Ursprung
Das Tuch heißt in der arabischen Welt „Kufiya“ und wurde in ländlichen Regionen getragen, bis der Mufti von Jerusalem, Mohammed Amin el-Husseini, es 1936 in Palästina als Pflichtkleidung durchsetzte, als Symbol für die Vertreibung der Juden aus Palästina und gegen die westliche Welt und die Moderne. Seither steht das Palästinenser-Tuch politisch für gewalttätigen bis mörderischen Antisemitismus und den Kampf mit dem Ziel der Zerstörung Israels. Einher damit geht etwa die Unterdrückung von Frauen, Homosexuellen und Kritikern der Islamisten. Fatah-Chef Jassir Arafat trug ständig ein Palästinensertuch um oder über die Schulter geworfen, gern dreieckig, um den Umriss des ungeteilten Palästina zu symbolisieren.
Pali-Tücher in der linken Szene
1968 trugen Studenten das Pali-, Palästinenser- oder PLO-Tuch genannte Kleidungsstück als Ausdruck ihrer Solidarität mit Freiheitskämpfern in Vietnam, dann auch mit dem Kampf der Palästinenser gegen Israel. Später wurde das Tuch für Punks und linke Autonome zum Zeichen des Widerstandes gegen Repressionen, zum Ausdruck einer unangepassten Lebenshaltung, die nach Freiheit strebt – ganz im Gegensatz zu dem, was es im Ursprungsland bedeutet: Brutale Unterdrückung und Verfolgung von Andersdenkenden und Anderslebenden. Heute wird diese mitschwingende Menschenfeindlichkeit in der linken Szene diskutiert, aber auch geleugnet.
Pali-Tücher in der rechten Szene
Nur weil Pali-Tücher etwas mit Palästina und der arabischen Welt zu tun hat, sind sie für Rechtsextreme nicht tabu. Schon 1936 beglückwünschte Hitler Mufti Mohammed Amin el-Husseini zum Freiheitskampf seines Volkes gegen die Juden und unterstütze ihn finanziell.
Denn den territorial gebundenen, homogenen Volksgedanken , der auch jeglichen Individualismus unterdrückt, teilen Neonazis absolut. Bei ihnen heißt das „Volksgemeinschaft“ und passt gut zum Konzept des „Ethnopluralismus“, der scheinbar modernen Rassismus-Version: Jedes Volk soll für sich glücklich sein, solange keine Vertreter desselben in ein anderes Land kommen will. An den Palästinensern bewundern viele Rechtsextreme zudem den gewalttätig-kämpferischen Aspekt, den sie auch in Deutschland sehen möchten.
Vor allem aber gefällt Neonazis der Antisemitismus, der mit dem Tragen eines Pali-Tuches ausgedrückt werden kann. Denn die Vernichtung der Juden zählte nicht nur zu den Zielen des historischen Nazismus, sondern ist immer noch ein Kernteil der Ideologie.
Das das Tuch sowohl in der arabischen Welt als auch in der linken Szene auch als Zeichen eines Hasses auf Amerika getragen wird, passt auch ins neonazistische Weltbild, bei dem Antiamerikanismus ein zwingender Ideologieteil ist.
Und dann lässt sich mit dem „Symbolklau“ auch noch die linke Szene ärgern und die Polizei sowie ungeschulte Beobachter verwirren. Teile der rechtsextremen Szene, etwa die „Autonomen Nationalisten“, vereinnahmen dabei Symbole des politischen Gegners, reißen sie aus dem ursprünglichen Kontext und deuten sie im Sinne der rechten Ideologie um. Beim Palästinenser-Tuch fällt das, wie dargelegt, auch gar nicht schwer, weil es schon in der linken Szene antiamerikanische und antisemitische Konnotationen hat. Außerdem hat es ein radikales Flair, das auch den Rechtsextremen gefällt, die sich als revolutionär und sozialistisch geben wollen.
Neben der Provokation des politischen Gegners spielt dabei manchmal auch ein „Querfront“-Gedanke mit. Das bedeutet, dass rechte sich mit linken Extremen zusammentun wollen, bei denen sie ähnliche Ideologiefragmente vermuten (z.B. Antiamerikanismus, Globalisierungskritik) – meist ohne dabei auf Gegenliebe zu stoßen, da die Beweggründe doch meist verschieden sind.
Für Rechtsextreme gibt es also ein ganzes Bündel guter Gründe, sich ein Palästinenser-Tuch um den Hals zu hängen – neben den naheliegenden, dass es warm ist und sich gut zum Vermummen eignet. Das gilt allerdings für jedes Tuch. Zum Pali-Tuch greift kein Rechtsextremer aus Zufall.