Im Oktober 2018 steht Andreas Winhart, AfD-Landtagskandidat in Bayern, auf der Bühne einer Wahlkampfveranstaltung in Willing bei Bad Aibling. Er hält eine Rede und fordert: „Ich möchte wissen, wenn mich in der Nachbarschaft ein N**** anküsst oder anhustet, dann muss ich wissen, ist der krank oder ist er nicht krank“, er erntet Applaus. Winhart nutzt das N-Wort und macht Asylbewerber:innen für einen angeblichen Anstieg bei Krankheiten wie HIV, Krätze und Tuberkulose verantwortlich. Wer wolle, „dass Albaner und Kosovaren bei uns demnächst die Altenpflege betreiben. Wer von ihnen eine Albaner-Gruppe bei sich zu Hause pflegend haben will und ihnen die Bude ausräumt, der wählt die CDU.“ Winhart rief in der Rede zudem indirekt zum Mord an Flüchtlingen auf. Durch einen Einzug in den Landtag hätte die AfD die Chance, „Angela Merkel in den Ruhestand zu schicken und die Soros-Flotte mit den ganzen Rettungsbooten im Mittelmeer zu versenken.“ Neben ihm auf der Bühne sitzt AfD-Vorsitzende Alice Weidel.
Videomitschnitte der Veranstaltung sorgten damals zu Recht für Empörung. Auch die Entertainerin Enissa Amani konnte es wohl nicht fassen, was dieser AfD-Politiker hier öffentlich sagt. Im März 2019 hatte die deutsch-iranische Entertainerin einen Ausschnitt aus seiner Rede des bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten gepostet.
Der AfD-Politiker hat „Recht auf polemische Zuspitzung und zur bewussten Provokation“
In einem wütenden Video-Kommentar ließ sich Amani über den Politiker aus, bezeichnete ihn indirekt als „Idiot“ und „Bastard“, der „weggesperrt“ gehöre. Sie empfand, wie viele andere auch, Winharts Worte als „Volkshetze“, die juristisch belangt werden müsse. Die oberbayerische Staatsanwaltschaft Traunstein hingegen befand, dass Äußerungen im politischen Meinungskampf besonderen Schutz genießen und Winharts Aussagen daher nicht unter den Straftatbestand der Volksverhetzung fallen. „Insoweit besteht das Recht auf polemische Zuspitzung und zur bewussten Provokation“, so die Staatsanwaltschaft.
Hingegen bekam es die 37-Jährige ihrerseits mit der Justiz zu tun. „Von der Aussage ‚Bastard Andreas Winhart‘ fühle ich mich persönlich beleidigt, was nun die Staatsanwaltschaft Traunstein verfolgt“, sagte Winhart damals zur Welt. Er erstatte Anzeige wegen Beleidigung. „Frau Amani behauptet in Ihren Videos beweislich falsche Aussagen. Daher sehe ich mich gezwungen, dagegen vorzugehen“, so Winhart.
Amani will die Geldstrafe aus Prinzip nicht zahlen
Der Comedy-Frau Amani drohen nun 40 Tage Haft oder 1.800 Euro Geldstrafe. Ihr gestand das Gericht offenbar nicht das Recht „auf polemische Zuspitzung und bewusste Provokation“ zu. Doch sie weigert sich, das Geld zu zahlen. Nicht aus mangelnder Einsicht, sondern als Protest, wie sie klarstellt: „Weil ich es nicht verstehen kann, dass in Deutschland 2021 ein Politiker mit einer solchen menschenverachtenden Aussage straffrei davon kommt und meine Weigerung ein Protest ist.“
Dass sie Winhart beleidigt habe, sieht sie ein, auch dass sie dafür eine Strafe verdiene. „Aber ich werde diese Geldstrafe nicht zahlen, denn Herr Winhart ist für seine herabwürdigende Hetze straffrei davongekommen. Das halte ich für zutiefst ungerecht“, erklärt sich Amani gegenüber T-Online. Sie sei sogar bereit ins Gefängnis zu gehen. Es gehe hier um eine größere Sache, „um die Frage, wie in unserem Land Recht gesprochen wird.“ Ihre aus dem Iran stammende Familie habe jedoch große Angst davor, dass Amani ins Gefängnis gehen sollte. Und auch viele ihrer Fans bitten sie nun inständig darum, doch die Geldstrafe zu zahlen. Der rechte Mob jubelt hingegen schon und hofft, dass Amani ihre Gefängnisstrafe antreten wird.
Gewinner ist in jedem Fall die AfD
Genau wie zahlreiche andere überwiegend weibliche PoC, die sich offen gegen Rassismus engagieren, steht auch Amani oft im Mittelpunkt rassistischer Hass-Kampagnen. Wegen zahlreicher bedrohlicher Nachrichten auf Social Media musste sie gar ihren Wohnort wechseln. Das Frauenbild der extremen Rechten duldet keine kämpferischen Frauen, sondern will sie in rückständige Rollen drängen. Durch ihre steten Angriffe wollen sie laute antirassistische Personen aus dem Debattenraum drängen, sie wollen sie mundtot machen. Sie können es nicht aushalten, dass eine iranische Deutsche nicht müde wird, den innergesellschaftlichen Rassismus anzuprangern. Wenn Enissa Amani sich nun dafür entscheidet, die Gefängnisstrafe anzutreten, wird es nur eine Gewinnerin geben: die AfD. Die hämischen Kommentare können wir uns schon gut vorstellen.