Olaf Stuve: Eine Schule kann niemanden aufgrund ihrer oder seiner Gesinnung vom Zugang zu Bildung ausschließen. Aber Lehrer und Schüler können sich um ein Schulklima bemühen, in dem Minderheiten nicht diskriminiert und offen rechtsextreme Erscheinungsformen nicht geduldet werden.
Schulklima und Hausordnung
Dafür gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, beispielsweise entsprechende Hinweise in der Schulordnung zu verankern und Vereinbarungen mit Schülern zu treffen. Zudem kann in der Hausordnung auch das Tragen von Symbolen mit rechtsextremer Bedeutung verboten werden.
Grundsätzlich gilt: Nichts unter den Teppich kehren, sondern das Problem für alle zur Sprache bringen. Seien es rechtsextreme Propagandaaktivitäten, rassistische Beleidigungen von Schülern oder politisch rechts motivierte Gewalttaten auf dem Schulhof – aber auch vor den Toren der Schulen. Denn aus Erfahrung wissen wir, dass Schüler, die erkennbar nicht-rechts sind, auch außerhalb der Schule von rechtsextremen Mitschülern und deren Freundeskreisen aufgelauert wird.
Gewalt und Propaganda
Handelt es sich um Gewalttaten, sollte in jedem Fall die Polizei eingeschaltet werden ? unabhängig davon, ob es sich bei den Tätern um Schüler Ihrer Schule oder um Schulfremde handelt. Zudem müssen sich Lehrer und Schulleitung deutlich auf die Seite der Betroffenen stellen. Nur öffentliche Solidarisierung mit den Opfern setzt den Tätern Grenzen.
Unterhalb der Schwelle von Gewalt geht es um eine inhaltliche Auseinandersetzung. Fast niemand muss sich unvorbereitet in eine Diskussion um Geschichtsbilder, Nationalsozialismus, rechtsextreme Musik oder Organisationen begeben. Erste Hilfe bieten Initiativen vor Ort, oder aber auch bundesweite Organisationen wie ?Schule ohne Rassismus ? Schule mit Courage? oder das ?Netzwerk für Demokratie und Courage? ebenso wie ausgewählte Bildungsträger, Stiftungen und die jeweiligen Landeszentralen für politische Bildung an. Hier findet man Argumentationstrainings gegen Rechtsextremismus für Lehrer, Fortbildungen zu rechten Lifestyle oder rechtsextremer Musik, zu Symbolen und zu Ideologien.
Eigenes Wissen vertiefen
Eine inhaltliche Vorbereitung kann Sicherheit geben, um die eigenen Standpunkte klar und überzeugend zu vermitteln. Denn in der direkten Konfrontation mit rechtsextremen Schülern kann man sich leicht unsicher und überfordert fühlen. Allerdings sollte man zweierlei Bedenken: Es geht nicht darum, Schüler mit einem geschlossenen rechtsextremen Weltbild zu überzeugen. Sondern es geht in erster Linie darum, nicht-rechten und alternativen Jugendlichen den Rücken zu stärken und ihnen deutlich zu machen, wo Sie als Lehrer stehen. Dass Sie demokratische Werte und das Eintreten für solidarische Lebensvorstellungen vertreten. Und dass Sie die Ängste derjenigen Schüler ernst nehmen, die sich die extrem rechte Aktivitäten und Meinungen bedroht und ausgegrenzt fühlen. Dazu gehört auch, Eigeninitiativen von Schülern zu unterstützen, wenn sie mit Projekttagen oder ?wochen, aber auch Abendveranstaltungen eine Auseinandersetzung zum Thema Rechtsextremismus einfordern.
Auch das Verteilen rechtsextremer Propaganda an Ihrer Schule müssen Sie nicht dulden. Wird das Material durch schulfremde Neonaziaktivisten verteilt, sollten Sie unbedingt von Ihrem Hausrecht Gebrauch machen. In einigen Fällen kündigt die NPD eine derartige Aktion schon vorher an. Dann können Sie gemeinsam mit Polizei und Ordnungsamt überlegen, inwieweit den Neonazis auch der öffentliche Raum vor dem Schulgelände genommen werden kann.
Aktive Schüler
Wenn Ihr erfahrt, dass Neonazis Propagandamaterial vor Eurer Schule verteilen wollen, habt Ihre viele Möglichkeiten. Ihr könnt so genannte Braune Tonnen aufstellen, in denen die CDs, Flyer und Zeitungen der Neonazis symbolisch und öffentlich entsorgt werden können. Ihr könnt Transparente, Schilder, Flyer und Spuckis vorbereiten mit eindeutigen Aussagen, die Ihr bei Bedarf immer zur Verfügung habt. Ihr könnt auch gemeinsam mit Initiativen aus dem Ort oder überregionalen Vereinen und Netzwerken Projekttage planen oder nach Absprache mit Euren Lehren Schwerpunktunterricht zum Thema gestalten.
Spiessige Pseudo-Rebellen
Viele Schüler mit rechtsextremen Einstellungen und einer entsprechenden Verankerung in der Neonaziszene sind geschult. Sie wissen genau, was sie dürfen – und wo die Grenzen sind. Sie kokettieren damit, dass andere Schüler ? und manche Lehrer ? sich vor ihnen fürchten und sie gewähren lassen. Und wenn ihnen Grenzen gesetzt werden, spielen sie mit dem Image der ?Rebellen? und ?Radikalen?, die sich gegen die ?spießigen Lehrer? auflehnen. Es wird immer Mitschüler geben, die sich von offen rechtsextremen Mitschülern angezogen fühlen ? weil sie selbst nicht mehr gehänselt oder attackiert werden wollen; weil sie das Machogehabe fasziniert, weil sie finden, ?das sind doch ganz nette Typen, die haben nur eine komische Meinung.?
Hier gibt es mehrere Ansatzpunkte: Wenn Mitschüler offen oder verdeckt von rechtsextremen Schüler drangsaliert werden, informiert die Lehrer und andere Erwachsene und überlegt Euch, wie Ihr Euch mit den betroffenen Schülern solidarisieren könnt. Wenn Neonazis sich als Rebellen ausgeben, dann konfrontiert sie mit ihrer eigenen Propaganda: Es ist überhaupt nicht rebellisch, wenn Neonazis fordern, dass nur Frauen Hausarbeit machen sollen und dass es einen Arbeitsdienst für Arbeitslose geben soll. Auch sonst ist vieles geheuchelt: Zum Beispiel, wenn Neonazis gegen Drogen wettern und ?Todesstrafe für Drogendealer? fordern, aber gleichzeitig bei Rechtsrock-Konzerten und Kameradschaftsabenden Komasaufen angesagt ist.
Und zur Frage des ?netten Typen mit komischer Meinung?. Vielleicht hat der Typ nette Seiten, aber Meinung und Mensch gehören nun mal zusammen. Und dass solltet Ihr ihm oder ihr auch deutlich machen. Denn die Ideologie, die er oder sie vertritt ist menschenverachtend, intolerant und für andere tödlich.
Ihr solltet Euch daher genau überlegen, ob und wie Euer Kontakt mit rechtsextremen Schülern aussieht. Neonazis wollen in jüngster Zeit vermehrt Bürgernähe demonstrieren, die NPD gibt sich als scheinbar normale Partei aus. Doch das ist sie nicht und Neonazis sind es auch nicht – und genau das sollte zur Grundlage im Umgang mit ihnen gemacht werden. Deshalb: Schließt Euch mit anderen Schülern und Lehrern, die Euch unterstützen wollen zusammen, informiert Euch über die rechtsextreme Szene vor Ort und macht diese Informationen an Eurer Schule öffentlich und lasst Euch nicht entmutigen. Es gibt viele Jugendliche, die Eure Meinung teilen.
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