Zum Ende des Jahres werden zwar die Tage weniger, doch es häufen sich die Rituale. Die Weihnachtzeit und das, was wir „zwischen den Jahren“ nennen, sind voll von Traditionen, Gewohnheiten und manchmal sogar von Wiederholungszwängen. Das ist schön, denn irgendwie schaffen wir dabei etwas, worauf wir uns verlassen können: Den Stress und die Freude, ja sogar die Erschöpfung, die all den Ritualen folgt. Das Nachdenken über das vergehende Jahr gehört dazu. Für mich ist die Zeit auch eine Gelegenheit das Kommende in den Blick zu nehmen. Mein Ritual besteht darin, mich an meine Vermutungen über das Vorjahr zu erinnern und was davon sich am Ende bewahrheitete. Denn seien wir ehrlich: Vorhersehen oder vorausplanen lässt sich nicht wirklich viel. Einige persönliche Vorsätze vielleicht, aber sonst?Angesichts der politischen Situation stritten wir beim Jahresbeginn 2017 vor allem darüber, ob der Rechtsruck in Deutschland bereits schlimm wäre oder ob es noch noch viel schlimmer kommen würde. Das Ausmaß an Polarisierung der politischen Debatte und den Hass, der sie begleitete, hatte es in Deutschland so noch nicht gegeben. Konflikte wurden sichtbar, lange Verdrängtes wie der Rassismus im Mainstream, die kaum überwundene Teilung und der Rechtsextremismus als verleugnetes Problem – sie stießen nun mit Wucht durch die dünne Oberfläche von Politik und Gesellschaft. So wurde 2017 das Jahr, in dem es das deutschtümelnde Gebrodel mit all seiner Aggression, seinem Hass und seiner Verachtung auf die politische Bühne schaffte. Hatte es zuvor vor allem in den sozialen Netzwerken gegiftet, begann in diesem Jahr der Marsch durch die Mainstreammedien. Überall diskutierte man über oder mit den Vertretern der AfD. Das half, diese rechte Bewegung als Faktor in der Bundespolitik zu etablieren. Auf Landesebene geschah das schon früher. Die Gewalt, die damit einherging, die Überfälle auf Geflüchtete oder Menschen, die dafür gehalten wurden, blieb. Sie erschien nur immer weniger in den Medien. Es entstand sogar der Eindruck: Je mehr AfD die Öffentlichkeit erreichte, desto weniger drang die gewalttätige Folge ihres Hasses durch.Durch die Bundestagswahl materialisierte sich der Konflikt in der Gesellschaft. Die Wähler entschieden hier aktiv, ob sie sich der antimodernen Rechten mit dem gefährlichen Menschenbild der Ungleichwertigkeit anschließen wollten oder nicht. Die AfD war inzwischen populär genug und hatte keineswegs den Ruf der Unwählbarkeit wie die NPD. Nun, es sind 12,6% geworden. Nicht mehr und nicht weniger. Doch der Konflikt, die Polarisierung, hat jetzt schon Einfluss auf die Politik einer Regierung, die noch immer nicht zustande gekommen ist. Eine schwierige Situation. Damit müssen wir jetzt arbeiten.Was 2018 geschehen muss? Wir werden weitermachen. Die Amadeu Antonio Stiftung wird sich weiter um die Opfer von Hass und Gewalt kümmern. Das steht fest. Ohne Wenn und Aber. Wir werden auch weiter diejenigen unterstützen, die den großen gesellschaftspolitischen Konflikt, ob Deutschland nun völkisch geprägt sein soll oder eine offene Gesellschaft bleibt, vor ihrer eigenen Haustür austragen. Das sind all diejenigen, die sich aktiv engagieren, die in Diskussionen Haltung zeigen, die sich trotz aller Stimmungsmache nicht beirren lassen. Sie sind Teil dessen, was wir zivile Gesellschaft nennen. Sie zu unterstützen durch Rat und Förderung wird der Stiftung eine Ehre sein.Im kommenden Jahr werden wir uns auch weiter in die Debatte einmischen. Ja, wir werden sogar viel Praktisches darüber sagen, wie man debattiert und was geschieht, wenn mit unlauteren Mitteln gekämpft wird. Interessant wird sicher auch zu beschreiben, wie Rechtspopulisten geschult und trainiert werden.Wir werden auch 2018 dabei helfen, Dinge zur Sprache zu bringen, die sonst gern verdrängt werden. Es hat keinen Sinn, die Augen zu verschließen und zu hoffen, dass Probleme einfach vorbeigehen. Ein Gradmesser dafür ist immer wieder der Antisemitismus. Er ist nicht nur eine dumme Welterklärung ewig Gestriger, sondern ein handfestes Indiz für eine Krise in allen Teilen der Gesellschaft. Gerade in der Einwanderungsgesellschaft. Antisemitismus ist ein Problem und deshalb werden wir uns auch damit weiter beschäftigen. Wir werden weiter unsere Expertise zu all diesen Fragen teilen. Weil es wichtig ist, Dinge zu wissen und sie zu gestalten – statt einfach abzuwarten. Mal sehen, wie dieses neue Jahr wird. Ich vermute, das Jahr 2018 wird eher von viel Detailarbeit geprägt, als von großen Erkenntnissen über den Zustand der Gesellschaft. Ich vermute, dass jeder und jede viel darüber lernen wird, wie der große Konflikt zwischen völkisch und weltoffen zu führen ist. Ich vermute, wir haben viel zu tun. Und ich vermute, nächstes Jahr um die Weihnachtszeit sind wir schlauer.Wir, das Team der Amadeu Antonio Stiftung, bedanken uns herzlich bei Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern für Ihre Unterstützung. Wir wünschen Ihnen einen guten Rutsch, Gesundheit und ein gutes Jahr!
Belltower.News ist die journalistische Plattform der Amadeu Antonio Stiftung. Auch unser Team wünscht allen Leserinnen und Lesern einen guten Start in 2018.