
Niemand geringeres als der den Hitlergruß zeigenden Multimilliardär Elon Musk, gab Alice Weidel und ihrer Partei, der AfD, den Schubs ins Rampenlicht, der ihr angeblich in den deutschen Medien verwehrt bleibt. Die Welt am Sonntag wiederum gab Musk eine Plattform, um Wahlwerbung für die AfD zu platzieren. Hier äußerte er sich auch zu Weidels Privatleben. Eine Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebt und deren Partnerin eine Einwanderungsgeschichte hat. „Klingt das für Sie nach Hitler?“, fragt Musk in seinem Text.
„Alice? Who the f*** is Alice?“
Weidel trat 2013 in die AfD ein. Angeblich nach einem Streit mit ihrer Frau, da diese Weidels Wut über die Politik nicht mehr ertragen konnte und Weidel aufforderte, sich in einer Partei zu engagieren. Der Spiegel stufte diese Erzählung Weidels als urbane Legende ein, die sich gut erzählen lässt. Eine andere Erzählung könnte sein, dass Weidel in die Partei eintrat, für welche ihr Doktorvater bereits einer der Hauptzeichner der „Wahlalternative 2013“ war, aus der anschließend die AfD hervorging. Vier Jahre später, 2017, ist sie Mitglied des Deutschen Bundestags und Co-Vorsitzende ihrer Partei (seit 2021 gemeinsam mit Tino Chrupalla).
Während sie 2017 noch den Parteiausschluss Höckes unterstützte, unter anderem weil er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, stehen sie heute ideologisch und programmatisch Seite an Seite. Wie auch Höcke schon zuvor, trat Weidel 2019 bei der Sommerakademie des rechtsextremen Instituts für Staatspolitik (IfS) als Rednerin auf. Drei Jahre später wurde sie Bundessprecherin der AfD. In Weidels Vorzimmer arbeitet die wegen Volksverhetzung verurteilte Marie-Thérèse Kaiser.
Mit einem NS-Funktionär als Großvater, der als SS-Militärrichter fungierte, nimmt Weidel den Faden völkisch-rassistischer Ideologie wieder auf. Ebenfalls ihr Vater, Gerhard Weidel, ist Mitglied der AfD. Auch wenn dieser rote ideologische Faden ihrem privaten Beziehungs- und Familienmodell diametral gegenübersteht. „Wo Kinder sind, ist Familie“, versucht sich Alice Weidel von der Parteidoktrin abzugrenzen und wird dafür von Parteikollegin Wiebke Muhsal und anderen hart angegangen. Auf dem Parteitag in Riesa, im Januar 2025 wurde die Definition von Familie in das traditionell Völkische „bestehend aus Vater, Mutter, Kind“ abgeändert. All das scheint aber Weidel in Kauf zu nehmen und den Preis zahlt womöglich ihre Familie: Die Ehefrau von Weidel soll laut der NZZ ihren Freundeskreis aufgrund von politischen Positionen Weidels verloren haben. Auf demselben Parteitag warb Weidel in ihrer Rede mit dem rechtsextremen Kampfbegriff „Remigration“, hinter dem sich rassistische Deportations-Fantasien verbergen. Der Begriff wurde in Riesa auch in das Programm ihrer Partei zur anstehenden Bundestagswahl aufgenommen.
Stets wird Weidels Privatleben herangezogen, um zu beteuern, dass die AfD ja gar nicht so radikal, so rechtsextrem sein könne. Weidel lebt mit ihrer Partnerin, einer Person of Color, und zwei Kindern in der Schweiz. Das klingt nicht nach dem völkischen Leitbild, welches die AfD propagiert. Die Frage ist, ob das bei Alice Weidel eine Rolle spielen muss. Statt sich auf ihr Privatleben und ihre sexuelle Orientierung zu konzentrieren, ist es wichtiger, sich mit ihren radikalen Absichten und ihrer rassistischen Rhetorik und Machtfantasien zu befassen.
Radikalisierung als taktisches Manöver?
Der Guardian spricht von „ideologischer Flexibilität“ als Markenzeichen Weidels. Kürzlich gratulierte sie Präsident Donald Trump in den sozialen Medien „herzlich zu seiner erfolgreichen Amtseinführung“, obwohl das AfD-Manifest einen deutlich antiamerikanischen Ton anschlägt, in dem die „Interessen der USA zunehmend von denen Deutschlands abweichen“ und eine engere Bindung an Russland bevorzugt wird, zitiert der Guardian. Gleichzeitig habe sie bereits vor einem Jahr Musks Aufstieg in den „Trump-Olymp“ vorausgesehen, so die NZZ und ihm das ins Englische übersetzte AfD-Parteiprogramm geschickt. Fakt ist, sie hat sich radikalisiert.
Diese Form der Augenhöhe scheint ihr wichtig zu sein – sie als Frau hat es an die Spitze einer extrem rechten Partei geschafft. Sie sollte der rechtsextremen Partei ein harmloses Antlitz geben. Wer könnte denn in einer Frau, die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe mit einer von Rassismus betroffenen Partnerin lebt, eine Hardlinerin mit völkisch-rechtsextremen Ansichten vermuten? In einem Interview mit der rassistischen und verschwörungsideologischen Plattform NIUS, verbesserte sie den Moderator und genderte die von ihm vorgenommene Ankündigung ihrer Person, mit dem Hinweis, dass sie ja eine Frau sei. Ironisch fügt sie hinzu: „Es lebe der Feminismus“.
Alice Weidel profitiert von Schubladen und Kategorien, die auf sie angewendet werden und auf die es am Ende nicht ankommen darf. Selbstverständlich ist sie keine Feministin, unterstützt ganz im Gegenteil antifeministische und rassistische Positionen und ein queefeindliches und transfeindliches Parteiprogramm. Es sind Gleichzeitigkeiten, die sich so sehr widersprechen, dass es sich falsch anfühlt, diese Dinge zusammenzubringen. Aber Weidel reiht sich ein. Sie reiht sich ein in die Reihe von strammrechten blonden Frauen an der Spitze von rechtsextremen Parteien in Europa wie LePen und Meloni.
Fazit
In politischen Debatten müssen die Rhetorik von Alice Weidel, die damit einhergehenden Widersprüche sowie die Auswirkungen ihrer Absichten noch stärker problematisiert werden. Damit der Aufstieg von Alice Weidel aufgehalten werden kann, ist es wichtig, Aufklärung über die Gefahren von Rechtsextremismus zu betreiben. Alice Weidel und Rechtsextremismus müssen nicht nur bis zum Ende, sondern auch zusammengedacht werden. Die verbotene SA-Parole, für die ihr Kollege Björn Höcke verurteilt wurde, ist nun kokettierend umgedichtet worden, in „Alice für Deutschland“. Die sich selbst als „liberal-konservativ“ beschreibende Weidel scheint damit kein Problem zu haben und bestätigt auch hier wieder ihre strategische Radikalisierung. Mit politischen Etiketten scheint sie es nicht so ernst zu nehmen, zumindest nach außen. Umso ernster müssen wir jedoch ihre rassistische Agenda nehmen.