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Wie kommt es zum rassistischen Mob in Freital – und wie kommt Freital da wieder heraus?

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Ein Herd der Hetze auf Facebook ist "Freital wehrt sich". Es ist die Seite, die am meisten versucht, sich "bürgerlich" zu geben. Wie niveauvoll dort diskutiert wird, dokumentieren wir im Artikel. (Quelle: Screenshot)

In Freital stehen aktuell jeden Abend rund 80 bis 150 Menschen auf der Straße vor dem im ehemaligen „Hotel Leonardo“ untergebrachten Flüchtlingsheim, skandieren rassistische Parolen, werfen Böller und Steine – von „besorgten Bürger_innen“ lässt sich da nicht mehr sprechen. Die Stimmung ist, so sagt die Opferberatung der RAA Sachsen, noch nicht „pogromartig“, aber immerhin so aufgeladen, dass sich eine solche Stimmung entwickeln könnte.

Aber wie kam es dazu?

Seit einem halben Jahr gibt es in Dresden, direkt neben Freital  und in der ganzen Republik wahrnehmbar, Pegida („Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“) – und dessen Akteur_innen wurden nicht etwa in die Schranken gewiesen, sondern von der Politik als „besorgte Bürger_innen“ mit mehr oder weniger „berechtigten Ängsten“  adressiert. Dadurch hat sich der gesellschaftliche Diskurs verschoben. Während vorher rassistische Äußerungen tabuisiert waren, Menschen also Konsequenzen befürchten mussten, wenn sie sich rassistisch äußerten oder agierten, erscheint Rassismus nun sagbar und legitim. Unwidersprochene Hass-Seiten im Internet verstärken diesen Eindruck. Staats- und Landesregierung reagierten unglücklich, suchten den „Diskurs“ mit den Islamfeinden und Rassist_innen, statt sich gegen deren menschen- und demokratiefeindlichen Ansätze zu positionieren. Vielmehr wurden deren Positionen sogar bekräftigt  – etwa durch die von Sachsens Innenminster Markus Ulbig (CDU) ins Leben gerufene  Polizei-Sondereinheiten für straffällige Flüchtlinge, die als Reaktion auf „Pegida“-Vorwürfe über „kriminelle“ Flüchtlinge ins Leben gerufen wurde, obwohl das Problem gar nicht besteht. Dadurch entstand ein Klima, das Menschen, die zu Gewalt als Problemlösung neigen, ein Gefühl gab, bei rassistischen Übergriffen von „der Bevölkerung“ legitimiert zu sein und unterstützt zu werden. Die Opferberatung der RAA Sachsen meint: „Vor einem halben Jahr haben sich die Menschen in Freital noch nicht getraut, so offen rassistisch und bedrohlich zu handeln. Doch die „Pegida-„ und andere Demonstrationen waren ein Feld zum Austoben und Organisieren“. Die Rassist_innen haben gemerkt, dass sich Grenzen verschieben – und testen diese jetzt aus, um sich immer mehr Raum zu nehmen. Es bleibt nicht bei Worten und Demonstrationen. Aus Hetze und Hass resultiert ein starker Anstieg von rassistischen Übergriffen. Die Opferberatungsstelle der RAA sagt, dass seit Monaten keine Woche mehr vergeht ohne Meldungen über Bedrohungen oder Übergriffe auf Flüchtlinge oder ihre Unterstützer_innen. Der aktuelle Bürgermeister von Freital, Klaus Mättig, CDU, versucht, sich im Diskurs zu Flüchtlingen nicht zu positionieren, bemängelt nur mangelhafte Kommunikation der vorgesetzten Behörden. Der zukünftige Bürgermeister von Freital,  Uwe Rumberg (CDU, im Juni gewählt, tritt im August sein Amt an), befeuerte die Stimmung und sagte unter Verwendung von verächtlich machender Hass-Sprache nach seiner Wahl: „Es muss stärker unterschieden werden zwischen wirklich Hilfsbedürftigen und sogenannten Glücksrittern, die nach Deutschland kommen, um auf Kosten der Gemeinschaft ein sorgloses Leben ohne Gegenleistung zu führen.“ Schon Im Wahlkampf betonte er, dass Willkommenskultur irgendwo ihre Grenzen habe. Die Stadtverwaltung reagiert nicht auf die zunehmende Dreistigkeit oder die Übergriffe der Freitaler Rassist_innen: Weder zeigt sie sich bei Übergriffen solidarisch mit den angegriffenen Flüchtlingen, noch mit einer Politikerin, die für ihr Engagement in diesem Bereich angefeindet wurde, oder mit den Pressevertreter_innen und Gegendemonstrant_innen, die aktuell in Freital körperlich attackiert werden. Als Reaktion auf den Hass in Freital kam sogar der Bundesinnenminister Thomas de Maizière letzte Woche in der Ort, um beim „Bürgerforum“ zum Thema Asyl zu diskutieren – doch statt sich mit engagierten Demokrat_innen zu unterhalten und sie zu stärken, diskutierte er mit Pegida-Verantwortlichen wie Lutz Bachmann und Tatjana Festerling, während AfD und NPD Stimmung machten. Hier war zu lernen: Hass sichert Aufmerksamkeit. Die sächsische Landespolitik hat es in einem Jahr, in dem der Anstieg der Flüchtlingszahl in Deutschland vorhersehbar war, nicht geschafft, eine angemessene Infrastruktur für den Umgang zu schaffen. So musste in der Not eine Erstaufnahmeeinrichtung in einem Ort geschaffen werden, der als rassistisch und problematisch bekannt ist und wo der Staat die Unversehrtheit der Flüchtlinge nicht gewährleisten kann – vielleicht am Heim, aber nicht mehr im Stadtgebiet. Die lokale Politik wurde darüber so kurzfristig in Kenntnis gesetzt (einen Tag vorher), dass sie keine wirkliche Chance hatte, gut darauf zu reagieren. Sie entschied sich, gar nicht zu reagieren. Das Problem Freital ist auch hausgemacht.

 

Wie geht es den Flüchtlingen?

Die Opferberatung der RAA Sachsen betreut etliche bedrohte und angegriffene Flüchtlinge aus Freital: „Sie nehmen die bedrohliche Situation wahr. Viele verlassen ihre Räume nicht mehr – egal, ob sie im Flüchtlingsheim wohnen oder dezentral in der Stadt untergebracht werden. Sie spüren die feindliche Stimmung überall. Besonders schockierend ist allerdings die so genannte Bürgerwehr, die einen Beobachtungsposten vor dem Heim eingerichtet hatte und Fotos von jedem, der hinein- oder hinausging, ins Internet gestellt hat. Später wurde es eine Art „Sport“ in der ganzen Stadt, die Flüchtlinge abzufotografieren, ins Internet zu stellen und die Bilder mit hämischen bis hasserfüllten Kommentaren zu versehen. Das hat die Flüchtlinge nachhaltig schockiert. Nicht zuletzt begegnen die Flüchtlinge den Neonazis am Bahnhof, wenn sie mal nach Dresden fahren wollen oder müssen.  Sie wurden alle bereits bedroht, viele auch geschlagen.“

Wie kommt Freital aus dieser Situation wieder heraus?

(Landes)-Politik und Stadtverwaltung müssen sich deutlich gegen Rassismus, Hass und Gewalt gegen die Flüchtlinge und ihre Unterstützer_innen positionieren. Statements, die verharmlosend von „Asylkritiker_innen“ oder „besorgten Bürger_innen“ sprechen, müssen aufhören – es sind knallharte rassistische Demonstrationen. Die Stadtverwaltung sollte ihre Möglichkeiten ausschöpfen, etwa mit Platzverweisen direkte Hassdemonstrationen vor dem Flüchtlingsheim unmöglich zu machen. Die Polizei muss konsequent gegen Gewalttäter_innen vorgehen, nicht etwa, wie aktuell, bei Flaschen-, Eier- oder Böllerwürfen „die Augen zudrücken“. Die Flüchtlinge müssen bestmöglich geschützt werden. Die rassistischen Stimmungsmacher_innen müssen in ihre Schranken verwiesen werden – nicht nur ist Asyl ein Menschenrecht, andere Menschen zu bedrohen und anzugreifen sind nicht nur Straftaten, sondern menschenfeindlich und einer Demokratie unwürdig. 

Der Bürgermeister von Freital war für Belltower.news heute leider nicht für ein Interview zu sprechen. Wir versuchen aber weiter, ihn zu einem klaren Statement für die Flüchtlinge und die demokratische Kultur in Freital zu ermutigen.

 

Beratung für Zivilgesellschaft und Kommunen in der Region bieten:

| Kulturbüro Sachsen| Opferberatung der RAA Sachsen

Alle Beratungsstellen zum Thema Rechtsextremismus bundesweit finden Sie hier:

| Beratung

 

Wie schlimm es in Freital ist:

Video von Mittwoch, 24.06.2015: Der rassistische Mob skandiert: „Wir wollen Euch hängen sehen“.

Und noch ein „Schmankerl“ von der Facebook-Seite „Freital wehrt sich – Nein zum Hotelheim“. So diskutieren die „besorgten Bürger_innen“, dass Ministerpräsident Stanislav Tillich heute um 16.30 Uhr nach Freital kommen will, um sich ein Bild zu machen: Sie feiern die Aufmerksamkeit, die sie haben, äußern Verachtung und Bedrohung – es sind nur wahllos herausgegriffen die ersten Kommentare aktuell auf der Seite. Edwin Utrecht ist übrigens der „Holländer“-Redner von „Pegida“.

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