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Zoff in der AfD geht weiter „Krieg gegen die eigene Partei“

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Höcke führt, Chrupalla darf begleiten. So zumindest das Bild auf dem AfD-Bundesparteitag im Juni 2022. (Quelle: picture alliance/dpa | Sebastian Kahnert)

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Bis zum Sonntag lief der Parteitag in Riesa (vgl. Belltower.News) gut, zumindest für das Höcke-Lager. Aber auch nach außen zeigte die AfD sich für ihre Verhältnisse fast harmonisch und geschlossen. Die knappe Wiederwahl von Tino Chrupalla zu einem von zwei Bundessprecher*innen zeigte aber da schon sehr deutlich, dass die Harmonie nicht von langer Dauer sein sollte.

Vorstand von Höckes Gnaden

Der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider frohlockte in einem nach dem Parteitag geführten Gespräch mit dem neurechten Vordenker Götz Kubitschek, dass der Bundesparteitag den „besten Vorstand aller Zeiten“ gewählt habe. Unweigerlich stellte sich bei dieser Formulierung die Frage, ob er nur die knapp 10 Jahre alte AfD damit meinte oder auch eine Vorgängerpartei im Geiste, die 1920 gegründet wurde. Tillschneider legte im Gespräch mit Kubitschek Wert darauf, wie viele vom rechtsextremen Flügel es an anderer Stelle ebenfalls taten, dass der Vorstand erstmals alle Strömungen in der Partei abbildet. Dass eine Beatrix von Storch, Joana Cotar, Joachim Kuhs oder auch ein Kay Gottschalk nicht oder nicht mehr im Vorstand vertreten sind, offenbart, dass die Pseudo-Gemäßigten als Machtfaktor in der Partei nicht mehr groß von Bedeutung sind. Gottschalk hatte im Vorfeld sogar noch heftig nach ganz rechts geblinkt, als er den ehemaligen Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth, als Mitarbeiter einstellen wollte. Dieser musste 2020 seinen Posten räumen, nachdem Aussagen wie, dass man Migranten ins Land lassen und anschließend einfach „vergasen“ oder „erschießen“ könne, bekannt wurden. Zudem bezeichnete er sich selbst als „Faschisten“ (Quelle: t-online.de).

Nach Ende des Parteitages wurde bekannt, dass die scheinbare anfängliche Harmonie wesentlich durch strömungsübergreifenden Absprachen im Vorfeld des Parteitages erreicht wurde. Dies plauderte, der stellvertretende Landesvorsitzende der AfD Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, wutentbrannt in internen Chats aus, die dem MDR zugespielt wurden: „Björn Höcke wurde die Strategiekommission versprochen, für den Fall, dass er nicht für den BuVo kandidiert“, schrieb Tillschneider, der mit „BuVo“ den Bundesvorstand meint (Link: mdr.de). In einem unmittelbar nach dem Parteitag geführten Interview mit dem neurechten Strippenzieher Götz Kubitschek wirft Tillschneider Teilen des Parteivorstandes, namentlich den Vorsitzenden Chrupalla und Weidel, vor, am Sonntag auf dem Parteitag, einen „Krieg gegen die eigene Partei“ initiiert zu haben – wie die geschassten Vorsitzenden Lucke, Petry und Meuthen zuvor. Dass er alle in einem Atemzug nennt, soll deutlich machen, wie Weidel und Chrupalla schnell enden könnten, wenn sie den „Krieg gegen die eigene Partei“ nicht einstellen. Mit dieser Kategorisierung „Krieg gegen die eigene Partei“ steht Tillschneider nicht alleine in der Partei da. Götz Kubitschek, fasst die Positionen des rechtsextremen „Flügel“ in einem Blogbeitrag in eine unmissverständliche Kampfansage an Weidel und Chrupalla zusammen, ohne sie namentlich zu nennen: „Alle Gespräche und Sondierungen vor dem Parteitag folgten der Einsicht in die Notwendigkeit, diejenigen zu entmachten, die den Krieg gegen die eigene Partei fortsetzen wollten. An diesen Gesprächen hat sich natürlich auch Björn Höcke beteiligt.“

Weidel zeigt sich von diesen Vorwürfen völlig unbeeindruckt. Im Gegenteil: Sie teilte am Freitag auf einer Pressekonferenz nochmal kräftig gegen den wesentlich von Björn Höcke auf dem Parteitag durchgesetzten Beschluss aus, den rechten Arbeitnehmer*innenverein „Zentrum“ von der Unvereinbarkeitsliste der AfD zu streichen. Das „Zentrum Automobil“ sei in ihren Augen keine Gewerkschaft, sondern ein „hochgradig toxischer Verein“, in dem sich vor allem im Vorstand „toxischen Persönlichkeiten tumelten“, die sich im rechtsextremen Milieu herumtreiben würden. Damit geht sie, aber auch Chrupalla im Schlepptau, in direkte Konfrontation zu Björn Höcke. Dieser hatte auf dem Parteitag noch durchgesetzt, dass das „Zentrum Automobil“ von der Unvereinbarkeitsliste der Partei gestrichen wurde. Auf diese hatte Weidel den Verein mit einem Vorstandsbeschluss im Oktober 2021 setzen lassen. Höckes Argument auf dem Parteitag, das „Zentrum“ von der Liste zu streichen: „Wir bestimmen, wer Extremist ist“. Das hat Weidel jetzt öffentlich getan und bestimmt, dass zumindest Teile des Zentrums-Vorstands für sie Extremist*innen sind. Das muss auch Höcke als fundamentalen Angriff gegen sich verstehen.

Verachtung gegenüber der Parteibasis

Weidel wäre nicht Weidel, hätte sie nicht auch eine simple Erklärung, warum der Bundesparteitag die Streichung des „Zentrum Automobil“ von der Unvereinbarkeitsliste ihrer Partei beschlossen und ihr so eine schmerzhafte Abstimmungsniederlage beschert habe.  In ihrem berühmten Tagesschau-Interview, (ab Min 5), wo sie nicht erklären konnte, was Rechtsextremismus sei, erläutert sie vor laufender Kamera, wohlgemerkt während der Parteitag noch lief, dass viele Delegierte zum Teil gar nicht wüssten, wofür sie auf dem Parteitag stimmten. Fast wortwörtlich wiederholte sie den Vorwurf an die Parteitagsdelegierten am Freitag auf der Pressekonferenz. Zumindest in dem Bashing der Parteibasis scheint sie mit Björn Höcke übereinzustimmen. Denn fast identisch kritisierte Götz Kubitschek nach Gesprächen mit Höcke und mehreren AfD-Delegierten die Parteibasis in Bezug auf die gescheiterte Europa-Resolution. Er sagte: „So setzte sich bei denjenigen, die den Antrag über Monate erarbeitet und mit wichtigen Gremien abgestimmt und eingebracht hatten, der Eindruck fest, daß [sic] sich die plötzlich auftretenden Gegner der Resolution nicht in der dafür vorgesehenen Zeit vor dem Parteitag mit den Inhalten befaßt [sic] hätten. Höcke war mir gegenüber fast noch nie so aufgebracht wie über diesen Punkt.“

Zusammengefasst: Die aktuellen Vorsitzenden (Weidel und Chrupalla) und der Vorsitzende in spe (Höcke) samt seinem „Einflüsterer“ (Kubitschek) erklären, dass ein Großteil der Delegierten zu dumm oder zu faul seinen, um zu wissen, worüber sie auf dem Parteitag abstimmen. Mehr Verachtung für die eigene Basis geht kaum. Auch andere hohe AfD-Funktionäre machten aus ihrer Verachtung vor der Basis und ihrem Desinteresse am Parteitag keinen Hehl. So twitterte der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Torben Braga: „Parteitags-Stream kurz eingeschaltet. Die einen wollen mit voller Kraft & zur Not auch mit 1 Stimme Mehrheit eine umstrittene Resolution durchsetzen. Die anderen versuchen eine Beschlussfassung mit einer Flut von Verfahrensanträgen zu verhindern. Hoffnung aufgegeben. Stream aus.“

Krah suspendiert: „Grob fraktionsschädigendes Verhalten“ im Europaparlament

Auch an anderer Stelle in Partei fliegen die Fetzen.  So scheint die AfD-Europaparlamentsfraktion sich immer mehr zu zerlegen. Nach dem Bundesparteitag machte der in Riesa unterlegene Nicolaus Fest öffentlich, dass das neue Vorstandsmitglied der AfD Maximilian Krah bereits am 05. April dieses Jahres von der Fraktion „Identität und Demokratie“ im EU-Parlament suspendiert wurde. Grund: „grob fraktionsschädigendes Verhalten“.

Im Oktober finden Landtagswahlen in Niedersachsen statt. Ein schlechtes Ergebnis oder gar ein Scheitern an der 5%-Hürde könnten die parteiinternen Konflikte anheizen. Da ist es auch nicht von Vorteil, dass letzte Woche der niedersächsische AfD-Vorsitzende Frank Rinck einen Strafbefehl über 8100 Euro erhalten hat – wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis (vgl. Weser-Kurier). Aber zumindest im Bundestrend konnte die AfD nach dem Parteitag zulegen. Medieninteresse, selbst wenn es eine negative Berichterstattung ist, und Radikalisierung haben der AfD bislang selten geschadet.

 

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