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Warum engagiert sich die NPD in der Kommunalpolitik?

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Aufrufe an die Mitglieder, sich in Städten und Gemeinden zu engagieren, sind so alt wie die NPD. Aber mit Ausnahme der Sechzigerjahre verfügte die Partei nie über so viele kommunale Mandate wie heute. Bei den Kommunalwahlen im Juni 2009 errang sie allein in Sachsen mehr als 70 Sitze ? eine Verdreifachung gegenüber den Wahlen fünf Jahre zuvor. In ihren Hochburgen in der Sächsischen Schweiz und auch in Vorpommern erreicht die NPD leicht zweistellige Prozentzahlen. 2007 in Sachsen-Anhalt steigerte sie bei Kreistagswahlen die Zahl ihrer Mandate von zwei auf 13 ? wo immer die NPD Kandidaten aufgestellt hatte, gelang ihr der Einzug. Die enge Kooperation mit Neonazi-?Kameradschaften? war in Sachsen-Anhalt besonders deutlich erkennbar: Knapp ein Vierte der aufgestellten Kandidaten war jünger als 25 Jahre ? davon können die demokratischen Parteien meist nur träumen. Und längst gelingen der NPD deutliche Zuwächse nicht nur im Osten: In Hessen und Niedersachsen etwa legte sie 2006 stark zu. Bundesweit hält die NPD heute mehr als 200 Kommunalmandate ? fast fünfmal so viele wie Anfang der Neunzigerjahre.

Der anfangs zitierte Text der ?Deutschen Stimme? appelliert an die NPD-Kader, sie sollten sich ?in Zukunft viel stärker auf die ?weichen Bürgeranliegen? konzentrieren, unter anderem die vielerorts ungeliebte Gemeindegebietsreform. Um populäre Themen zu identifizieren, rät das Blatt, sollten die Mitglieder regelmäßig die Lokalpresse lesen und bei Stadtratssitzungen zuschauen. In offenbar genauer Kenntnis milieuüblicher Vorlieben wird verklausuliert darum gebeten, man möge sich weniger um die Leugnung des Holocaust kümmern: ?Denn der engagierte Bürger in Zittau beispielsweise interessiert sich wohl mehr für die Geschichte der eigenen Stadt und der Oberlausitz als für chemische Formeln im Zusammenhang mit irgendwelchen Vernichtungsmethoden.?

Kommunale Mandate eröffnen der NPD Zugriff auf (bescheidene) finanzielle Mittel, die oft für den Druck von Flugblättern und kostenlos verteilten Zeitungen eingesetzt werden. Viel wichtiger aber sind der Prestigegewinn und die Informationszugänge, die sich Gemeinderäten eröffnen. Für die NPD hat das lokale Engagement jedenfalls strategische Bedeutung: Sie will in Städten und Gemeinden direkte Kontakte zum Bürger schaffen, um eine Stammwählerschaft aufzubauen und so die Basis zu legen für spätere Wahlerfolge auf Landes- oder gar Bundesebene.

Das größte Problem ist dabei in der Regel das Personal. Vielerorts hat die NPD nicht genug Mitglieder, um ihre Mandate zu besetzen. Konzentriertes und sorgfältiges Arbeiten, wie es in Parlamenten und deren Fachausschüssen üblich ist, sind die meisten nicht gewöhnt. Mit einer Kommunalpolitischen Vereinigung versucht die NPD daher ? so gut sie kann -, ihre Leute zu schulen. Trotzdem liegt, so eine Studie aus Mecklenburg-Vorpommern, die ?Aktivitätsintensität? vieler NPD-Mandatsträger ?nahe dem Nullpunkt?. Kompetenz sei selten. ?In zwei der vier (untersuchten) Kommunalparlamente gelang es der NPD nicht einmal, formgerecht Anträge zu stellen.? Doch die Partei lernt hinzu, das ist in vielen Orten zu beobachten. Un den Wählern reicht oft schon der Eindruck, die NPD sei aktiv und spreche auch unbequeme Themen an.

Anträge und Anfragen von NPD-Gemeinderäten erschöpfen sich nicht mehr nur in erwartbaren Polemiken gegen ?Ausländer?. Häufigstes Thema ist die Sozial- und Wirtschaftspolitik (allerdings meist ohne Lösungsangebote), es folgen Forderungen nach mehr ?Sicherheit und Ordnung? und in der Regel pauschale und populistische Kritik an Behörden. Für die Entwicklung von Gegenstrategien ist es allerdings hilfreicher, die Aktivitäten der NPD nicht nach deren Inhalt, sondern nach ihrer Funktion für die Partei einzuteilen.

Ein Teil der NPD-Arbeit ist nicht als nüchterne Sachpolitik ? so wird versucht, Bindungen in die Gesellschaft aufzubauen. (?) Häufig aber sollen NPD-Initiativen in erster Linie Elemente der rechtsextremistischen Ideologie in die Öffentlichkeit transportieren, manchmal ganz offen, manchmal geschickt verschlüsselt. Wenn etwa die NPD in der Sächsischen Schweiz die Kosten der Unterbringung von Asylbewerbern erfragt, bedient sie ein verbreitetes Ressentiment, demzufolge Ausländer dem deutschen Sozialstaat nur zur Last fallen. (?) Praktisch überall versucht die NPD, nicht-rechte Jugendzentren oder zivilgesellschaftliche Initiativen, die gegen Rechtsextremismus aktiv sind, als ?linksextremistisch? zu diffamieren. Häufig werden die Vorlagen für solche parlamentarischen Initiativen landes- und bundesweit ausgetauscht.

Ein wesentlicher Teil der kommunalen NPD-Aktivitäten aber hat mit Sachpolitik nicht das Geringste zu tun. Es sind bewusste Provokationen, die sich an ihre Gegner und die Öffentlichkeit richten, aber mehr noch nach innen, also an die eigene Klientel. Denn NPD-Abgeordnete müssen sich nicht nur Demokraten gegenüber rechtfertigen, sondern auch in der eigenen Szene. Dort ist die Arbeit im Parlament oft verpönt, gilt als ?systemnah? und reformistisch. Mandatsträger der NPD müssen deshalb ihrem eigenen, oft noch extremistischeren Fußvolk immer wieder beweisen, dass sie den Kontakt zu ihm nicht verloren haben, nicht der Verbonzung unterliegen. Das geschieht beispielsweise durch revisionistische und chauvinistische Geschichtspolitik. (?)

?Uns ist klar, dass man ein Haus nicht mit dem Dach anfängt?, sagte vor Jahren Uwe Leichsenring, inzwischen verstorbener Frontmann der Sachsen-NPD. Für ihn war ? und für seine Parteigenossen ist ? Lokalpolitik nur der erste Schrift für eine spätere ?nationale Revolution?.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem „Buch gegen Nazis„.

Mehr im Internet:

Die Initiative „Nazis in den Parlamenten“ beobachtet die Arbeit der NPD:
Berlin
| nip-berlin.de
Sachsen
| nip.systemli.org

| Alles auf Belltower.news zum Thema Kommunalpolitik

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