Ein alter Mann raunt dramatisches am Brandenburger Tor: „Sie lieben nicht dieses Land. Sie lieben nicht das deutsche Volk. (…) Sie lieben die Fremden, nicht uns. Nicht euch. Nicht die Deutschen, denen dieses Land gehört.“ Es ist die Abschlusskundgebung der „Massendemonstration“ der AfD. Der alte Mann ist Alexander Gauland, Parteivorsitzender und einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der AfD im Bundestag. Seine Kollegin, Alice Weidel, nahm gar nicht erst an der Demonstration teil.
Ähnlich apokalyptisch auch Jörg Meuthen, Europa-Parlamentarier und ebenfalls Vorsitzender: Er nennt Angela Merkel eine „Hohepriesterin des Zynismus der Macht“. Schon bei der Auftaktkundgebung auf einem Vorplatz des Hauptbahnhofes, war der Untergang des „deutschen Volkes“ greifbar: Andreas Kalbitz, Brandenburger AfD-Chef, sieht schon eine Revolution am Horizont, wenn nicht die AfD bald an die Macht käme. Für Beatrix von Storch, Bundestagsabgeordnete, ist der Islam die „Herrschaft des Bösen“. Von Storch, immerhin die Enkelin von Hitlers Finanzminister, weiß dafür aber genau, wer Deutsche*r ist und wer nicht. Mesut Özil zum Beispiel nicht, der „trotz seines deutschen Passes kein Deutscher“ sei. Özil hat den türkischen Ministerpräsidenten Erdogan getroffen und singt nicht die Nationalhymne. „Und wer kein Deutscher ist, soll auch nicht in der Nationalmannschaft spielen.“
Kurz vor der Demonstration war öffentlich geworden, dass den Rechtspopulist*innen die Mobilisierung zu ihrem Großevent nicht leicht fiel. Uwe Junge, rheinland-pfälzischer AfD-Vorsitzender hatte gar 50 Euro Demogeld für Teilnehmer_innen aus seinem Landesverband ausgelobt. Bei den Berliner Behörden war die Demonstration für 12.000 Teilnehmer*innen angemeldet worden, kommuniziert hatte die Partei lange 10.000. Guido Reil, Mitglied des Bundesvorstandes und maßgeblich Verantwortlicher, musste schließlich wenige Tage vor der Veranstaltung einräumen, dass 5.000 Teilnehmende ein „großer Erfolg“ seien.
#B2705 #Berlinca. 5.000 bei AfD Aufzug, darunter auch Sympathisierende von PEGIDA Gruppierungen, Identitärer Bewegung und anderer extrem rechter Gruppen>>>114 Fotos hier: https://t.co/lAtJ8wKjyi: pic.twitter.com/2Ac38kHYSq
— Presseservice_RN (@PresseserviceRN) 27. Mai 2018
Laut Angaben der Polizei hatten sich dann auch 5.000 Sympathisant*innen der Partei in Berlin versammelt. Darunter viele aus dem rechten bis rechtsextremen Spektrum. Immer wieder waren Symbole und T-Shirts der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ zu sehen. Manfred Rhous, ehemaliger Vorsitzender der mittlerweile aufgelösten rechtsextremen Kleinstpartei „Pro Deutschland“ war vor Ort. Teilnehmende trugen Symbole der vom Verfassungsschutz beobachteten rechtsextremen Gruppierung „Soldiers of Odin.“
Auch die NPD war vor Ort und begleitete die Demo via Twitter. Dabei ist die ideologische Nähe der Parteien nicht mehr zu leugnen. Immer wieder wurde von Teilnehmenden der bei Identitären und NPD beliebte Slogan „Heimat, Freiheit, Tradition. Multikulti Endstation“ skandiert. Und auch sonst zeigte der Aufmarsch, dass die sogenannte „Neue Rechte“ nur wenig von herkömmlichen Neonazis unterscheidet. Ein Teilnehmer reagierte mit „Arbeitslager, Arbeitslager“-Rufen auf Gegendemonstrant*innen.
Allerdings war die Situation in Berlin nun auch wirklich nicht einfach für die angstgeplagten Rechtspopulisten. In der Nähe der, womöglich wegen des fortgeschrittenen Alters vieler Teilnehmenden, sehr kurzen Demonstrationsroute, sammelten sich immer wieder große Gruppen von Gegendemonstrant*innen. 13 Bündnisse hatten zum Gegenprotest aufgerufen und diesem Aufruf kamen die Berliner*innen in Massen nach. Laut Polizeiangaben waren es „deutlich über 25.000 Menschen.“ Die Veranstalter_innen sprechen gar von 72.000.
So marschierten die AfD-Anhänger entweder durch leere Häuserschluchten im Regierungsviertel oder vorbei an Gegendemonstranten. Nichtmal die Spree konnten die Rechtpopulist*innen störungsfrei überqueren. Auf dem Wasser hatte sich eine große Boot- und Floßdemo gebildet, die Rassismus und Nationalismus etwas entgegensetzen wollte. Eine Situation, die sich auch nicht auf der Schlusskundgebung änderte. Als die AfD’ler_innen am Brandenburger Tor ankamen, wurden sie bereits von der „Glänzenden Demonstration“ auf der anderen Seite des Bauwerks empfangen, die von Theatern, Kulturschaffenden und vielen anderen organisiert worden war.
Auch die große Demo von „Aufstehen gegen Rassismus“ und dem „Berliner Bündnis gegen Rechts“ waren hier angekommen. Aus der anderen Richtung schallte der Bass der „Reclaim Club Culture“-Demo, die von über 170 Clubs und Partyveranstalter_innen unter dem Motto „AfD wegbassen“ organisiert worden war. Viele der AfD-Gegner hatten es bis direkt an die Absperrungen geschafft und gaben sich laut und ausgiebig Mühe, die Weltuntergangspropheten der AfD von ihrer Meinung abzubringen.
Nach ein paar weiteren Reden, die den kommenden Untergang des Abendlandes an die Wand malten, war auf Seiten der Rechtspopulisten schließlich auch schnell Schluss. Die AfD zog ab und überließ die Stadt endgültig wieder denjenigen Demonstrierenden, die für Menschenrechte und eine offene Gesellschaft und gegen Rassismus und Nationalismus angetreten waren.
Die AfD konnte ihre Demonstration jedenfalls durchführen und das obwohl laut „Berliner Zeitung“ einige der Teilnehmenden praktisch auf Blockaden gehofft hätten: „Sie sagten, es wäre ein Zeichen für den erodierenden Rechtsstaat gewesen, wenn es der Polizei nicht gelungen wäre, das Demonstrationsrecht zu gewährleisten.“ Das hindert Vetreter*innen der Partei aber trotzdem nicht daran, sich selbst als Opfer zu inszenieren. In der Welt der AfD sind ihre Mitglieder natürlich nichts weniger als die „neuen Juden“.
Unsäglich: Nachdem die Anzahl der Teilnehmer_innen nicht ansatzweise erreicht werden konnte, sieht der #AfD Ortsverband Bad Wildungen, Edertal, Waldeck das Problem bei „gekaperten Medien“ und Vergleicht die AfD-Anhänger_innenschaft mit den Opfern des Nationalsozialismus.#b2705 pic.twitter.com/iAXsM1IcQ4
— Recherche-& Informationsstelle Antisemitismus RIAS (@Report_Antisem) 27. Mai 2018
Die Demonstration am Sonntag dürfte ein Realitätscheck für viele AfD’ler*innen gewesen sein. Denn, egal, wie sehr man sich in den sozialen Medien als „Massenbewegung“ darstellt, am Ende sind die Rechtspopulist*innen dann doch nur eine Minderheit. Die „Widerstand“-brüllenden Rechtsextremen treffen in der Welt außerhalb ihrer Filterblasen auf echten, zivilgesellschaftlichen Widerstand, der Rassismus und Nationalismus klar, laut und deutlich benennt. Die „deutlich mehr als 25.000“ Berliner_innen und Gäste haben das eindrücklich klargemacht. Denn selbst auf ihrem Heimweg schallte es den AfD-Fans im Hauptbahnhof und am Bahnhof in der Friedrichstraße noch lautstark entgegen: “Ganz Berlin hasst die AfD!”
Immer wieder, wenn von der Bühne Björn Höcke erwähnt wurde, der selbst nicht zugegen war, donnerten “Höcke, Höcke, Höcke”-Rufe über den Platz. KA
Auch Lars Steinke (links), Vorsitzender der „Jungen Alternative Niedersachsen“ sowie Mitarbeiter der AfD-Landtagsfraktion in Hannover war mit dabei und gab den Teilnehmenden per Megaphon Anweisungen. Steinke hegt engen Kontakt zur „Identitären Bewegung“ und war im rechten Troll-Netzwerk „Reconquista Germanica“ .
Hans-Thomas Tillschneider ist Abgeordneter der AfD im Landtag von Sachsen-Anhalt. Er hat sein Büro im Haus des IB-Ablegers in Halle. Er ist Kopf der „Patriotischen Plattform“, einem Verein von Mitgliedern des völkisch-nationalistischen rechtsaußen-Flügels der AfD. Medienberichten zufolge haben einige Verfassungsschutzbehörden Mitglieder des Vereins im Visier. Der Verfassungsschutz Sachsen-Anhalt schätzte die „Patriotische Plattform“ 2017 als „extrem rechte Gruppierung innerhalb der AfD“ ein. KA
Am Rande der Demo kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizisten und Gegendemonstrant*innen. Die Polizei setzte unter anderem Pfefferspray ein. KA
Während des „Zukunft Deutschland“-Marsches warfen Personen eine dunkle Flüssigkeit offenbar von einer Brücke aus auf AfD-Fans. Diese Form des Protestes hilft der AfD lediglich dabei das Bild der gewaltbereiten „Antifa“ weiter aufzubauen. KA
Auch Sven Liebich durfte in Berlin nicht fehlen. Auf seinem hetzerischen Blog „Halle-Leaks“ schreibt er nach der Farb-Attacke von der Brücke: „Menschenverachtende Linke: Versuchter Holocaust an AfD-Demonstranten“ . KA
Ein überaus aggressiver AfD-Fan der immer wieder von Ordnern ermahnt wurde
Auch der Fake-Pastor Hubertus Groppe war mit dabei. KA
Als die Gegendemonstrant*innen rufen „Ihr habt den Krieg verloren“ grölt ein AfDler zurück: „Den nächsten werden wir dafür gewinnen“. KA
Nach Beendigung der Demonstration kam es am Bahnhof Friedrichstraße in einem Zug zu einer Auseinandersetzung zwischen AfDlern und Personen im Zug. Ein AfDler forderte daraufhin die umstehenden Polizist*innen dazu auf, in das Abteil zu gehen und die Kontrahenten herauszuziehen und zu verhaften. Dei Polizei zog daraufhin gewaltsamm mehrere Personen aus dem Abteil.
KA