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Wehrhafte Demokratie »Wenn wir reden«

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Berfin, Yeliz, Alicem und alle anderen der Jugendgruppe der alevitischen Gemeinde in Dresden sind in Deutschland geboren, in Frankfurt, Berlin, Dresden, Freital. Sie leben mit ihren Familien in Dresden, dort haben ihre Eltern Geschäfte und Restaurants oder sind Angestellte. Trotz aller »Konformität« und »Normalität« dieses Alltags ist es nicht selbstverständlich, dass die Jugendlichen in ihrer Individualität von der in Dresden überdeutlichen weißen Mehrheitsgesellschaft akzeptiert werden. Immer dann, wenn sie außerhalb ihrer Familien unterwegs sind, müssen sie sich auf »das zugeschriebene Anderssein« einstellen, auf zudringliche Fragen nach ihrem vermeintlichen »Anderssein«. Besonders zumutend wird es, wenn haltlose Unterstellungen gemacht werden, etwa wenn sie sich im Ethikunterricht als »Expert/innen« zum Dschihad äußern sollen oder zum Kopftuchverbot, zur Beschneidung, zu Essverboten und anderem mehr.

Das Spannungsfeld, in dem sie leben ist geprägt von Neugier und Anfeindung. Zwar werden sie selten offen angegriffen, erleben aber stattdessen latente Ausgrenzung. Sie wachsen zweisprachig auf und sprechen außerdem mehr oder weniger gut englisch, französisch, spanisch und kurdisch. Aber es hört ihnen niemand wirklich zu, wie es ist, wenn einem die Welt- und Gesellschaftssicht der Eltern und Familie genauso wichtig ist, wie die eigenen Erfahrungen und Einsichten als Dresdner Jugendliche/r.

Eine wahrnehme Gruppe von »Postmigrant*innen« werden

Seit Februar 2012 trifft sich die Gruppe wöchentlich. Dabei entstand die Idee, mittels eines Filmes über Dresden und sich selbst, eine wahrnehmbare Gruppe von »Postmigrant/innen« zu werden. Mithilfe einer Filmproduktion und anderen UnterstützerInnen erlernten sie den Umgang mit der notwendigen Technik. Sie schrieben das Script, bauten das Storyboard, entwickelten eine Dramaturgie, führten Regie, fanden Szenen, drehten, diskutierten, verwarfen, ließen nicht locker und am Ende hielten sie ihn in Händen: ihren Film »Wenn wir reden … Akzeptanz ist keine Pflicht sondern selbstverständlich!«.

Mit ihm wollen sie aufmerksam machen, auf sich und andere Jugendliche in vergleichbaren Situationen. Er ist ein erster Schritt um gemeinsam mit anderen zu einer Stimme der »migrantischen« Gesellschaft zu werden. Denn nur wenn die Mehrheitsgesellschaft von ihnen als Nachbarn und Mitbürger/innen Notiz nimmt, wird die Verleugnung und Ignoranz gegenüber dem rechten Terror, den durch den sächsischen NSU und den des Alltages, verhinderbar. Als die Kinder der potentiell durch »Rechten Terror« Bedrohten wollen sie in dieser Bedrohung mehr als Hilfe. Sie wollen Anerkennung und Mitspracherecht, wie unser gemeinsames Zusammenleben aussehen soll.

Für ihr entschlossenes, kreatives Engagement war die Jugendgruppe der Alevitischen Gemeinde Dresden 2014 daher für den Sächsischen Förderpreis für Demokratie nominiert. Sie erhielt bei der Preisvergabe im November in Leipzig einen Anerkennungspreis in Höhe von 1.000,– Euro.

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

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