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Wahlkampf in Italien Salonfähiger Rechtsextremismus

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CasaPound in Rom/Logo (Quelle: Wikimedia Commons(CC-Lizenz)/Barbicone/Noglobal)

27. Januar 2013, Holocaust-Gedenktag, Mailand. An Gleis 21 des Hauptbahnhofs findet eine Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus statt – von hier wurden hunderte jüdischer Italienerinnen und Italiener deportiert. Mitten in die Veranstaltung platzt – gänzlich unangemeldet – Silvio Berlusconi – und entsetzt mit lobenden Worten für den faschistischen Diktator Benito Mussolini. Dessen Rassengesetze seien zwar „der schlimmste Fehler“ während seiner Regierungszeit von 1922 bis 1943 gewesen. „Aber auf anderen Gebieten hat er gut gearbeitet.“* Überhaupt könne Italien für die Judenverfolgung nicht verantwortlich gemacht werden: „Italien war mit Deutschland verbündet und wurde deshalb zum Einsatz gegen Juden gezwungen.“

Die Äußerungen Berlusconis ernteten zwar umgehend heftige Kritik. Gleichzeitig schaffte es der Ex-Ministerpräsident und Medienunternehmer, gegen den derzeit mehrere Gerichtsverfahren laufen, allerdings, mit seinen Äußerungen die Schlagzeilen zu bestimmen. Berlusconi schreckt im Wahlkampf nicht davor zurück, offensiv am rechten Rand zu fischen – das verwundert kaum, denn die Koalition des 76-Jährigen beherbergt schon lange rechtspopulistische und rechtsextreme Miniparteien sowie die rechtspopulistische Lega Nord und die nationalistische La Destra.

Der Faschist, dein Freund und Helfer

Für seine lobenden Worte zu Mussolini bekam Berlusconi denn auch gleich Anerkennung aus einschlägiger Richtung: Casa Pound bot ihm Unterstützung an. Die rechtsextreme Gruppierung sorgt derzeit für viel Wirbel: Geschickt nutzt sie den Unmut in der Bevölkerung über das Sparprogramm von Ministerpräsident Mario Monti für ihre Zwecke. Casa Pound-Anhänger demonstrieren gegen die Macht der Banken und für bezahlbaren Wohnraum – Forderungen, mit denen sie den Nerv vieler unzufriedener Italienerinnen und Italiener treffen. Diese Vorgehensweise hat bei Casa Pound, benannt nach dem Schriftsteller und Mussolini-Fan Ezra Pound, Tradition: Seit ihrer Gründung 2003 geriert sich die Gruppierung als Allianz der Kümmerer – mit Erfolg: Mittlerweile gibt es 20 Casa Pound-Zentren im Land, durch ihre Sozialarbeit sind sie in vielen italienischen Regionen bestens integriert.

Ein Beispiel dafür war das Vorgehen von Casa Pound nach der Reihe schwerer Erdbeben im Mai vergangenen Jahres. Casa Pound-Anhänger halfen beim Wiederaufbau zerstörter Gebäude, schafften Verpflegung für die Erdbeben-Opfer heran und sorgten sogar für psychologische Betreuung. Eigentlich ein lobenswertes Engagement – doch Casa Pound nutzt dieses Engagement, um die eigene faschistische Ideologie zu verbreiten. Offen bezeichnen sie sich als „Faschisten des dritten Jahrtausends“, Mussolini als ihren Vater und wachen gleichzeitig streng über das Bild, das in den Medien über sie gezeichnet wird. So schritt etwa eine der Psychologinnen bei einem Interview mit einem Erdbeben-Opfer sofort ein, als es um die politische Ausrichtung von Casa Pound ging.

In der Mitte der Gesellschaft

Davide Bondoni beobachtet die rechtsextreme Szene Italiens schon lange. Für ihn ist Casa Pound eine gefährliche und beunruhigende Gruppierung, auch gebe es Spekulationen über eine Verbindung zwischen Casa Pound und Beppe Grillos Partei „Cinque Stelle“ (Fünf Sterne), denen bei der Wahl ein Überraschungserfolg prognostiziert wird.

Für Bondoni ist der Erfolg von Casa Pound das Ergebnis einer zunehmenden Gewaltbereitschaft in der italienischen Gesellschaft sowie der Salonfähigkeit rechtsextremer Positionen in der Mitte – Belege für beide Beobachtungen sieht er nicht zuletzt in den rassistischen Ausfällen in und um italienische Fußballstadien. Er schließt: „Das italienische Volk hat kein Gedächtnis.“

Vorbild für die NPD

Das Image von Casa Pound leidet auch nicht wirklich darunter, dass etwas erst kürzlich sieben Mitglieder der Gruppierung in Neapel verhaftet wurden. Ihnen werden unter anderem Körperverletzung und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Auch Gianluca Casseri, der Ende 2011 in Florenz auf drei senegalesische Händler schoss, von denen zwei starben, galt als Casa Pound-Anhänger.

Die NPD war von Casa Pound so beeindruckt, dass sie 2010 in Nordsachsen einen Vortrag über die Gruppierung veranstaltete – für die Partei ist Casa Pound ein Vorbild, wenn es um die Verschmelzung von Politik und Kultur geht. So wurde etwa im NPD-„Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ zum Thema referiert „Kulturrevolution von rechts? Das Beispiel ‚Casa Pound‘ in Rom“.

Keine Ächtung rechtsextremer Positionen

Wie sehr Casa Pound ihr direktes Umfeld prägen, zeigt das Beispiel aus Rom: Hier hatte die Bewegung 2003 ein Haus besetzt, mittlerweile befindet sich hier ihr neofaschistisches Kulturzentrum. In dessen Nachbarschaft häufen sich rechtsextreme Schmierereien. Neben den Graffitis prägen Plakate rechtsextremer Parteien das Straßenbild. Während die anderen Parteien vor allem im Fernsehen zu den Wählerinnen und Wählern sprechen, gehen die rechtsextremen Parteien den Weg des Straßenwahlkampfs, verteilen Flyer und versuchen, direkt mit den Menschen ins Gespräch zu kommen.

Was sie dort hören, könnte ihnen Mut machen. Denn, so stellt der Politologe Henning Flad fest: „Anders als in Deutschland existiert in Italien kaum eine Ächtung rechtsextremer Positionen im öffentlichen Diskurs.“ (in „Europa im Visier der Rechtsextremen“, S. 68) Tatsächlich ist auch Berlusconis Ansehen seit seinen Äußerungen zum Holocaust-Gedenktag nicht gesunken – im Gegenteil: Spottete man anfangs noch über seine Wiederkehr, haben die hinter Berlusconi stehenden Mitte-Rechts-Parteien inzwischen deutlich aufgeholt – der Vorsprung der Linksdemokraten ist nur noch minimal.

*Anmerkung von Davide Bondoni:

Man sollte sich bewusst machen, dass Mussolini elf Jahre vor Hitler an die Macht kam – so konnte Hitler gar nicht das Beispiel für Italien sein. Davon abgesehen begann Mussolini sein politisches Engagement, indem er mit Gewalt gegen Sozialisten in Emilia kämpfte. Seine Anhänger brannten Gebäude nieder und beschuldigten dann die Sozialisten – eine Vorwegnahme des Reichstagsbrandes, bei dem Hitler ebenfalls Kommunisten und Sozialdemokraten beschuldigte. Hier folgte Hitler also Mussolinis Vorgehen – geht man davon aus, dass Hitler Mussolinis erste Taten bekannt waren. Nach seinem Marsch auf Rom, dem vermeintlichen Staatsstreich, wurde Mussolini Ministerpräsident, flankiert von Don Sturzo (Partito Popolare Italiano, katholische Volkspartei) und Giovanni Giolitti (liberal). Mussolini setzte das durch, was Kirche und Regierung nicht geschafft hatten: die Drecksarbeit, den Sozialismus zu stoppen. Unter Mussolini wurde Italien ein konfessioneller Staat mit dem Katholizismus als Staatsreligion und einer Pflichtstunde Religion im Schulsystem. Zu guter Letzt sollte auch an den Mord an Giacomo Matteotti, Parteisekretär des Partito Socialista Unitario, am 10. Juni 1924 (zu jener Zeit war Hitler im Gefängnis) erinnert werden, verübt durch die Partito Nazionale Fascista (National-Faschistische Partei). Zusammengenommen: Mussolini war ein Krimineller.

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