Nur 300 Neonazis, angeführt von dem bekannten und bekennenden Neonazi Dieter Riefling, sind am Samstag nach Bad Nenndorf gekommen. Diese sahen sich etwa 1.200 Gegendemonstranten gegenübergestellt. Mit einem Gottesdienst, Kundgebungen und Sitzblockaden sollte die rechte Veranstaltung verhindert oder zumindest stark verzögert werden. Die Anreise der Rechtsextremen am Bahnhof wurde durch Blockaden erschwert. Erst als die Polizei eingriff, konnten die Neonazis anreisen und ihren „Trauermarsch“ mit Verspätung beginnen. Auch das Wincklerbad, der Kundgebungsort der rechtsextremen Veranstaltung, wurde durch die Demonstranten blockiert. Zwar wurde die Blockade auch hier von der Polizei geräumt, dennoch sagten die Neonazis ihre Kundgebung letztendlich ab. Die Demonstranten haben die Veranstaltung erfolgreich verhindert – und der rechten Szene gezeigt, dass in Bad Nenndorf kein Platz für Neonazis ist.
Netz-gegen-nazis.de: Was steckt hinter dem „Trauermarsch“ in Bad Nenndorf?
Maren Becker: Von 1945 bis 1947 gab es in Bad Nenndorf ein britisches Militärgefängnis, das Wincklerbad. Dieses wurde 1947 geschlossen – wegen Foltervorwürfen. Daraufhin gab es eine Untersuchung der Vorfälle durch die britische Regierung und die Verantwortlichen wurden verurteilt. 2005 hat eine britische Zeitung das Thema aufgegriffen, woraufhin das Wincklerbad auch in den Fokus der Neonazis geriet und 2006 der erste „Trauermarsch“ organisiert wurde. Vor allem nach dem Verbot der Rudolf-Hess-Gedenkmärsche in Wunsiedel und des Heldengedenken in Halbe 2006 fand dieser großen Anklang. Nazis aus ganz Deutschland sind angereist, um den vermeintlichen „Opfern“ zu gedenken. 2010 wurde bislang der Höhepunkt erreicht: 1.000 Neonazis sind nach Bad Nenndorf gekommen.
Der „Trauermarsch“ einer der letzten regelmäßigen Aufmärsche der Neonazis. Wie viele erwartet ihr dieses Jahr?
Nach 2010 sind die Zahlen glücklicherweise zurückgegangen: schon 2011 sind nur noch 700 Neonazis gekommen und bis 2012 hat sich die Zahl halbiert. Nur noch knapp 500 Rechtsextreme sind durch Bad Nenndorf marschiert. Die Blockaden und die Partys der Anwohner entfalten offenbar ihre Wirkung, wahrscheinlich werden es dieses Jahr noch weniger Nazis als 2012.
Und was hat die rechte Szene für dieses Jahr geplant?
Wir wissen bisher noch nichts konkretes, nur, dass die Neonazis erstmals nicht ihre traditionelle Route bekommen haben. Sie haben eine alternative Strecke zugewiesen bekommen – und klagen dagegen. Bisher sieht es so aus, dass die Nazis sich ab 13 Uhr am Bahnhof treffen und dann über die Bornstraße, Schillerstraße und Bahnhofstraße zum Wincklerbad gehen und dort um 16 Uhr ihre Abschlusskundgebung abhalten. Es kann aber noch zu weiteren Klagen kommen.
Aus diesem Grund ist es schwierig zu sagen, was genau uns am Samstag erwartet. Der Marsch wird auch nicht von rechten Parteien organisiert und angemeldet. Bisher wurde er von der „Nationalen Offensive Schaumburg“ mit Marcus Winter an der Spitze angemeldet. Die Gruppierung gibt es jedoch offiziell nicht mehr, es ist also schwierig zu sagen welche Strukturen dahinterstecken. Die Inszenierung des Aufmarsches läuft jedes Jahr sehr ähnlich ab: Die Nazis marschieren mit schwarzen Fahnen und oftmals gleichförmiger Kleidung (seit 2010 weiße Hemden). Es wird versucht die Illusion eines Opfergedenkens aufrecht zu erhalten. In den Redebeiträgen wird jedoch geschichtsrevisionistische Propaganda verbreitet.
Der Aufmarsch in Bad Nenndorf zieht deutschlandweit Neonazis an – aber wie sieht die Lage vor Ort aus?
Bad Nenndorf selbst ist nur ein kleiner Ort – eine wirkliche rechte Szene gibt es also nicht. Über das Jahr kommt es zu kleineren Aktionen und jetzt, im Vorfeld der Veranstaltung, auch vermehrt zu Schmierereien. Schaumburg hingegen, in dessen Landkreis Bad Nenndorf liegt, hat eine starke rechte Szene. Es kommt zu vielen Übergriffen und Angriffen, vor allem auf Jugendliche, die nicht zur rechten Szene gehören. Die Polizei nimmt das aber leider nicht ernst und spricht von „Auseinandersetzungen zwischen Extremisten“
2012 waren die Proteste gegen den Aufmarsch sehr erfolgreich. Was habt ihr für dieses Jahr geplant?
Letztes Jahr hätten wir den „Trauermarsch“ beinahe verhindert: Mit Blockaden am Bahnhof haben wir die Anreise der Neonazis gestört. Weitere Sitzblockaden haben außerdem den Marsch behindert. Wir haben die Veranstaltung extrem verzögert – letztendlich hatten die Neonazis noch 30 Minuten für ihren „Trauermarsch“.
Dieses Jahr planen wir ähnliche Gegenproteste – wir wollen mit Blockaden den Naziaufmarsch verhindern. Außerdem haben wir 2013 auch prominente Unterstützer: Wolfgang Thierse (SPD), Vizepräsident des Deutschen Bundestages, und einige Landtagsabgeordnete wollen uns unterstützen. Letztes Jahr haben etwa 400 Personen die Blockadeaktionen vor Ort unterstützt. Ich gehe davon aus, dass wir dieses Jahr genauso viele, wenn nicht sogar mehr, sind. Außerdem sind für Samstag darüber hinaus viele verschiedene Demonstrationen und Kundgebungen angemeldet. Das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“ beginnt um 10.30 mit einer Auftaktkundgebung in der Horster Straße und darf sich bis 14.00 am Wincklerbad aufhalten. Außerdem ist eine weitere antifaschistische Demonstration vom Bahnhof bis zum Sportplatz geplant.
Und was ist deine ganz persönliche Hoffnung für den Tag?
Nachdem wir den Naziaufmarsch letztes Jahr so stark verzögert haben, hoffe ich dieses Jahr, dass wir ihn ganz verhindern können. Und da bin ich ganz zuversichtlich – wir haben mehr als 1.000 „Likes“ auf Facebook. Natürlich kommen die nicht alle, aber es ist schön, so viel Unterstützung zu haben. Wir werden den Naziaufmarsch blockieren: gemeinsam, entschlossen, massenhaft.
Das Interview führte Sina Laubenstein.
Mehr Infos im Netz:
Kein Naziaufmarsch in Bad Nenndorf (Homepage)Bad Nenndorf ist bunt (Homepage)Naziaufmarsch blockieren (Facebook)Bad Nenndorf 2012 (netz-gegen-nazis.de)