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AfD-Landrat Wie reagieren rechts-alternative Akteure?

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Frank Franz, Vorsitzender der rechtsextremen NPD (jetzt "Die Heimat") schickt Glückwünsche nach Sonneberg. (Quelle: Wikipedia, Screenshot, BTN)

Björn Höcke singt „We are the Champions“, Holocaustleugner Nikolai Nerling springt durch ein Meer blauer Luftballons und das rechtsextreme Compact-Magazin begleitet das Geschehen mit einem Livestream. Gefeiert wird die Wahl von Robert Sesselmann (AfD) zum Landrat in Sonneberg. Zuvor am AfD-Stand sagen zwei Männer, in AfD-Merch gekleidet, zum sogenannten „Volkslehrer“, dem mehrfach verurteilen Holocaustleugner Nikolai Nerling, dass sie keine Nazis kennen würden. Parallel dazu im Internet, im Telegram-Kanal von Neonazi Nerling, ist die Stimmung nicht ganz so harmonisch. In der Kommentarspalte wird unter anderem über den richtigen Gebrauch des Begriffs „Germanen“ gestritten. Der sei von den Römern auferlegt worden und deshalb unpassend, heißt es. Ein anderer User, der stolz von sich schreibt, immer NPD gewählt zu haben, verweist empört auf die internationale Popularität des Wortes „Germanen“. Da könne man sich ja gleich noch streiten, ob Nazis „Teutschland“ statt „Deutschland“ sagen sollten, so der NPD-Fan.  Das ist also diese Sprachdiktatur, die das rechts-alternative Milieu überall wittert. Andere drücken Sesselmann wahlweise die Daumen – oder fühlen sich vom „Volkslehrer“ verraten. Sie werfen ihm vor, dass er mit der AfD zusammenarbeite. Accounts, die der souveränistischen Reichsbürger-Ideologie zuzuordnen sind, sehen in der AfD nämlich eine „gesteuerte“ Partei.

Von „Säuberung“ bis „Ausbürgerung“

Das Gesicht der rechtsextremen „Freien Sachsen“, Neonazi Michael Brück, gratuliert der AfD auf seinen Kanälen und gibt Sesselmann konkrete Handlungsanweisungen. Er schwadroniert davon, dass jetzt damit begonnen werden müsse „die Helfer der Täterparteien“ aus den Verwaltungen und den „unteren Ebenen“ zu entfernen. Ganz offen spricht er von „Säuberungen“. Währenddessen träumt ein AfD-Bundestagsabgeordneter auf Twitter von einer Asylpolitik, die letztlich in „Ausbürgerung“ münden solle.

 

Höcke Huldigung aus Schnellroda

Götz Kubitschek, federführender „Intellektueller“ der sogenannten „neuen“ Rechten, kommentiert die Ereignisse auf seinem Blog mit einem pathetischen Erguss über den rechtsextremen Björn Höcke. Den ganzen Tag sei er mit ihm in Kontakt gestanden. Zwischen zwei Welten lebe man, in der einen, in Würzburg, werde Höcke mit Eiern beworfen, in der anderen, Sonneberg, singt er „We are the Champions“. Dass Kubitschek Björn Höcke als Lichtgestalt inszeniert, die wisse, „wie man es macht“, ist kein Wunder. Das gesichert rechtsextreme „Institut für Staatspolitik“ (IfS) in Schnellroda ist ein wichtiger ideologischer Bezugspunkt für den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden. Die rechtsextreme Kampagnenagentur „EinProzent“, die ebenso zum Kubitschek Netzwerk gehört, twittert von der Wahl als  „Zäsur“.

In der rechtskonservativen Ecke des Internets, zum Beispiel bei „Achtung Reichelt!“, kommentiert der Ex-Bild-Chef die Wahl mit einem Video über die „historisch verheerendsten Augenblicken in der Geschichte der CDU“. Reichelts Narrativ bedient die Erzählung von einer vermeintlich linken und grünen Politik der CDU, die dazu führe, dass die AfD die CDU überhole.  Angefangen mit der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel, landet er bei einer „Merkel-treuen Elite“. Dabei greift er tief in die Kulturkampf-Kiste und twittert, dass die CDU mit „Muezzinrufen und Meldestellen nix gewinnen wird“. Vor dem Hintergrund, dass sich die Union aktuell immer weiter rechts positioniert, eine umso realitätsfernere „Analyse“.  Reichelt gibt sich auf seiner rechts-alternativen Medienplattform, die regelmäßig Weltuntergangsfantasien beschwört, als großer Versteher der sogenannten empörten Bürger*innen.

Junge Union gratuliert 

Die örtliche Parteijugend der CDU Sonneberg, die „Junge Union“, scheint das Wahlergebnis nicht allzu eng zu sehen. In einem mittlerweile gelöschten Tweet gratuliert die JU Sonneberg dem frisch gebackenen AfD Landrat. „Ideologie und Wahlkampfrhetorik“ beiseite und für den Landkreis einstehen, empfehlen sie. Die „Schuld“ für den Wahlausgang sehen sie in „Berlin“. Eine Chiffre für die Ampelkoalition, die auch der Landratskandidat der CDU in Sonneberg für den Wahlausgang verantwortlich macht.

Insgesamt zeigen die Reaktionen in der rechtsextremen Szene und den rechts-alternativen Medien, dass, wenn auch aus unterschiedlicher Motivation heraus, die Grenzen zwischen beispielsweise klassischen Neonazis wie Michael Brück, Szene-Aktivisten wie dem „Volkslehrer“  und der AfD immer mehr verschwimmen.

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