27 Jahre war Samuel Yeboah alt, als er am 19. September 1991 bei einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Saarlouis-Fraulautern stirbt. Mitten in der Nacht warfen der oder die Täter einen Brandsatz in die Unterkunft. 19 Menschen leben in dem Haus, 16 davon können ins freie fliehen. Zwei Männer werden schwer verletzt, als sie aus den Fenstern des obersten Stockwerks springen, um sich zu retten. Samuel Yeboah versucht wahrscheinlich durch das Treppenhaus zu fliehen und zog sich schwere Verbrennungen zu. Er stirbt in der gleichen Nacht im Krankenhaus.
Der Brandanschlag war bereits der fünfte Angriff auf Geflüchtetenunterkünfte in der Stadt seit 1987. Nur einen Monat zuvor gab es einen Anschlag auf eine Unterkunft im benachbarten Saarlouis-Roden. Und auch nach dem Mord an Yeboah kam es zu mehreren Angriffen. Bereits elf Monate später wurden die Ermittlungen eingestellt. Die Tat wurde nicht als rechtsextrem oder rassistisch eingestuft. Die Bundesregierung korrigierte diese Einschätzung mehrmals. Zuletzt 2009 in der Antwort auf eine große Anfrage der Partei Die Linke. Im Sommer 2020 wurde im saarländischen Landespolizeipräsidium schließlich doch noch eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Fehler bei den Ermittlungen aufklären sollte. Eine 18-köpfige Sonderkommission rollte den Fall neu auf. Das Verfahren wurde an die Bundesstaatsanwaltschaft in Karlsruhe übergeben.
Jetzt gibt es offenbar konkrete Ergebnisse. Am 28. Januar 2021 durchsuchten Beamt*innen die Wohnung und den Arbeitsplatz eines 49-jährigen Mannes aus Saarlouis, der jahrelang in der Neonaziszene aktiv war. Vorgeworfen wird Peter Werner S. Mord und versuchter Mord in 18 Fällen. Lokale Antifa-Recherchen beschreiben S. als Führungsfigur der Saarlouiser Neonaziszene in den 1990er Jahren. Fotos zeigen den Mann als Ordner bei Neonazidemonstrationen in der Stadt. Offenbar gibt es dabei auch eine Verbindung zur Terrororganisation NSU. 1996 nahm S. am „Rudolf-Heß-Gedenkmarsch“ in Worms teil. Etwa 200 Neonazis demonstrierten an diesem Tag, darunter auch Uwe Mundlos, Beate Zschäpe und NSU-Unterstützer Ralf Wohlleben.
1997 stellte sich heraus, dass S. gegen andere Teilnehmende ausgesagt hatte, daraufhin wurde er aus der Szene in Saarlouis offenbar ausgeschlossen. Wie NPD-Kader zum rassistischen Mord an Samuel Yeboah stehen, zeigt beispielhaft ein Facebookpost von Karl-Heinz M., einem ehemaligen Beisitzer im Landesvorstand der Partei. Auf einem Selfie posiert er zusammen mit der grinsenden NPD-Politikerin Ricarda Riefling, die zwischen 2014 und 2017 Vorsitzende der Partei-Organisation „Ring nationaler Frauen“ war, vor einem Plakat, dass an den Tod von Yeboah erinnert.
Gedenken für Samuel Yeboah in Saarlouis?
Antifaschistische Gruppen erinnern an Jahrestagen an den rassistischen Mord in Saarlouis. Zivilgesellschaftliche Initiativen, wie die „Aktion 3. Welt Saar“ kritisieren dabei immer wieder das Verhalten der Stadt und fordern einen zentralen Gedenkort im Stadtbild. Geschäftsführer Roland Röder: „Im Stadtbild von Saarlouis erinnert nichts an Samuel Yeboah“. Eine Initiative hat reagiert und einen virtuellen Gedenkstein mit Informationen zur Tat und dem Umgang der Stadt mit dem Mordopfer erstellt.
Das Gedenken an das Mordopfer findet in Saarlouis wenn dann außerhalb des Stadtzentrums, auf dem Friedhof „Neue Welt“ statt. Dort befindet sich das Urnengrab von Yeboah, daneben ein Stein mit der Aufschrift „Opfer eines Brandanschlags auf ein Asylbewerberheim“. Initiiert wurde der Stein vom „Saarlouiser Bündnis gegen Rechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeit“. Die Pressestelle der Stadt sagte Belltower.News, dass man sich entschieden habe, „die Grabstätte als Mahnmal zu erhalten“. Ein Hinweis auf Rassismus und Rechtsextremismus, die der Tat zu Grunde lagen, fehlt. Laut der Pressestelle liegt das auch dran, dass ein rechtsextremer Zusammenhang bisher nicht zweifelfrei belegt werden konnte: „Sollte sich die Vermutung eines rassistischen Hintergrundes bestätigen, muss auch das Gedenken an die Tat neu bewertet werden“. Das fordert die „Aktion 3. Welt Saar“ bereits seit Jahren. Denn tatsächlich scheint die Stadt sich zu weigern, dem Gedenken an das Mordopfer einen zentralen Ort einzuräumen.
Im Rahmen einer Kundgebung zum zehnten Jahrestages des Anschlags im Jahr 2001 befestigten Aktivist*innen eine Gedenktafel am Rathaus der Stadt. Die Tafel wurde am selben Tag auf Anweisung des Bürgermeisters wieder entfernt. Die Stadt klagte auf Schadensersatz gegen den Anmelder der Demo. Sie gewann 2005 einen vierjährigen Prozess und erhielt 134,50 Euro.
Zum 15. Jahrestag des Mordes schlug eine Initiative die Umbenennung der Von-Lettow-Vorbeck-Straße zur Samuel-Yeboah-Straße vor. Paul von Lettow-Vorbeck wurde in Saarlouis geboren und war in der deutschen Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“ für den Völkermord an den Herero und Nama mitverantwortlich. 1956 wurde er zum Ehrenbürger in Saarlouis ernannt. Die Website der Stadt spricht in einem Beitrag von 2010 von „der als problematisch zu bewertenden Vergangenheit des Generals“ und verkündet, dass nach einstimmigen Beschluss des Stadtrates die Straße nunmehr nach zwei ehemaligen Bürgermeistern der Stadt benannt wird. In der entsprechenden Meldung findet sich kein Verweis auf die Initiative für Samuel Yeboah.
Wie im Jubiläumsjahr 2021, 30 Jahre nach dem Mord an Yeboah in Saarlouis ein offizielles Gedenken stattfinden wird, ist noch offen. Laut der Presseabteilung hängt dies auch von den Ergebnissen der laufenden Ermittlungen ab. Das Thema soll in der nächsten Sitzung des Integrationsbeirates auf der Tagesordnung stehen.
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