Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Was verbirgt sich hinter der ‚Schulhof-CD‘?

Von|

Erstmals setzte die NPD im Wahlkampf zum Berliner Senat 2001 auf dieses Medium als Propagandamittel. Die CD ‚Sturm auf Berlin‘ wurde ohne Begleitheft verteilt und beinhaltete neben drei kurzen Redebeiträgen zwei Balladen sowie einen kurzen Jingle. Trotz des optimistischen Untertitels ‚Ein Klangwerk, das bewegt‘ kam die CD laut Reaktionen aus der Szene nicht an.

Im ganz anderen Maßstab realisierten 2004 rund 56 Organisationen und Firmen aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften und der RechtsRock-Szene die Multi-Media-CD ‚Anpassung ist Feigheit – Lieder aus dem Untergrund‘. Neben 19 Songs bekannter deutscher und internationaler RechtsRock-Bands enthält die CD Anwendungsdateien einer Präsentation, die in einem Webbrowser zu öffnen sind. Darin wird das Projekt vorgestellt, der politische Ansatz anhand verschiedener Aktionsfelder wie der „Kampagne Ausländerstopp“ vorgestellt und die Lesenden eingeladen mitzumachen. Ein Beschlagnahmebeschluss des Amtsgerichts Halle an der Saale stoppte jedoch am 4. August 2004 die geplante Verteilung von 250 000 Exemplaren dieser CD vor Schulhöfen und Jugendtreffs.

Die breite mediale Aufmerksamkeit, die diesem Werbeträger entgegengebracht wurde, wusste die NPD für sich zu nutzen. Wenige Wochen vor der sächsischen Landtagswahl am 19. September 2004 veröffentlichte die Partei die CD ‚Schnauze voll? Wahltag ist Zahltag‘ in einer Aufl age von 25 000 Stück. „Musik wird im Medienzeitalter für die Vermittlung politischer Botschaften immer wichtiger“, hob der damalige sächsische Spitzenkandidat der NPD, Holger Apfel, hervor. Zehn extrem rechte Liedermacher und Rockbands sind auf der CD mit einem beziehungsweise zwei Songs vertreten. 16 Prozent der Wähler zwischen 18 bis 25 Jahren wählten mit ihrer Zweitstimme die NPD – ein Erfolg für die Partei, der nicht nur, aber auch auf die CD zurückgeführt werden kann.

Von dem Wahlerfolg unter den Jungwählern befl ügelt, erlebte die Marketing-Idee im vorgezogenen Bundestagswahlkampf 2005 eine Neuaufl age. „Mit der ‚Schulhof-CD‘ setzen die Nationaldemokraten den politischen Kampf um die Köpfe und Herzen der jungen Deutschen fort“, erklärte der Bundeswahlkampfl eiter Peter Marx zur Veröffentlichung der CD ‚Der Schrecken aller linken Spießer und Pauker. Schulhof-CD‘. Die Aufl age betrug nach Angaben der Partei 200 000 Exemplare. Auch auf diesem Tonträger sind zehn Interpreten vertreten, teilweise dieselben wie auf der Edition aus 2004, jedoch mit anderen Titeln.

In überarbeiteter Form wurde die CD unter dem gleichen Titel im Landtagswahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2006 eingesetzt und gemeinsam mit dem extra entworfenen Flugblatt ‚Wähl mit 18‘ verteilt: „Die NPD macht keine abgehobene Politik, sondern spricht den Menschen aus dem Herzen. Unsere Sprache ist nicht die Lügenrede aus Funk und Fernsehen, sondern das freie Wort und das freie Lied. Hört doch einfach mal rein …“, heißt es dort mit Verweis auf die Lieder der 14 Liedermacher und Rockbands auf der ‚Schulhof-CD‘.

Indirekt referieren die Songs die Politik der NPD: Die bayerische Gruppe Faustrecht präsentiert beispielsweise das vordergründig antikapitalistische, bei genauerer Betrachtung aber deutlich antisemitische Lied ‚Die Macht des Kapitals‘. Faktor Widerstand ergeht sich in Klagen über schlechte gesellschaftliche Zustände, prophezeit aber eine Änderung ‚Wenn der Wind sich dreht …‘. Frank Rennicke baut in dem pathetischen Lied ‚Das Mädchen mit der Fahne‘ geschickt einen Opfermythos um ein 15-jähriges Hamburger Mädchen auf, das 1945 vor den Alliierten Soldaten ihre „schwarz-weiß-rote Fahne“ nicht senken will und deshalb getötet wird. Eingewoben ist in den Song indirekt die Hymne der Hitlerjugend, „Uns’re Fahne fl attert uns voran“, in dem die Treue zur Hakenkreuz-Fahne bekundet wird (Arbeitsstelle Neonazismus & Argumente und Kultur gegen Rechts e.V. 2005, 2006).

Offen wirbt ein Comic, der einem Flugblatt der nordrheinwestfälischen NPD entnommen wurde, in allen Begleitheften für die Ziele der NPD: In der Kurzgeschichte wird einem jugendlichen Schulabgänger im beziehungsweise am Arbeitsamt von zwei Erwachsenen und einer Freundin erklärt, dass an seiner Lage ‚die Ausländer‘, ‚raffgierige Kapitalisten‘ und die Globalisierung schuld seien. Eine sympathisch dargestellte Gleichaltrige erklärt ihm, und vor allem dem Leser, dass die NPD „nicht nur eine Protestpartei“ sei, „sondern eine Partei mit einem konsequenten Weltbild. Die NPD ist eine wirkliche Alternative, nicht nur eine kleine Schönheitskorrektur“. Mit Verweis auf einen fröhlich dahinziehenden Marsch Jugendlicher mit NPD-Fahnen und Transparenten fügt sie hinzu: „Wir sind eine verschworene Gemeinschaft, die gemeinsam etwas verändern will!“. Die Rückseite des Begleitheftes ist ein Infogutschein. Mit der zu notierenden eigenen Adresse kann Informationsmaterial bestellt, um Einladung zu einer Veranstaltung gebeten oder der Beitritt zur NPD beziehungsweise zu deren Jugendorganisation erklärt werden.

Mit den Gratis-Musik-CDs, die im Übrigen auch auf dem Medienserver der NPD zum kostenlosen Download zur Verfügung stehen, hat die Partei ein jugendgerechtes Medium für sich entdeckt, mit dem sie auf sich aufmerksam machen kann. Erfahrungen aus allen Schulformen und an unterschiedlichsten Orten zeigen, dass das Angebot angenommen wird. Entsprechend macht die NPD auch weiter Gebrauch von diesem Medium.

Dieser Text ist ein Auszug aus dem Buch 88 Fragen und Antworten zur NPD von Fabian Virchow und Christian Dornbusch (Hrsg.) (Schwalbach 2008)

Wir bedanken uns beim Wochenschau-Verlag für die freundliche Genehmigung.

Weiterlesen

kind-demo

„Spiel nicht mit den Ausländerkindern“

Kinder aus Neonazi-Familien sollen schon früh die Ideologie ihrer Eltern weitertragen. Was das anrichtet, erklärt die Expertin Heike Radvan im…

Von|
Mücka

Konspiratives Neonazi-Treffen in Sachsen Rechtsterroristische Allianz zwischen „Brigade 8“ und „Combat 18“

Als NPD-Mann Thorsten Heise Ende März in Ostritz ein öffentlich beworbenes Rechtsrock-Event veranstalte, fand nicht weit entfernt ein konspiratives Treffen inklusive Konzert von „Brigade 8“ und „Combat 18“, dem bewaffneten Arm von „Blood & Honour“ statt. Während sich die mediale Aufmerksamkeit auf das Großkonzert konzentrierte, konnten sich andernorts Neonazis ungestört versammeln, vernetzen und austauschen. Dabei wurden neue Allianzen geschmiedet.

Von|
Gruppenbild DSCN3235 Kopie_0

Sturmvogel „Dieser Nachwuchs sieht sich als Elite des Nationalismus“

Die Jugendgruppe „Sturmvogel“ will Kinder und Jugendliche in einem völkisch-neofaschistischen Sinne indoktrinieren. Behörden haben diese HDJ-Nachfolge-Organisation kaum auf dem Schirm. Dabei würden Gruppen wie „Sturmvogel“ „völkischen Gedanken von Kindesbeinen an“ prägen, sagt Expertin Andrea Röpke.

Von|
Eine Plattform der