Die Hausdurchsuchungen bei 12 Tatverdächtigen zwischen 19 und 57 Jahren sollen Beweismaterial bringen, um den Tatvorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung zu belegen.
Im Mittelpunkt der polizeilichen Ermittlungen steht der notorische Neonazi Bernd T., der seit den 1990er Jahren als rechtsextremer Gewalttäter polizeibekannt ist. 1993 erschlug er einen Obdachlosen und beging fortan teilweise bereits in Haft, teilweise wenige Tage nach der Entlassung weitere Straf- und Gewalttaten. Er war seit seinen Jugendtagen in diversen Kameradschaftsstrukturen aktiv oder gründete selbst Gruppierungen, etwa Ende der 1990er Jahre die „Kameradschaft Nordmark“ (Bad Segeberg) oder 2001 die Kameradschaft „Sturm 18“, kurzzeitig gar einen Verein – gemeinsam mit dem „Combat 18“-Kader Stanley R.. „Sturm 18“ wurde 2015 verboten.
Belltower.News hat dies bereits 2014 zusammengefasst:
Im Juni 2019 endete Bernd T.s letzte Haftstrafe in Kassel und er kehrte in seine Heimatstadt Bad Segeberg zurück. Hier tat er das, was er bereits sein Leben lang getan hatte: 16 Tage nach der Haftentlassung rief er auf seinem Blog zur Gründung einer gewaltbereiten Struktur namens „Aryan Circle“ auf.
Bei T. (*1975) und vielen seiner „Kameraden“ handelt es sich also um offensichtlich unbelehrbare Neonazis seit den 1990er Jahren; entsprechend wirken sie heute altmodisch, sind aber wegen ihrer offenen Gewaltbereitschaft eine permanente Gefahr. T. pflegt weiter den Springerstiefel-Bomberjacke-Glatze-Look und nennt seine Internetauftritte „Weltnetzseiten“ wie die Neonazis der 2000er Jahre. Auch die Aktivitäten des „Aryan Circle“ passen in dieses Bild:
Sie uniformieren sich mit T-Shirts, die den Wotansknoten und den Slogan „Aryan Circle Germany“ tragen.
Sie zeigen Präsenz auf öffentlichen Plätzen und bedrohen Passant*innen, verkleben rechtsextreme Aufkleber – bevorzug auf die Haustüren von Menschen, die sie als Migrant*innen wahrnehmen, und versuchen weitere Anhänger*innen zu rekrutieren – unter anderem vor dem Berufsbildungszentrum Bad Segeberg, wo deshalb T. in Folge Hausverbot bekam.
Sechs Neonazis aus der Gruppe haben auf dem Gelände eines linken Projekts in Lübeck Plakate zerstört und gedroht, zurückzukehren.
Gruppen aus dem Umfeld fotografieren Teilnehmer*innen von „Fridays for Future“ in Lübeck ab und besuchten die „Michel, wach endlich auf“-Kundgebung in Hamburg im September 2019.
Zuletzt fiel die Gruppe am 17. Oktober 2019 in Sülfeld auf, einer Gemeinde im Kreis Segeberg. Drei Mitglieder, Marcel Steenbuck, Marie P. und Daniel Schmidt atttackierten eine Gruppe, die Aufkleber der Kameradschaft entfernte. Darunter waren auch Kinder, trotzdem wurde mit „Hausbesuchen“ gedroht. Auch körperliche Gewalt kam zum Einsatz. Die Kameradschaftler sprühten Pfefferspray und schlugen zwei Personen ins Gesicht. Aktuell ermitteln die Behörden wegen gefährlicher Körperverletzung.
Bernd T. ist in der Neonazi-Szene ausgesprochen gut vernetzt. Zum „Aryan Circle“ gehört auch Marcel St., der zuvor die Kameradschaft „Division Nord“ anführte, die sich nun „Aryan Circle Nord“ nennt. T. sieht „Aryan Circle“ in der Tradition seines Vereins „Sturm 18“. Eine erkennbare Verbindung zur in den 1980er Jahren gegründeten amerikanischen Nazi-Knastgang „Aryan Circle“ gibt es hingegen nicht, auch wenn T., vielleicht auch nach deren Vorbild, im Jahr 2012 die „AD Jail Crew (14er)“ gründete. Der amerkanische „Aryan Circle“ führt im Logo Hakenkreuz und SS-Runen und teilt mit T. auch Gewalt und Rassismus, aber eine organisatorische Verbindung ist aktuell nicht zu vermuten.
Zur „Aryan Circle Germany“ gehört außerdem die Gruppe „Nationalsozialisten Bad Segeberg (NSBS)“. Laut Eigenangabe soll der „Aryan Circle“ neben einer Sektion in Bad Segeberg (Schleswig-Holstein) auch weitere Sektionen in Hildesheim (Niedersachsen), Kassel (Hessen), Dortmund und Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) gegründet haben.
Die Gruppe hatte eine geschlossene Facebook-Seite mit 35 Mitgliedern, die T. 2019 erstellt hatte, sowie ein eigenes Web-Forum mit 48 Teilnehmenden. Darunter: Neonazis aus ganz Deutschland, viele in langjähriger Verbindung zu Bernd T. Im Forum wurden auch Listen mit Adressen von angeblichen „Antifa-Aktivist*innen“ aus Schleswig-Holstein geführt.
Eine ausführliche Recherche gibt es bei EXIF:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von exif-recherche.org zu laden.