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Was steckt hinter der „Anti-Antifa“

Bereits Anfang der 70er Jahre forderte ein Autor der rechtsextremen Zeitschrift Nation & Europa (damals: Nation Europa), es sei ein Anti-Antifaschismus ins Leben zu rufen, um den ?Faschismus-Bann? zu brechen, der das öffentliche Leben der deutschen Nachkriegsgesellschaft beherrsche und die gesamte Menschheit entmündige. Damit brachte der Autor auf den Punkt, was in rechtsextremern Kreisen heute gerne ?Gesinnungsdiktatur? genannt wird: Die deutsche Nachkriegsgeschichte sei von einer ?Einheitsmeinung? beherrscht, die den Deutschen im Osten, vor allem aber im Westen von den alliierten Siegern aufgezwungen worden sei. Sie würde massenmedial unter das Volk gebracht, und von ihr abweichende Überzeugungen würden erbarmungslos verfolgt.

 

Vor diesem Hintergrund nimmt es nicht Wunder, wenn der Neonazi Steffen Hupka ­- u. a. Aktionsfront Nationaler Sozialisten / Nationale Aktivisten (ANS/NA), Nationalistische Front (NF), Junge Nationaldemokraten (JN) ­- in einem richtungsweisenden Artikel vom November 1995 das Feindbild und zugleich den Gegenstand von Anti-Antifa-Aktivitäten sehr weitgehend festlegt:

Jeder, der sich gegen die nationale Sache direkt oder indirekt ausspricht ist Volksfeind. Jeder, der gegen nationale Gruppierungen und deren Anschauungen agitiert, stellt sich gegen das Volk, denn wir vertreten das Volk. […] Redakteure und andere Medienvertreter, Antifa und u. U. bestimmte Linke, Mitarbeiter in städtischen Behörden, Institutionen und Initiativen wie Ordnungsamt, AWO, Post u.a., die sich gegen nationaleingestellte Menschen hervortun.
(Umbruch Nr. 10 / 1995)

Der so bestimmte ?Volksfeind?, der anders als es der Begriff von der ?Anti-Antifa? zunächst nahe legen mag, bis weit im bürgerlichen Lager verortet wird, sei, so Hupka, nach allen Regeln der Kunst auszuspionieren: Gesammelt werden sollen u. a. Personalien, Beruf, KFZ-Kennzeichen, politische und gesellschaftliche Aktivitäten, Hobbys, Kontakte sowie ?Schwachstellen?: ?Schulden, schwul, Alkoholiker, Drogen usw.? Es sei regelrecht ein Psychogramm zu erstellen. Hupka rechtfertigt diese Aktivitäten mit Verweis auf das grundgesetzlich verankerte ?Widerstandsrecht? (§ 20 GG).

Was bei ihm eine ihrer prägnantesten Ausformulierungen fand, war keine Erfindung Steffen Hupkas. Bereits in den frühen 90er Jahren kursierten so genannte schwarze Listen mit Daten vermeintlicher ?Volksfeinde? in neonazistischen Szenen. So veröffentlichten die ?Nachrichten der Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige e. V.?, das NPD-Organ ?Deutsche Stimme? und zahlreiche neonazistische Zines Zusammenstellungen mit Namen und Adressen missliebiger Personen. Die beiden Macher des Anti-Antifa Heftchens ?Der Einblick?, in dem im November 1993 über 250 Personen aufgelistet waren, wurden wegen ?Aufforderungen zu Straftaten?, ?Nötigung? und ?Beleidigung? zu teilweise hohen Haftstrafen verurteilt. Während des Prozesses wurde ein neonazistisches Netzwerk mit internationalen Kontakten sichtbar. Als Kopf hinter Anti-Antifa-Strategien gilt der Hamburger Neonazi Christian Worch.

Das Ausspitzeln der Privatsphäre vermeintlicher politischer Gegner kann in rechtsextremen Kreisen auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits kurz nach Ende des Ersten Weltkriegs spionierte die ?Kameradschaft Freikorps und Bund Oberland? gegnerische Organisationen aus. Diese Praxis, die im Dritten Reich ihren staatlich organisierten Höhepunkt erreichte, fand auch nach dem Zweiten Weltkrieg ihre Fortsetzung. So führte der 1950 gegründete Bund Deutscher Jugend (BDJ; gegründet 1950, Auflösung nach Verboten in fünf Bundesländern 1953) Listen von Personen, die angeblich mit der Sowjetunion zusammenarbeiteten, darunter auch prominente Sozialdemokraten wie Herbert Wehner. Am Tag X ­- gemeint war der erwartete Angriff der Roten Armee auf die Bundesrepublik ­- sollten die in den Listen Genannten dem ?bolschewistischen Zugriff entzogen? und nötigenfalls ermordet werden. Im BDJ waren überwiegend ehemalige Angehörige der SS und Wehrmachtsoffiziere organisiert, seine Geschichte verweist jedoch auch auf ein schwieriges Geschichtskapitel der Bundesrepublik während des Kalten Krieges. Denn der BDJ unterhielt gute Kontakte zum amerikanischen Geheimdienst CIA, der Bundesregierung und namhaften Wirtschaftsunternehmen.

Die antikommunistische Atmosphäre der frühen Nachkriegszeit konservierte sich in jenen verschwörungstheoretisch fundierten Vorstellungen, die dem Konzept von der ?Anti-Antifa? zugrunde liegen und die hinter politischen Gegnern einen politisch wirksamen, aber versteckt agierenden Antifaschismus erkennen wollen, der als ?Gesinnungsdiktatur? die Geschicke der Bundesrepublik lenkt. Waren es in den Gründerjahren der Republik noch „die Kommunisten“, die als Rädelsführer der Verschwörung gegen Volk und Nation ausgemacht wurden, verschob sich im Laufe der Jahrzehnte der Fokus zusehends auf antiamerikanische Vorstellungen, die bis hin zum offen antisemitisch argumentierenden Konzept von der „zionistisch beherrschten Regierung / ZOG“ reichen. Einem Machtkartell, so die Argumentation, aus „imperialistischen Kräften“, allen voran die USA und „zionistische Kreise“, diene der Antifaschismus als Mittel, um „nationale Interessen“ mundtot zu machen, wo sie sich äußern. Über das neonazistische Lager hinaus, sind solche Vorstellung innerhalb der verschiedenen rechtsextremen Weltbilder weit verbreitet.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung

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