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Was ist eigentlich rassistisch an der AfD?

Die AfD Bayern sorgt sie sich um Berlin: "Behörden, wie auch Journalistenverbände, müssen endlich aufhören Fakten zu verschweigen. Es kann nicht sein, dass aus falsch verstandener Toleranz die Herkunft von Tätern verschwiegen wird. Handelt es sich bei ihnen um muslimische Türken oder Nordafrikaner, dann muss das auch gesagt werden. Ein Herkunftsland namens ‚Südland‘ gibt es nämlich nicht." Dass die Behörden nichts "verschwiegen" haben, erfährt der Leser hier nicht. (Quelle: Screenshot Facebook)

 

Was ist Rassismus?

Rassismus soll hier als eine Einstellung oder Handlung verstanden werden, die aus tatsächlichen oder fiktiven Unterschieden zwischen Menschen eine unterschiedliche Wertigkeit dieser Menschen ableitet – also als eine Ideologie der Ungleichwertigkeit. Rassismus hat dabei die soziale Funktion, bestehende Privilegien zu erhalten und Aggressionen zu rechtfertigen.

Diese Privilegien der weißen, in Deutschland geborenen, nicht-muslimischen Mehrheitsgesellschaft beanspruchen Flüchtlingsfeind_innen für sich als eine Art Naturrecht. Durch vermehrten Zuzug nach Deutschland – aus welchen Gründen auch immer – sehen sie die bedroht.

 „Um in Lüdenscheid durchzukommen, muss man inzwischen ja Russisch oder eine andere Fremdsprache können.“ (come-on.de)

Marga Kreinberg, Sprecherin des AfD-Ortsvorstanden Lüdenscheid, liefert hier ein gutes Beispiel für die rassistische Angst, zur Minderheit zu geraten. Die AfD macht nicht nur zu Wahlkampfzeiten Stimmung mit ihrem einwanderungsfeindlichen und antiislamischen Kurs.

Björn Höcke und die Reproduktionsstrategien

Bei einer Rede im November 2015 auf einer Tagung des neurechten „Institus für Staatspolitik“ unter dem Titel „Asyl, eine politische Bestandsaufnahme“ verkündete Höcke:

„Die Evolution hat Afrika und Europa – vereinfacht gesagt – zwei unterschiedliche Reproduktionsstrategien beschert. Diese Erkenntnis, die ruft nach einer grundsätzlichen Neuausrichtung der Asyl- und Einwanderungspolitik Deutschlands und Europas, liebe Freunde.“ (Transkript auf ndr.de, die Rede im Original bei youtube.com)

Die Afrikaner würden einen „Reproduktionsüberschuss“ von 30 Millionen Menschen im Jahr erzielen, behauptete der Thüringer AfD-Funktionär.

„Solange wir bereit sind, diesen Bevölkerungsüberschuss aufzunehmen, wird sich am Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern.“ (Transkript auf ndr.de, die Rede im Original bei youtube.com)

Das ist biologistischer Rassismus. Höcke will hier mit pseudowissenschaftlichen Argumenten die Ungleichwertigkeit von Menschen belegen, indem er biologische Theorien nahtlos auf den Menschen überträgt. Er versucht hier nicht einmal, wie sonst bei der Neuen Rechten üblich, seinen Rassismus durch Verschleierungsbegriffe zu tarnen.

Selbst der Hamburger AfD-Vorsitzende Jörn Kruse nannte Höckes Ausführungen übrigens „eindeutig rassistisch“ und Höcke einen „Wiederholungstäter“ (spiegel.de).

Sein Amtskollege aus Sachsen-Anhalt, Parteivorsitzender Andre Poggenburg, fand die Aussagen Höckes weitaus weniger problematisch „Ich finde nicht, dass es rassistisch zu interpretieren ist. Ja, wer das macht, der soll das machen, ich kann das so nicht sehen.“ (wdr.de

Poggenburg und der LV Sachsen-Anhalt auf dem Weg zur Volksgemeinschaft

Poggenburg gehört zu Björn Höckes engsten Verbündeten und war ebenfalls dabei, als Höcke seinen Vortrag beim „Institut für Staatspolitik“ hielt. Die Debatten um Höckes Entgleisungen waren gerade verklungen, da verbreitete sein Landesverband via Facebook einen Post, der allen Bürger_innen und Mitstreiter_innen „ein besinnliches, friedvolles Weihnachtsfest“ wünschte und hinzufügte, dies sei die rechte Zeit, um einmal über „gemeinsame Werte“ und „Verantwortung für die Volksgemeinschaft“ nachzudenken. Volksgemeinschaft?

Screenshot: tagesschau.de

Der Begriff der Volksgemeinschaft bezeichnet in der politischen Begriffswelt des 20. Jahrhunderts das Ideal einer konfliktfreien und harmonischen Gesellschaft. Zwar nutzten den Begriff in der Weimarer Republik so gut wie alle Parteien, aber wie der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn gegenüber tagesschau.de betonte, ist der Begriff spätestens seit 1945 historisch „eindeutig durch die Nationalsozialisten belegt“, er war ein Kernelement ihrer Ideologie. Die Idee der Konfliktfreiheit ist nicht mit der Demokratie vereinbar, die ja gerade von Pluralität und Meinungskampf lebt.

Landesvorsitzender André Poggenburg verteidigt die Verwendung des Begriffs auf seinem Facebookprofil, wehrt sich gegen die vermeintliche „Nazikeule“ und „Sprachdiktatur“. Die deutsche Sprache gehöre im Übrigen „allein dem deutschen Volk“ und nicht „selbsternannten Sprach- und Tugendwächtern.“ (facebook.com

Kulturrassistsch-identitäre Argumentationen

Zentral ist für Rassist_innen die Vorstellung von der ethnischen (lies: „rassischen“) Homogenität als Idealzustand. Dahinter steckt der Gedanke, dass es Völker und Rassen überhaupt gibt und diese neben kulturellen Merkmalen auch biologische miteinander teilen – gemeinsames Blut. Diese Merkmale würden sich durch „Vermischung“ verschlechtern und verwässern. Sie warnen deshalb so häufig vor einem „Völkerbrei“ oder „Völkergemisch“, und deshalb ist ihnen auch „Multikulti“ so ein Graus.

„Andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.“ (Armin Paul Hampel, AfD-Chef in Niedersachsen Mitglied des AfD Bundesvorstandes, auf dem Europaparteitag der AfD, März 2014, Audio bei tagesschau.de)

Diese Formulierung unterscheidet sich nur in Nuancen vom „Volkstod“, vor dem die NPD und andere Neonazis immer wieder warnen. Auch Björn Höcke warnt nach den Ereignissen der Silvesternacht 2015/16 in Köln:

„Nach Köln tritt offen zu Tage, dass die Zukunft unseres Landes und unseres Volkes davon abhängt, ob es uns gelingt, die selbstmörderische Politik der Altparteien zu stoppen!“ (wdr.de)

Der Wahn der Homogenität vereint historische Rassist_innen und Antisemit_innen wie die Nationalsozialist_innen mit modernen rechten Strömungen. Im „modernen“ Rassismus, wie ihn Vertreter_innen der sogenannten Neuen Rechten und manche Politiker_innen der AfD vertreten, wird einzig der kulturelle Aspekt stärker betont, sie werben „Für ein Europa der Vaterländer“ und gehen davon aus, dass ein friedliches Zusammenleben nur möglich sei, wenn alle Menschen im Land ihrer Geburt verharren (vgl. Ethnopluralismus). Die Idee vom „Lebensraum“ ist natürlich durch die nationalsozialistische Vergangenheit des Begriffes historisch belastet, deshalb sprechen die Neurechten lieber von „angestammten Territorien der Völker“ oder eben einem „Europa der Vaterländer“.

Screenshot AfD Südthüringen

Screenshot AfD Goslar

Homogenität und Volksgemeinschaft sind Schlüsselbegriffe für das Verständnis moderner wie historischer rechter Bewegungen – denn sie erklären uns, was das eigentliche Ziel der rassistischen Agitatoren ist. 

Baden-Württemberg: Rassismus aus dem Reihenhaus

Jörg Meuthen ist der Landesvorsitzende der baden-württembergischen AfD. Er gilt als „bürgerliches Gesicht“ der Partei. Dieses Bild möchte er auch von seinen Wählern etablieren, etwa wenn er davon spricht, seine Partei stehe für „die Leute aus den Mietwohnungen und den Reihenmittelhäusern, die Leute, die morgens aufstehen, und zwar pünktlich“. (Frankfurter Rundschau vom 10. März 2016)

Meuthen ist sich sicher: „Wir haben gar keine Flüchtlinge, die sind alle aus dem sicheren Drittstaat Österreich eingereist.“ Für diese Leute, so Meuthen weiter auf einer Veranstaltung der AfD Heilbronn im März 2016, bezahlten „wir“ Mahlzeiten vom Caterer, die viermal so teuer seien wie der Tagessatz fürs Essen bei Hartz IV. Es sei übrigens erwiesen, dass ein Flüchtling, der „heimat- und kulturnah“ untergebracht sei – also etwa in der Türkei, Tunesien oder Jordanien –, schließlich nur „ein Fünfundsiebzigstel“ der Leistungen in Deutschland koste. (Frankfurter Rundschau vom 10. März 2016)

Da ist er: Bürgerlicher Nützlichkeitsrassismus, der unter Maske der Humanität daherkommt, mit Zahlen, technokratischen Termini und wissenschaftlichen Studien hantiert und uns damit vergessen machen soll, worum es ihm eigentlich geht: Menschen nach dem Kriterium zu sortieren, ob sie für die Gesellschaft „nützlich“ oder „unnütz“ sind. In der Konsequenz heißt das: „dichtmachen“ (Meuthen) und abschieben von allen, die mehr kosten als einbringen. Außerdem bedient sich Meuthen hier eines zweiten Motivs, dass typisch ist für diese Art des Rassismus: Arme mit deutschem Pass werden ausgespielt gegen Arme ohne deutschen Pass, Hartz IV-Empfänger_innen gegen Ausländer_innen, indem die Geflüchteten als Kostenfaktoren für Sozialabbau verantwortlich gemacht werden. Es handelt sich dabei um eine Form des Denkens, für das die AfD leider bei weitem nicht die Exklusivrechte gepachtet hat – es findet sich so oder so ähnlich bei allen großen Parteien wieder. 

Immer wieder rassistische Entgleisungen bei Facebook

Der Freiburger Rechtsanwalt Dubravko Mandic sitzt im Landesschiedsgericht der AfD Baden-Württemberg, ist Mitglied der Jungen Alternativen (JA) und im Bundesvorstand der „Patriotischen Plattform“ – einem Zusammenschluss auf dem rechten Flügel der AfD. Bei Facebook macht er deutlich, wo er seine Partei sieht:„Von der NPD unterscheiden wir uns vornehmlich durch unser bürgerliches Unterstützer-Umfeld, nicht so sehr durch Inhalte“. (wdr.de)

US-Präsident Obama hat derselbe Mandic wiederholt als „Quotenn****“ bezeichnet, die Aussage verteidigt er auch bis heute:

„Zum Schaden der Partei haben das andere veröffentlicht. Und warum ist er ein Quotenn****? Ja, mein Gott, das ist keine Beleidigung Obamas, das beleidigt oder kritisiert vor allem diejenigen Menschen, die solche Menschen missbrauchen.“ (wdr.de

Mit der AfD gegen Rassismus?

Rassismus gilt gesellschaftlich als schlimm und überholt. Deshalb verurteilt ihn die AfD auch. Doch besonders schlimm, das denkt man zumindest in rechtspopulistischen Kreisen, ist Rassismus, der Deutsche betrifft. Deshalb ist sich der Landesverband der AfD in Bremen auch nicht zu schade, auf die Gefahren hinzuweisen, die von „deutschenfeindlichem Rassismus“ ausgehen:

„Rassismus taucht nicht nur in der rechtsextremen Szene auf, und er ist keine Einbahnstraße. Von den etablierten Parteien und Medien gerne verschwiegen wird die tatsächlich bestehende Deutschlandfeindlichkeit und somit gar ein mehr oder minder latenter Rassismus gegenüber Deutschen. Um Opfer von Rassismus zu werden, bedarf es keines Migrationshintergrundes.“ (Wahlprogramm auf der Website der alternativefuer-bremen.de, S.44) 

Rassismus – kein Phänomen der Post-Lucke-Ära

Wer angesichts dieser Aussagen der alten Lucke-AfD hinterhertrauert, also der „nur“ eurofeindlichen und strikt neoliberalen AfD, würde diese verklären. Erinnert sei hier nur an die folgenden Aussagen des damaligen Parteivorsitzenden und heutigen „ALFA“-Mannes Bernd Lucke, dem Sozialchauvinismus und Antiziganismus ebenfalls nicht fremd waren:

Über Hartz-IV-abhängige Zuwanderer: „Dann bilden sie eine Art sozialen Bodensatz – einen Bodensatz, der lebenslang in unseren Sozialsystemen verharrt.“ (süddeutsche.de)

Und angesichts der von der CSU angestoßenen Debatte über Armutszuwanderung aus Südosteuropa:

„Das Problem sind eher Randgruppen wie Sinti und Roma, die leider in großer Zahl kommen und nicht gut integrationsfähig sind“ (huffingtonpost.de)

Selbst wenn sich einzelne Mitglieder der Partei immer wieder rassistisch äußern, selbst wenn sich führende Mitglieder der AfD wiederholt rassistisch äußern: Das ist kein ausreichender Beleg für den rassistischen Charakter der Gesamtpartei. Um diesen Beleg anzutreten, müssen wir uns die Parteiprogramme und das konkrete Handeln der Partei in den Parlamenten anschauen. Das ist und bleibt eine Aufgabe für Aktivist_innen, Beobachter_innen und Journalist_innen.

 

Ergänzung 30.05.2016

Aus aktuellem Anlass: Ein perfektes Beispiel für geschickten AfD-Rassismus bot am Wochenende Brandenburgs AfD-Chef Alexander Gauland. Der sagte in einem Interiew mit der FAS über der Berliner Fußball-Nationalspieler Jerome Boateng: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ Er sagte weiter, es gehe der AfD in ihrer Frontstellung gegen den Islam nicht um die Verteidigung des Christentums, sondern um die Abwehr des kulturell Fremden. Als daraufhin eine Welle der Empörung losbrach, zog er sich erwartbar auf die Haltung zurück, das sei ja nicht seine Meinung, er habe nur wiedergeben wollen, was manche Menschen so dachten. Die Botschaft war damit aber klar gesetzt und wird von AfD-Anhänger_innen auch entsprechend geteilt. Distanzierungen wie von der AfD-Bundesvorsitzenden Frauke Petry erschienen dagegen taktisch motiviert  (FAZ).

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