und den „Zionismus“, die politisch-soziale Bewegung der Jüd_nnen zur Errichtung des jüdischen Staates, abzielt? Natürlich: der Jude.
Antisemitischer Antiamerikanismus
Wer wissen möchte, wo die angeblichen „Zionisten“ zu Hause sind, wird schnell fündig: „Da sitzen ein paar sehr nette Herren / mit Krawatten in den Banken an der Ostküste“, rappt „MaKss Damage“ in seinem 2015 veröffentlichten Lied „Wahrheit“. Ob „Ostküste“, „Wall Street“ oder die Familie „Rothschild“: Die Spuren führen rasch in die USA, der Antiamerikanismus ist häufig eine Brücke zum Antisemitismus. Die Quelle des Bösen – die Rechtsrock-Szene ist sich einig, dass das die angeblich von mächtigen, gierigen Jüd_innen dominierte USA sind.
Über „MaKss Damage“ und seinen Antisemitismus„MaKss Damage“: Mein Kampf gegen „FSN.tv“
In seinem am 20. März 2018 erscheinenden Buch „Weltbürgertum statt Vaterland. Antisemitismus im Rechtsrock“ beschäftigt sich Timo Büchner mit der Rolle antisemitischer Codes in extrem rechter Musik und zeigt anhand einer Vielzahl erschreckender Liedtexte, wie antisemitische Bilder und Stereotype in den Liedtexten verschlüsselt werden. Hier gehts zum Buch.
Timo Büchner: „Weltbürgertum statt Vaterland“ – Antisemitismus im RechtsRock. 112 Seiten | 12.80 EuroEdition Assemblage (erscheint am 20. März 2018)