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AfD Parteiausschluss? Gern als Taktik

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Böser Björn: Der AfD-Bundesvorstand droht mit Maßnahmen - hier als Pressemitteilung auf der Internetseite der AfD. Das ist Björn Höcke schon öfter passiert, ohne das etwas passiert wäre. (Quelle: Screenshot 23.01.2017)

Diese Strategie kommt bekannt vor: Bei offenkundig demokratie- oder menschenfeindlichen Ausfällen von Parteimitgliedern wird zunächst mit Sanktionen gedroht. Nach ein paar oder ein paar mehr Monaten verbleiben die Missetäter dann aber doch mehr oder weniger unsanktioniert in der Partei. Allein Björn Höcke soll nun schon das dritte Mal beinahe aus der AfD ausgeschlossen werden. Wer noch? 

Update 14.02.2017:

Der AfD-Bundesvorstand will nun doch ein Parteiausschlussverfahren gegen den umstrittenen Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke einleiten. Auf Facebook veröffentlichte die AfD den Beschluss im Wortlaut: „Der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland hat in seiner heutigen Telefonkonferenz mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit ein Parteiausschlussverfahren gegen den thüringischen AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke beschlossen.“ Die Maßnahme erfolge nach eingehender juristischer Prüfung und politischer Bewertung der Rede Höckes vom 17. Januar 2017 in Dresden, erklärte die AfD. Nun entscheidet in erster Instanz des Landesschiedsgericht der AfD Thüringen, dann das Bundesschiedsgericht – in beiden genießt Höcke großen Rückhalt (Tagesspiegel).

 

Jan-Ulrich Weiß, Kreisvorsitzender der AfD Uckermark und beinahe Mitglieder der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag

Was?

Postet auf Facebook 2014 eine antisemitische Karikatur („Hallo, mein Name ist Jacob Rothschild (…) Wir haben weltweit so gut wie jede Zentralbank im Besitz. Wir finanzieren immer beide Seiten von jedem Krieg, schon seit Napoleon. Wir steuern deine Nachrichten, Medien, Öl und Deine Regierung (…)“ (vgl. ngn); begründet später vor Gericht: Kein Antisemit, der Mann seiner Cousine sei sogar Jude!  Er habe die Collage doch nur auf Facebook geteilt: „Ich wollte damit das Großkapital kritisieren, das die Weltpolitik beherrscht“, sagte Weiß (und greift damit erneut auf einen klassischen antisemitischen Verschwörungs-Topos zurück.)

Reaktion der Partei?

Step 1: AfD-Brandenburg-Chef Alexander Gauland wertet die Karikatur als antisemitisch („Das ist „Stürmer“-Niveau. Das dulden wir nicht“) und nimmt ihn nicht in die AfD-Landtagsfraktion auf  (September 2014). Außerdem beantragt er ein Parteiausschlussverfahren.

Step 2: Das AfD-Landesschiedsgericht weist den Antrag auf Ausschluss ab (Dezember 2014),  das AfD-Bundesschiedsgericht folgt diese Ansicht im September 2015.

Außerdem: Im Juni 2016 spricht das Amtsgericht Prenzlau Weiß vom Vorwurf der Volksverhetzung frei (Spiegel Online). 

 

Wolfgang Gedeon, AfD-Abgeordneter im Landtag Baden-Württemberg

Was? 

Veröffentlicht 2012 ein Buch mit antisemitischem Inhalt; unter anderem bagatellisiert er die Schoa als »gewisse Schandtaten« und bezeichnet Neonazis wie Horst Mahler, Ernst Zündel und David Irving als »Dissidenten«; nennt den Holocaust eine „Zivilreligion des Westens“ und lobt das antisemitische Pamphlet „Die Protokolle der Weisen von Zion“ – nicht ohne zu bezweifeln, dass es sich um eine Fälschung handelt (vgl. ngn).

Reaktion der Partei?

Step 1: Will erst im Juni 2016 von der Publikation erfahren haben. AfD-Fraktionsvorsitzender Jörg Meuthen: „Beim Antisemitismus verfolgen wir eine Null-Toleranz-Politik“. Dabei weiß zumindest er seit 2013 von den Inhalten  (vgl. ngn). Der Fraktionsvorstand der AfD B-W beschließt, den Ausschluss ihres Mitglieds Wolfgang Gedeon aus der baden-württembergischen Landtagsfraktion wegen dessen antisemitischer Äußerunge zu beantragen. Die Mehrheit der Fraktion stimmt für den Antrag. AfD-Chef Jörg Meuthen droht seiner Stuttgarter Fraktion mit Rücktritt im Fall Gedeon, also falls dieser nicht ausgeschlossen wird (10.06.2016, TagesspiegelFAZ). Die AfD-Bundesspitze ist uneins über einen möglichen Parteiausschluss. Frauke Petry wirft Meuthen vor, die Fraktion zu spalten. Die Fraktion spaltet sich. Weil sich die Fraktion nicht auf einen Ausschluss Gedeons (nur aus der Fraktion) einigen kann, verlassen Fraktionschef Meuthen und zwölf weitere Abgeordnete daraufhin die Fraktion (heute.de).

Step 2: Es gibt nun zwei AfD-Fraktionen. Gedeon bleibt AfD-Parteimitglied, lässt seine Mitgliedschaft in der baden-württembergischen Landtagsfraktion ruhen, um eine Spaltung der Partei abwenden (FAZ, 21.06.2016). Im Oktober 2016 vereinen sich die beiden AfD-Fraktionen wieder (vgl. ngn).

 

Dubravko Mandic, AfD Baden-Württemberg, Jurist und Vizevorsitzender des baden-württembergischen AfD-Landesschiedsgerichts 

Was (1)?

bezeichnet den damaligen US-Präsidenten Barack Obama 2014 in einem Internet-Chat als „Quoten-N****“. 

Reaktion der Partei?

Ende 2014 wird ein Parteiausschlussverfahren eingeleitet, dass im Sande verläuft (vgl. BZ).

Was (3)?

Oktober 2016: Polizeiliche Ermittlungen wegen einer Collage auf Facebook: Mandic postet ein Schwarz-weiß-Bild des Kriegsverbrecherprozesses von Nürnberg auf seiner Facebook-Seite; darin sind die Köpfe der 1945/46 von den Alliierten angeklagten NS-Größen durch die Konterfeis heutiger Politiker ersetzt. Eine mehr oder weniger subtile Botschaft, schließlich waren in dem damaligen Verfahren zwölf Todesurteile verhängt worden. Die Gesichter von Nazi-Politikern wie Hermann Göring und Adolf Hitlers Stellvertreter Rudolf Heß hatte Mandic im Bild mit Aufnahmen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und von Bundespräsident Joachim Gauck ersetzt (vgl. Spiegel online).

Reaktion der Partei?

Der Sprecher des AfD-Landesverbandes, Markus Frohnmaier, sprach von „polemisch-satirisch überspitzte Kritik“; die polizeiliche Durchsuchung bei Mandic sei ein Eingriff in die Meinungsfreiheit, er solle so „mundtot“ gemacht werden (vgl. Spiegel Online). Allerdings fällt Mandic bei der Wahl des Direktkandidaten seines Wahlkreises für die Bundestagswahl durch (BZ).

 

AfD Landesverband Saar

Was?

Saarländische AfD-Spitzenfunktionäre, darunter Landesvorsitzender Josef Dörr und sein Stellvertreter Lutz Hecker suchten per E-Mail und SMS gezielt Kontakt zu rechtsextremen Gruppierungen; außerdem gab es Klüngelei in der Parteiführung (vgl. stern)

Reaktion der Partei?

Der AfD-Bundesvorstand beantragt zu Ostern 2016 die Auflösung des AfD-Landesverbandes Saar (vgl. Spiegel Online); es bestünden „erhebliche Zweifel an der Integrität von maßgeblichen Teilen des Landesvorstandes.“ Im Oktober 2016 entscheidet das AfD-Bundesschiedsgericht, der AfD-Landesverband Saar werde nicht aufgelöst. Die Vorwürft träfen zwar „in weiten Teilen zu, eine Auflösung des Landesverbandes sei aber „nicht verhältnismäßig“ (vgl. FAZstern).

Rudolf Müller, Platz 1 der Landesliste der AfD Saar für die Landtagswahl 2017, kommentiert den Versuch den Landesverband aufzulösen: „wie wenn ich in einer Stadt zwei böse Buben vermute und dann eine Atombombe darauf werfe“. Gegen Müller wird aktuell polizeilich ermittelt, weil er in seinem Antiquitätengeschäft in Saarbrücken Orden der Nationalsozialisten feilgeboten haben soll, ohne die darauf sichtbaren Hakenkreuze abzudecken (vgl. FAZ; vgl. BNR).

 

Björn Höcke, Landesvorsitzender und Fraktionsvorsitzender der AfD Thüringen

Was (1)?

Mai 2015: Björn Höcke sagt im Interview mit der Thüringer Allgemeinen, er gehe nicht davon aus, „dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann“.  

Reaktion der Partei (1)?

Step 1: Der damalige Bundessprecher Bernd Lucke fordert Höcke auf, seine Ämter niederzulegen. Der AfD-Bundesvorstand beschließt mehrheitlich ein Amtsenthebungsverfahren gegen Höcke. Das Landesschiedsgericht der Partei in Thüringen sei ersucht worden, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Höcke, der auch Fraktionschef im Thüringer Landtag ist, einzuleiten. Darüber hinaus solle Höcke zwei Jahre lang kein politisches Amt in der AfD ausüben dürfen (vgl. ZEIT).

Step 2: Bernd Lucke tritt aus der AfD aus, mit ihm viele seiner Anhänger_innen. Der neue Bundesvorstand verfolgt die Pläne nicht weiter, im September 2015 wird das Verfahren offiziell für beendet erklärt.

Was (2)?

November 2015: Rede bei einer Tagung des neurechten „Instituts für Staatspolitik“. Höckes Theorie: Die Evolution habe Afrika und Europa unterschiedliche „Reproduktionsstrategien beschert“. Der „lebensbejahende afrikanische Ausbreitungstyp“ treffe in Europa auf den „selbstverneinenden europäischen Platzhaltertyp“. Wenn Deutschland Flüchtlinge bereitwillig aufnehme, werde sich am „Reproduktionsverhalten der Afrikaner nichts ändern“. „Die Länder Afrikas, sie brauchen die deutsche Grenze, sie brauchen die europäische Grenze, um zu einer ökologisch nachhaltigen Bevölkerungspolitik zu finden“, so Höcke.

Reaktion der Partei (2)?

Step 1: Scharfe Kritik des nordrhein-westfälischen AfD-Vorsitzenden Marcus Pretzell auf Facebook: Die Äußerungen Höckes seien „grober Unfug“. Jörg Meuthen, AfD Bundesvorstand: „Seine Ausführungen sind sachlich unsinnig, entbehren wissenschaftlicher Substanz und laden zu Fehldeutungen als rassistische Aussagen geradezu ein.“ Sie seien eine „politische Torheit“. Höcke selbst übrigens bedauerte schon 2015, wenn seine Aussagen „zu Fehldeutungen geführt“ hätten. (Tagesspiegel). 

Step 2: Ein Parteiausschluss wird diskutiert – stattdessen gibt es eine Rüge (vgl n-tv).

 

 

Noch offene Parteiausschluss-Verfahren:

 

Kay Nerstheimer, AfD Berlin: wird wegen rechtsextremer, islamfeindlicher, homofeindlicher Postings nach seine Wahl ins Abgeordnetenhaus von Berlin nicht in die AfD-Fraktion aufgenommen (vgl. FAZ, ngn). Ein Partei-Ausschlussverfahren läuft (Berliner Morgenpost).Markus Mohr, AfD NRW: Der Aachener AfD-Ratsherr schließt sich mit dem ehemaligen Pro-NRW-Politiker Wolfgang Palm zu einer Ratsgruppe zusammen, obwohl die AfD NRW zuvor explizit formuliert hatte, dass sie u.a. nicht mit den „Pro“-Parteien zusammenarbeiten wolle. Der AfD-Landesvorstand leitet ein Parteiausschlussverfahren gegen Mohr ein, das AfD-Landesschiedsgericht schließt Mohr aus. Dieser legt Berufung beim Bundesschiedsgericht ein. Dieses Verfahren läuft noch. So lange ist er weiter AfD-Mitglied und agiert als AfD-Ratsherr in Aachen (vgl. Aachener Zeitunglap-aachen.de).

 

Ursprünglich veröffentlicht am 23.01.2017

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