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#Wutwinter, Teil 1 Die „neue Rechte“ will, dass Deutschland leidet

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Im von der rechtsextremen Szene erwünschten "Wutwinter" 2022 soll "das Volk" es wieder richten: Martin Sellner (mit Sonnenbrille) und Jürgen Elsässer (weiße Mähne) haben sich am 29.08.2020 schon mal drunter gemischt: Bei der Coronaleugner*innen-Demonstration in Berlin. (Quelle: Belltower.News)

Die „neue“ Rechte hofft, die Systemfrage im Herbst/Winter endgültig stellen und „das System“ stürzen zu können. Dabei bedienen sie sich gerne an marxistischen Revolutionstheorien, um diese dann meist bis zur Unkenntlichkeit oder gleich in ihr Gegenteil zu verdrehen. Franz Schönhuber, Mitbegründer der rechtsextremen Partei „Die Republikaner“, sagte einmal in einem Gespräch mit Horst Mahler: „Alles, was auf der rechten Seite bedeutend war, kam von links“.

Rechte Verelendungstheorie: Deutschland soll leiden

Ein Klassiker der Aneignung ist die Verelendungstheorie. Die marxistische Verelendungstheorie ging davon aus, dass die kapitalistische Produktionsweise zwangsläufig zur Verelendung des Proletariats führen würde. Diese ständen dann vor der Entscheidung, Rückfall in die Barbarei oder der „gewaltsame Umsturz aller bisherigen Gesellschaftsordnung“. Nicht nur diese marxistische Theorie hat den Praxistest nicht bestanden. Das stört die „neue“ Rechte aber nicht, denn sie hat durchaus große Sympathien für Vieles, was bei Marx unter Barbarei fiel. Für die erwartete kommende Krise ist die neurechte Adaption der marxistischen Verelendungstheorie wichtiger Bestandteil. Im Mittelpunkt steht aber nicht allgemein das Proletariat, sondern die Selbstständigen und die Mittelschicht.

Damit die sich anbahnende Krise etwas abgefedert wird, versucht die Bundesregierung aktuell, zumindest Teile der Gesellschaft zu entlasten. Das ärgert Götz Kubitschek, Kopf des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik (IfS): „Besser wäre es, Machtmittel zur Linderung oder Milderung von lange angebahnten Krisen stünden nicht mehr zur Verfügung: Erst Verschärfungen von Lagen und Zustände von Aussichtslosigkeit werden jene unversöhnlichen Stimmungen hervorrufen, die der Motor jeder echten Wende sind“. Dass es einer massiven Krise bedarf, ist Konsens in der „neuen“ Rechten. Nun, die Chancen sind aktuell da: Wenn die Corona-Krise mit der Energie-Krise und der Inflation zusammenfielen, würde sich eine schlimmere Krise formieren und dies bedeute ungeahntes Potential, freut sich der Rechtsextremist und IfS-Autor Benedikt Kaiser in einem Podcast.

Schluss mit Konsum

Auch der Kopf der kriselnden deutschsprachigen Identitären Bewegung, Martin Sellner, will die Deutschen richtig leiden sehen, da es die eigene faschistische Agenda beflügeln könnte: „Aus der Sedierung des Volkes durch Konsum erwächst die Resilienz des gegnerischen Kartells (…). Eine materielle Lageverschärfung steigert dagegen den Wirkungsgrad jeder oppositionellen Tätigkeit. Sie vergrößert das Mobilisierungspotential und erhöht so die Erfolgsaussichten“, so Sellner. Damit spricht er noch einen anderen wesentlichen Stützpfeiler neurechter Ideologie an, der Kampf gegen die „Verhausschweinung“ (Konrad Lorenz), also dem hedonistischen, Konsum frönendem Leben. Kubitschek warnt denn auch davor, dass die Demonstrationen im Herbst/Winter ein „weiter so“ in Bezug auf Konsum fordern könnten. Der Rechtsextreme aber sucht Anderes: Den „Gürtel enger schnallen“, Konsumdistanz bis hin zu Askese, sind Grundprinzipien neurechter Ideologie. Konsum verhindere die Rückbesinnung auf wahre, „natürliche“ Bedürfnisse des Menschen, „sediere“ sie, wie Sellner es nennt.

Kubitschek als Fan der Ampel-Koalition?

Auf das Regierungshandeln schaut man leicht irritiert. Kubitschek wirkt fast beeindruckt vom Tempo und der Konsequenz, wie die Regierung jetzt Konsumverzicht einfordere: „Wir haben uns immer überlegt, wie kann man es dem eigenen Volk verkaufen, dass Unabhängigkeit mit Konsumdisziplin zu tun hat. […] Jetzt kommt da so ein linker Laden an, die neue Regierung, und setzt da bestimmte Dinge einfach durch, die eigentlich gar nicht so weit weg sind, was ich auch vorschlagen würde, wenn ich Macht hätte“, so Kubitschek im hauseigenen Podcast.

Hass auf die Unterschicht

Die Deutschen sollen also – auf Dauer – den Gürtel wesentlich enger schnallen. Für diejenigen, die dies jetzt schon aufgrund von Armut tun müssen, hat die selbsternannte „Elite von morgen“ allerdings seit je her nur Verachtung übrig. In dem IfS-Podcast bricht es aus der IfS-Autorin und Ehefrau von Götz Kubitschek, Ellen Kositza, förmlich heraus: „Den Leuten, denen es an den Kragen geht, ist ja schon der Mittelstand. […] Die von unten, die kriegen es [gemeint ist Geld] noch und nöcher“. Im Folgenden echauffiert sie sich über Kindergeldzahlungen ins Ausland, Bafög bis 45 und „Hartz IV auf Augenhöhe“ und resümiert: „Das bevorzugt die Unterschicht. Man kann sich in der Hängematte breitmachen“. Das ist keine Einzelposition, sondern Konsens in der „neuen“ Rechten. Für den neurechten Publizist Karlheinz Weißmann ist die Unterschicht „parasitär“ und „weder leistungsfähig noch leistungswillig“. Selbst der sich als (rechtsextremer) Antikapitalist initiierender IfS-Autor Benedikt Kaiser rät auch in Krisenzeiten davon ab, sich als Rechte um die Unterschicht zu kümmern. Von drohenden Wirtschaftskrisen sei diese im Regelfall nicht betroffen, analysiert er – bar jeder Empirie (PDF).

Ziel Systemsturz, Taktik: Hintergrund

Während der Herausgeber des rechtsextremen Compact-Magazins, Jürgen Elsässer, sich aktuell wieder in seiner Rolle als „Volkstribun“ gefällt und auf Marktplätzen einem sehr überschaubaren Publikum seine Sicht auf die Dinge darlegt, wählt die „neue“ Rechte eine andere Taktik. Für Benedikt Kaiser ist die entscheidende Frage, bei 44% Protestwilligen in Deutschland im Herbst/Winter, wer wird sie mobilisieren, in Bewegung setzen und die Themen politisch besetzen. Das sieht er als Aufgabe des neurechten Spektrums. Es sei mitunter allerdings taktisch sinnvoller, im Hintergrund zu agieren, um nicht als bekannte Rechtsextremisten eine neue Bewegung gleich zu diskreditieren, ergänzt Phillip Stein, Kopf des rechtsextremen Vereins „EinProzent“ in einem gemeinsamen Podcast.

Es sei gut, wenn sich neue, lokal vernetzte Führungspersönlichkeiten in solchen Protest herausbilden würden. Diese gelte es zu unterstützen, zu beraten und ideologisch zu schulen. Zudem gehe es darum, Vernetzungsarbeit zu leisten, aber auch die finanzielle Unterstützung von Aktivist*innen, die „sich in die erste Reihe begeben haben“ und „vielleicht mal was riskiert haben“ und danach mit Polizei und Justiz zu tun hätten. Dies sei Aufgabe der rechten Szene, so Kaiser.

 

Wie genau aber die „neue“ Rechte den Systemsturz plant, wie kurz er angeblich bevorsteht und wie gewaltvoll er umgesetzt werden soll, lesen Sie morgen in Teil 2

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2017-04-28-posener_0

Götz Kubitschek und die Juden

In einem Gespräch mit dem AfD-Hausphilosophen Marc Jongen über den Fall Wolfgang Gedeon hat Götz Kubitschek, Chefideologe der Neuen Rechten in Deutschland, den Antisemitismus rehabilitiert.  Um es vorwegzunehmen: Schlimmer als der Antisemitismus Kubitscheks, über den gleich zu reden sein wird, ist die  Attitüde dieses Halbgebildeten, der sich als Großintellektuellen inszeniert, meint Alan Posener.

 

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