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AfD aktuell Wie es der Partei nach dem Bundesparteitag geht

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Schilder bei einem Protest gegen die Partei "Alternative für Deutschland" (Quelle: picture alliance / SvenSimon | Frank Hoermann/SVEN SIMON)

Die AfD tagte zwei Wochenenden in Magdeburg. Es wurde Personal gewählt, mit dem die Partei in das Europaparlament ziehen will, und ebenso wurde beschlossen, mit welchem Programm die AfD den Wahlkampf bestreiten will. Die Partei war bemüht, sich nach außen harmonisch zu geben. Obwohl das beschlossene Wahlprogramm gemäßigt klingt, war der Ton am Rednerpult teilweise radikal – und das ganz unverhohlen.

Thüringens Landeschef Björn Höcke sagte in einem Interview auf dem Parteitag: „Diese EU muss sterben, damit Europa leben kann“. Georg Hock aus Bayern formulierte es ähnlich: „Die EU muss sterben, damit unser Deutschland wieder leben darf“. Stattdessen strebe die AfD ein “Europa der Vaterländer” an – eine ideologisches Konstrukt aus der “Neuen Rechten”, der Spitzenkandidat Maximilian Krah später auch explizit für die Inspiration dankte (vgl. Twitter/X). Ebenfalls aus diesem Umfeld stammen die Vokabeln der “Remigration” und der “Festung Europa”, die auch bei Redner*innen beliebt waren (vgl. ZEIT).

Auch Verschwörungsvokabular war allgegenwärtig, etwa die Rede von “globalistisch eingestellten Eliten”, ein antisemitischer Topos. Die Formulierung wurde aus der Präambel des Wahlprogramms gestrichen, ist aber bei der aktuellen Fassung bei „die EU und die sie tragenden Eliten“ mitgemeint (vgl. ZDF). Tino Chrupalla, Co-Chef der Partei, unterstellte der Bundesregierung „modernen Feudalismus“ wegen des Anwerbens ausländischer Fachkräfte. Mehr “deutscher” Nachwuchs solle stattdessen den Mangel begleichen.

In seiner Rede forderte der bayerische Peter Junker in blankem Rassismus: „Schützen wir das Beste, was wir haben, unsere Kinder (…) vor Perversitäten, vor Abartigkeit, vor staatlich geduldeten Kinderfickern“.

Seit dem Bundesparteitag der AfD sind wenige Wochen vergangen

Seitdem ist viel in und um die Partei passiert.

Am 31. Juli berichtete die Zeit, dass die ehemalige AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann mehreren Mitgliedern der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß Zugang zum Bundestag verschafft und sie durch das Parlamentsgebäude geführt habe. Bei den Besuchern würde es sich um den inzwischen terrorverdächtigen rechtsextremen Ex-KSK-Soldaten Peter Wörner und den ehemaligen Bundeswehr-Oberst Maximilian Eder. Laut Bundesgerichtshof steht die Gruppierung in Verdacht, eine bewaffnete Erstürmung des Reichstagsgebäudes durch eine Gruppe von bis zu 16 Personen geplant zu haben. Das Ziel sei gewesen, Regierungsmitglieder und Abgeordnete in Handschellen abzuführen. Wie auch Eder und Wörner sitzt Malsack-Winkemann seit Dezember 2022 in Untersuchungshaft

Die AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson ist auf Kosten kanadischer “Querdenker” durch Kanada gereist. Aus Unterlagen des Europäischen Parlaments geht hervor, dass eine Gruppe von Covid-Maßnahmen-Gegner*innen insgesamt acht Übernachtungen in Toronto und Montreal bezahlte. Außerdem wurde ein Inlandsflug übernommen. Die Reise diente der AfD-Politikerin und der Gruppe für politische Inszenierungen. Anderson trat als Kämpferin für Freiheitsrechte auf, besuchte Demonstrationen, hielt Vorträge und gab Interviews

Zwei Kandidaten der AfD für die Europawahl stehen unter Verdacht, ihren Lebenslauf gefälscht zu haben. Arno Bausemer (Listenplatz 10) hat nach Recherchen von t-online bei seiner Bewerbung eine Berufsausbildung angegeben, die er nicht hat. Gegen Mary Khan-Hohloch (Listenplatz 14) erheben Parteikollegen den Vorwurf der “arglistigen Täuschung”. Bei ihrer Vorstellung vor rund 600 Delegierten gab sie an, ein Studium der Religionswissenschaften und des Öffentlichen Rechts mit Schwerpunkt Europarecht absolviert zu haben und bereits vier Jahre Berufserfahrung zu haben. In Anbetracht des Zeitraums und der Vita erscheint beides unglaubwürdig. Kahn-Kohloch ist außerdem bei der Europawahlversammlung dazu aufgefordert worden, ihren Migrationshintergrund zu erklären.

Die größte Einzelspende aller im Bundestag vertretenen Parteien geht im ersten Halbjahr an die AfD. Der Geldgeber verbreitet rassistische und antisemitische Verschwörungstheorien, hält sich selbst aber nicht für rechtsradikal. Der Bauingenieur Hartmut Issmer aus Erlensee in Hessen spendete 265.000 Euro an die Partei. Auf Nachfrage von RTL/ntv erklärte er seine Motivation. Er sei Gegner des “Corona- und Klimaschwachsinns” und lehne den politischen Kurs der Bundesregierung gegenüber Russland ab.

Am 10.08. berichtete BILD, dass die AfD eine neue Partei-Firma gegründet habe. Gegenstand des Unternehmens sei der Erwerb und die Verwaltung von Unternehmensbeteiligungen sowie die Verwaltung eigenen Vermögens. Die „Alternita Holding GmbH“ hat ihren Sitz im Gebäude der AfD-Parteizentrale in Berlin.

Nach Angaben des Spiegels suchte ein AfD-Mitarbeiter in Moskau Unterstützung für eine Klage der Partei. Das Ziel der Klage ist, die deutschen Waffenlieferungen an die Ukraine zu verzögern. Das geht aus einem Datensatz hervor, der E-Mails, Dokumente und Nachrichten von Wladimir Sergijenko umfasst und dem Magazin „Spiegel“ und dem Investigativmedium „The Insider“ vorliegt. Wladimir Sergijenko arbeitet für einen AfD-Politiker im Bundestag und gilt als prorussischer Aktivist.

Für seine zu Beginn des Artikels zitieren Aussagen auf dem Bundesparteitag wurde Peter Junker wegen Volksverhetzung angezeigt. Der AfD-Gemeinderat hetzte gegen queere Personen. Sven Bäring, Vorsitzender der queeren Interessenvertretung der Bundeswehr, erstattete Strafanzeige.

Die AfD mahnte derweil die Chefin der Jungen Alternative Brandenburg ab. Eine solche Abmahnung ist laut Parteisatzung möglich, wenn ein Mitglied „gegen Grundsätze oder die Ordnung der Partei“ verstößt. Die 23-jährige Anna Leisten soll unter anderem auf Instagram ein Symbol verwendet haben, das von Rechtsextremisten gleichbedeutend für “White Power” benutzt wird. Außerdem sollte Leisten eine Rede bei einer Demonstration aus dem Umfeld der “Identitären Bewegung” halten. Nachdem die Fälle im Landesverband der Brandenburger AfD besprochen wurden, sagte Leiste den Redebeitrag ab, nahm jedoch an der Demonstration teil.

Die “Junge Alternative” (JA) in Schleswig-Holstein steht wegen eines Boxtrainings in Kritik, an dem ein rechtsextremer Schweizer der Neonazi-Gruppierung “Junge Tat” teilgenommen haben soll. Die Jugendorganisation ruft offen zur “Heimatverteidigung” durch Straßenkampf auf. Der Landeschef der JA soll in der Vergangenheit bereits Mitglied rechtsextremer Gruppen gewesen sein.

Auch in Sachen Personal hat sich einiges in der AfD getan

Heinrich Löhmann, der Vorsitzende des Notvorstandes der Bremer AfD, wurde aus der Partei ausgeschlossen. Grund sollen nicht gezahlte Mitgliedsbeiträge sein. Löhmann meint, dass das, was die Partei ihm schulde, seine ausstehenden Mitgliedsbeiträge um ein Vielfaches übersteigen würde. Notfalls will er gerichtlich gegen seinen Ausschluss vorgehen. Innerhalb der zerstrittenen Bremer AfD behaupten zwei Gruppen, der echte Vorstand zu sein. Das führte dazu, dass die AfD nicht zur Bürgerschaftswahl im Mai 2023 zugelassen wurde.

Nach Informationen von rbb24 ist Roman Reusch als Mitglied des AfD-Landesverbandes Brandenburg zurückgetreten, dem er seit 2015 als Beisitzer angehörte. Hintergrund sei der Streit um rechtsextreme Vorfälle in der Partei.

AfD-Stadträtin kündigt Austritt aus Partei an und zieht NSDAP-Vergleiche. Freia Lippold-Eggem, AfD-Stadträtin in der bayerischen Stadt Bad Kissingen, vergleich in einem Interview das Vorgehen der AfD mit dem der NSDAP im Jahr 1933 und kündigte ihren Austritt aus der Partei an. Auf die Frage, ob die AfD verboten werden müsse, sagte die 68-Jährige: “Wenn das so weitergeht, bin ich dafür“. Sie hofft, dass es noch „mehr Anständige“ gebe, die aus der Partei austreten. „Niemand braucht hinterher zusagen: Ich habe von nichts gewusst„.

Der Bundesgeneralanwalt ließ am 09. August einen Mitarbeiter der Bundeswehr wegen Verdachts der ausländischen Agententätigkeit festnehmen. Der Festgenommene soll ein Offizier sein, der intern bereits wegen seiner Sympathie für die AfD und deren Russlandpolitik aufgefallen war. Die Behörde, für die er arbeitete, ist für alle Beschaffungen der Bundeswehr zuständig – von der persönlichen Soldatenausrüstung bis zu den großen Waffensystemen. Der Verdächtige Thomas H. wurde noch am Mittwoch dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt und sitzt nun in Untersuchungshaft.

Sachsen-Anhalts AfD-Vize Hans-Thomas Tillschneider reiste nach Russland. In Moskau nahm er an Putins „Sicherheitskonferenz“ teil und verbreitete Kreml-Propaganda auf TikTok. Bereits im vorherigen Jahr reiste Tillschhneider gemeinsam mit seinem Parteikollegen Daniel Wald nach Russland, um die besetzten ukrainischen Gebiete im Donbass zu besuchen. Bereits damals gab es Rüge vom AfD-Bundesvorstand.

Das sächsische Justizministerium hat eine Disziplinarklage gegen den Richter und ehemaligen AfD-Bundestagsabgeordneten Jens Maier eingereicht. Nach Angaben des Ministeriums wird Maier die Verletzung von Dienstpflichten in seinem früheren Richteramt am Landgericht Dresden vorgeworfen. Justizministerin Katja Meier sagte, man schöpfe alle Möglichkeiten aus, um die sächsische Justiz vor Verfassungsfeinden in den eigenen Reihen zu schützen. Der Berliner AfD-Politiker Kai Borrmann hat mit einem Onlinepost über Anders Bering Breivik für Empörung gesorgt. Auf der Plattform X (ehemals Twitter) schrieb Bormann auf Breivik bezogen: „Dass er ein Mörder war, beweist ja nicht, dass er politisch falsch lag.“ Mittlerweile wurde Borrmanns Account auf der Plattform gesperrt.

Und dann war da noch der Fall des AfD-Fraktionsvorsitzende aus Augsburg, Andreas Jurca. Der war am frühen Morgen des 12.08.2023 erheblich verletzt worden und zeigte dies bei der Polizei an. Danach gab es allerdings dem AfD-nahen “Deutschlandkurier” ein YouTube-Interview, in dem er die mutmaßlichen Täter als “Südländer” bezeichnete und einen Begleiter erwähnt, mit dem er unterwegs gewesen sei – doch diesen Zeugen hat der sich bis dato geweigert, zu benennen (vgl. T-online). So steht der Verdacht im Raum, dass hier mit Halbwahrheiten Politik gemacht werden soll. Jurca selbst wurde offenbar davon überrascht, dass Journalist*innen und Polizei seine Aussagen hinterfragen. In einer Pressemitteilung, die Belltower.News vorliegt, sieht er in der Überprüfung der Fakten eine “Diskreditierungskampagen” und schreibt: „Ich habe es unterschätzt, wie das alles jetzt ist. Mich hat sogar die Bild-Zeitung angerufen. Ich will, daß die Sache jetzt runterkocht.” Die Polizei ermittelt.

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