Von Lucius Teidelbaum
Die extreme Rechte in Baden-Württemberg befindet sich weiter in einer relativen Schwäche-Phase, die aber offenbar ihre Radikalisierung weiter vorantreibt. Weiterhin fehlt es NPD und Co. im Südwesten an ausreichend festen Räumlichkeiten. Nicht ohne Grund befindet sich der Wohnsitz des NPD-Landesvorsitzenden Alexander Neidlein in Buch am Wald in Franken (Bayern).
Rechte finden Platz für Veranstaltungen in Gaststätten
Allerdings wurde die ehemalige Gaststätte „Rössle“ im nordbadischen Rheinmünster-Söllingen (Kreis Rastatt) als Nazi-Treffpunkt 2013 reaktiviert. Ursprünglich war es nach einer antifaschistischen Kampagne still um das „Rössle“ geworden. Unter dem Deckmantel von „Geburtstagsfeiern“ fanden dieses Jahr hier aber wieder wieder Nazi-Konzerte statt. Am 22. Juni 2013 veranstalteten die Hammerskins ein Konzert mit den Szene-Bands wie „Kommando Skin“ (Stuttgart) oder „Devils Project“ (Stuttgart) und am 5. Oktober 2013 spielten zum 20-jährigen Jubiläum der „Kameradschaft Karlsruhe“ bzw. des „karlsruher netzwerks“ die Bands „Kommando 192“, „Codex Frei“, „Überzeugungstäter Vogtland“, sowie ein Liedermacher aus Berlin. Weitere Konzert folgten am 26. Oktober, am 9. November (!) und am 16. November statt. Das fünfte Konzert im Rössle am 16. November bildete den Wahlkampfauftakt der Worch-Partei „Die Rechte“. Nach einem Verbot des Konzerts in Düsseldorf, war man auf das „Rössle“ ausgewichen. Durch die kurzfristige Verlagerung spielten die Bands, darunter die in der Szene sehr populäre „Lunikoff-Verschwörung“, statt vor bis zu 800 erwarteten TeilnehmerInnen, nur vor 120-200 Personen.
Einen weiteren Veranstaltungs-Ort fanden die braunen KameradInnen im Gasthaus „Zum Schwarzen Ochsen“ in Weinheim. Hier fand am 17. März 2013 der 49. Landesparteitag der NPD Baden-Württemberg statt, auf dem Alexander Neidlein zum NPD-Landesvorsitzenden gewählt wurde. Die Wahl des verurteilten Postbank-Räubers und ehemaligen Bosnien-Söldners Neidlein ist ein Hinweis auf eine Radikalisierung des NPD-Landesverbandes. Ebenfalls im „Schwarzen Ochsen“ fand am 20. und 21. April 2013 der mehrmals vertagte NPD-Bundesparteitag statt, auf dem Holger Apfel mit 71 Prozent der Stimmen als NPD-Vorsitzender bestätigt wurde. Eine Woche später, am 28. April 2013 fand hier auch ein von der NPD organisierter Zeitzeugen-Vortrag mit einem Veteranen der SS-Division Wiking statt, den etwa 80 Personen besuchten. Die Geschichten der „Erlebnisgeneration“ aus Wehrmacht und Waffen-SS konnte man ansonsten über Jahrzehnte in den „Landser“-Heftchen nachlesen. Diese vom Pabel-Moewig-Verlag mit Sitz in Rastatt herausgegebene Reihe ist vielleicht nicht extrem rechts, aber extrem verharmlosend und verherrlichend, was die Taten der deutschen Armee im Zweiten Weltkrieg angeht. Darauf wies auch ein Dossier des US-amerikanischen Simon-Wiesenthal-Centers (LINK) hin. Auf die daraufhin einsetzende Kritik und Debatte um die Inhalte der „Landser“-Reihe reagierte der Verlag, indem er die Reihe einstellte. Das Wutgeheul in der rechten Szene war groß.
Mangelnder Erfolg auf der Straße fördert eine Radikalisierung der Nazis
Auch andernorts in Baden-Württemberg konnten Neonazis keinen Erfolg für sich verbuchen.
Auf der Nazi-Demonstration am 25. Mai 2013 in Karlsruhe versammelten sich zwar exakt 208 Neonazis unter dem Motto „Freiheit für alle Nationalisten – Freiheit für unsere Kameraden“, aber diese konnten nicht losmarschieren. Eine erfolgreiche Blockade des Treffpunkts am Bahnhof mit tausenden von BürgerInnen verhinderte den Start der Nazi-Demonstration.
Nicht erfolgreich waren dagegen die Blockade-Versuche in Göppingen, wo am 12. Oktober 2013 ein Nazi-Aufmarsch mit 141 Neonazis, vorwiegend so genannte „Autonome Nationalisten“ stattfand.
Der mangelnder Erfolg in Baden-Württemberg, sowohl an der Wahlurne, als auch beim Kampf um die außerparlamentarische Hegemonie fördert offenbar eine Radikalisierung. Man bedroht z.B. seine GegnerInnen mit dem Tod. So ging wenige Tage vor dem Aufmarsch in Göppingen, am 1. Oktober 2013, bei der Göppinger Lokalzeitung ein Drohbrief ein, in dem die Ermordung des Vorsitzenden des „Vereins Kreis Göppingen Nazifrei“, Alex Maier, bis zu einem für den 12. Oktober geplanten Aufmarsch von Neonazis in der Stadt angekündigt wird: „Maier muss ausgeschaltet werden, bevor sein Gutmenschentum der Deutschen Sache noch mehr Schaden zufügt“, heißt es darin.
Offenbar sind bestimmte Teile der braunen Szene auch gewillt, solchen Ankündigungen Taten folgen zu lassen. Die Polizei durchsuchte am 4. und 5. September 2013 in Baden-Württemberg die Wohnungen der Neonazis Sascha Hiller in Freiburg, Robert Englisch in Malterdingen bei Emmendingen und Karl Wurster in Baiersbronn bei Freudenstadt. Der ohne festen Wohnsitz gemeldete Oliver Rösch wurde in Untersuchungshaft genommen, da er außerdem am 31. August 2013 bei einem Naziaufmarsch in Dortmund einen von Englisch gebauten Sprengsatz in die Reihen der GegendemonstrantInnen warf und dabei fünf Menschen verletzte. Robert Englisch musste nur eine Nacht auf der Wache verbringen, obwohl die Behörden in seiner Wohnung eine funktionsfähige mit Schwarzpulver und kleinen Metallkugeln gefüllte Rohrbombe fanden. Laut „Badischer Zeitung“ hatten die Nazis geplant, „während einer Kundgebung von Antifaschisten das ferngesteuerte Modellflugzeug über die Menschen fliegen zu lassen und den Sprengsatz abzuwerfen“.
Verbindungen des NSU im Ländle weiter ungeklärt
Während dieser Fall aufgeklärt zu sein scheint, bleiben im Fall des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) bisher viele Fragen offen. Auch die Verbindungen des NSU nach Baden-Württemberg sind leider bisher nur ungenügend erforscht, obwohl Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt an dem Mord von Michèle Kiesewetter und dem Mordversuch an ihrem Kollegen am 25. April 2007 in Heilbronn beteiligt waren.
Theresienwiese Heilbronn: Mahntafel in Erinnerung an die NSU-Opfer. (Foto: L.Teidelbaum)
Trotzdem weigert sich die rot-grüne Landesregierung noch immer, einen Landesuntersuchungsausschuss einzurichten. Möglicherweise, um Skandale zu verhindern, die damit publik würden. Ominös bleibt in diesem Zusammenhang auch der angebliche „Selbstmord“ des 21-Jährigen Florian Heilig aus Eppingen im Landkreis Heilbronn (Zabergäu) am 16. September 2013 nahe des Cannstatter Wasen, einem Ort, an dem sich nachweislich Böhnhardt und Mundlos aufgehalten hatten. Der Nazi-Aussteiger sollte am Tag seines Todes erneut bei der Kripo-Ermittlungsgruppe „Umfeld” aussagen, die die NSU-Verflechtungen mit Baden-Württemberg bearbeitet. Heilig hatte bereits Anfang 2012 von der angeblichen Existenz einer „Neoschutzstaffel“ (NSS) als „zweite radikalste Gruppe“ berichtet, die sich angeblich mit dem NSU in Öhringen, etwa 25 Kilometer östlich von Heilbronn, getroffen hätte.
Vielleicht bringt ja das Jahr 2014 für Baden-Württemberg die dringend notwendige Einrichtung eines Untersuchungsausschuss für Baden-Württemberg und damit mehr Licht ins Dunkel.
Proteste gegen Asylsuchende auch im wohlhabenden Südwesten
Doch bei alledem darf nicht vergessen werden, dass es Rassismus auch jenseits extrem rechter Strukturen bis weit in die Mitte der Gesellschaft gibt. Auch im wohlhabenden Südwesten gab es 2013 Initiativen gegen Flüchtlingsheime. In Fellbach-Oeffingen bei Stuttgart führte ein Eilantrag von AnwohnerInnen vor dem Verwaltungsgerichtshof Mannheim dazu, dass 51 Flüchtlinge wieder aus einem bereits bezogenen Haus ausziehen mussten. Inzwischen kassierte die das Verwaltungsgericht Stuttgart im Oktober dieses Urteil wieder.
In Wehr (Landkreis Waldshut) kam es 19. Oktober 2013 zu einer Brandstiftung in einer Unterkunft für Asylsuchende und Obdachlose. Die Polizei schloss einen politischen Hintergrund der Tat nicht aus.
Seit Ende Oktober erhebt sich auch der Protest gegen ein Flüchtlingsheim in Bretten bei Karlsruhe. Die Facebook-Gruppe „Kein Asylantenheim in Bretten Stadtmitte“ war am 6. November 2013 bei 1.141 „Gefällt mir“-Angaben. Verlinkt wird sie auch auf der Facebook-Seite der NPD-Baden-Württemberg.