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Warum schafft „HoGeSa“ den Sprung vom Netz auf die Straße?

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Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin und islamische Religionspädagogin. (Quelle: picture alliance / Breuel-Bild)

Initiativen wie die Hooligans gegen Salafisten bringen besorgte Bürger_innen aus antimuslimischem Rassismus auf die Straße. Warum scheint antimuslimischer Rassismus einerseits gerade wieder so sagbar und andererseits auch so dringend, dass so viele Menschen dafür ihre Freizeit opfern und ihr Gesicht zeigen, also den Schritt vom Internet auf die Straße machen?

Jedes Extrem ruft ein anderes hervor. Also, wenn es religiöse Fundamentalisten gibt, wird dies auch dazu führen, dass es andere Extreme gibt, die diese bekämpfen wollen. Allerdings habe ich hier den Eindruck, dass es den Menschen, die als „HoGeSa“ auf die Straße gehen, nicht allein um religiöse Fundamentalisten geht. Ihre Propaganda scheint sich auch gegen Muslime allgemein zu richten, nicht nur gegen Islamisten. In dieser Hoch-Zeiten der Islamfeindlichkeit verlieren immer mehr Menschen die Fähigkeit, zu differenzieren. Das gilt übrigens für beide Seiten.

Erleben wir gerade eine Hoch-Phase von antimuslimischem Rassismus? Sehen Sie in den Demonstrationen eine neue Dimension?

Nein. Natürlich erschreckt mich die Größe dieser Demonstrationen, aber ich wundere mich nicht darüber. Es ist die logische Folge davon, dass antimuslimischer Rassismus seit Jahren in der deutschen Gesellschaft fest verankert und jederzeit sagbar ist. Thilo Sarrazin, Akif Pirinçci oder Necla Kelek verbreiten islamfeindliche, teils hasserfüllte Thesen schon seit Jahren und treffen damit auf großen Zuspruch. Es gab allein dieses Jahr wohl über 30 Anschläge auf Moscheen in Deutschland – genaue Statistiken werden leider noch nicht geführt. Marwa El-Sherbini wurde in einem deutschen Gerichtssaal erstochen, weil sie Muslima war. Anderswo wird muslimischen Frauen auf der Straße das Kopftuch herunter gerissen, Korane sollen angezündet werden. Nein, dass diese Menschen ihren antimuslimischen Rassismus auch auf der Straße demonstrieren, wundert mich wirklich nicht.

Was kann man dagegen tun?

Antimuslimischer Rassismus ist eine Form von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Mit rationalen Argumenten wird man kaum jemand überzeugen, der von Hass durchdrungen ist. Der Islam ist ein Feindbild, das durch problematische Entwicklungen wie den Terror der IS natürlich auch genährt wird. Aktuell verweigern in Deutschland aber immer mehr Menschen, hier zu differenzieren. Vielleicht auch, weil sie den Eindruck haben, jetzt darf gerade alles gesagt werden.

Also kann man nichts tun?

Ich glaube, die Muslime können nicht allzu viel tun gegen diese Feindbilder, die es seit 30 Jahren gibt. Sie basieren halt nicht auf Logik, sondern auf Gefühlen. Jeder einzelne kann sich aber in seinem persönlichen Umfeld bemühen, Muslime können sich gesellschaftlich einbringen, aufklären, damit nicht noch mehr Menschen in die islamfeindliche Ecke abgleiten. Anders sieht es mit den Stimmungen aus, die über Politik und Medien in die Gesellschaft getragen werden. Meinungsmacher sollten sich ihrer Verantwortung bewusst sein, wenn sie Klischees und Verallgemeinerungen über Muslime und ihre Religion verbreiten.

Was macht die zur Schau gestellte Islamfeindschaft mit den Muslimen in Deutschland?

Das ist Gift für unsere Gesellschaft. Die einen grenzen aus, die anderen grenzen sich ab. Daraus entsteht kein Miteinander. Muslime haben es schwer in Deutschland. Ich glaube, es gibt keinen Muslim, der nicht Diskriminierungserfahrungen aufgrund seiner Religion gemacht hat – sei es, weil er selbst betroffen ist oder jemand aus seiner Familie, seinem Bekanntenkreis. Es ist unbedingt Aufgabe der Mehrheitsgesellschaft, hier Signale der Anerkennung und Wertschätzung zu senden, die Mehrheitsgesellschaft ist nun mal die Mehrheitsgesellschaft. Und natürlich ist die Minderheitsgesellschaft dann auch aufgefordert, diese Signale anzunehmen! Schlimmstenfalls können antimuslimische Ausgrenzungserfahrungen – natürlich zusammen mit weiteren Faktoren – die Radikalisierung muslimischer Jugendlicher begünstigen. Wer eine schwache Bindung an seine Eltern hat, vielleicht noch ein Bildungsdefizit und eine sozial schwache Herkunft, der kann durch ständige Stigmatisierung leichter manipuliert werden, um seine Wut und Gewaltbereitschaft in den Dienst von fundamentalistischen Strömungen zu stellen.

Dann führt die offene Islamfeindschaft also zum gegenteiligen Effekt, den die Wutbürger_innen auf den Straßen vorgeben, erreichen zu wollen: Weniger Konflikte und weniger Gewalt. Was würden Sie denn den Menschen raten, die vielleicht wirklich auf der Straße stehen, weil sie Angst vor religiösen Fundamentalist_innen haben?

Setzen Sie sich für eine gleichberechtigte, vielfältige Gesellschaft ein, für Chancengleichheit für alle, die in Deutschland leben. Machen Sie Menschen nicht zu Randgruppen. Wer sich anerkannt fühlt und den Eindruck hat, seine Chancen nutzen zu können, hat weniger Gründe, extremistisch zu werden.

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