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AfD Rechtsextremismus-Verdachtsfall im Höhenflug

Umfragen sehen die AfD bundesweit als drittstärkste Partei, mehrere Prozentpunkte vor den Grünen. Bei den Landtagswahlen 2024 in ostdeutschen Bundesländern wird die Partei voraussichtlich zur stärksten Kraft. Ein Erklärungsversuch.

 
Die AfD punktet unter anderem mit eindeutig pro-russischer Haltung. (Quelle: BTN)

Seit Sommer 2022 steigen die Umfragewerte der AfD kontinuierlich. Bei den Bundestagswahlen 2021 und bei Landtagswahlen im Westen hatte die Partei vorher einige Prozentpunkte eingebüßt. Doch dieser Abwärtstrend ist vorbei. In aktuellen Umfragen im Mai 2023 liegt die Partei jetzt deutlich vor den Grünen. Und auch andere Umfragen sind besorgniserregend. Mittlerweile ist für einen größeren Teil der Befragten die Partei, die dem Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall gilt, grundsätzlich wählbar geworden. Die Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg und Sachsen, die im Herbst 2024 stattfinden, werden voraussichtlich ihr nächster großer Erfolg.

Am 31. Mai 2023 veröffentlicht das Umfrageinstitut Insa neue Daten zur Bundestagswahl. Demnach liegt die AfD aktuell bei 18,5 Prozent und erreicht damit acht Prozentpunkte mehr als bei der Bundestagswahl 2021. Damit liegt die Partei fünf Prozentpunkte vor den Grünen, die nur noch auf 13 Prozent kommen und damit im Vergleich zur letzten Wahl fast zwei Prozent verlieren. Damit wäre die Partei drittstärkste Kraft nach CDU/CSU (28 Prozent) und SPD (20,5 Prozent). Zwar wird dem Meinungsforschungsinstitut eine gewisse Nähe zur AfD nachgesagt, aber auch andere Umfragen sehen die Partei weit vorne. In einer FORSA-Umfrage vom 30. Mai liegt die AfD bei 17 Prozent. In dieser Umfrage ist der Abstand zur SPD sogar noch geringer, die hier nur 18 Prozent erreicht. Und auch das Politbarometer des ZDF sieht die AfD bei 17 Prozent, vor den Grünen mit 16 Prozent und hinter der SPD mit 20 Prozent.

Die Prognosen für die Landtagswahlen 2024 sehen noch weitaus düsterer aus. In Brandenburg wird im September 2024 gewählt. Infratest dimap prognostiziert aktuell ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen SPD (22 Prozent), CDU (23 Prozent) und AfD (22 Prozent).  In Sachen, hier wird im Sommer 2024 gewählt, liegt die Rechtsaußen-Partei dagegen vorne. 28 Prozent wollen AfD wählen, 25 Prozent CDU, 12 Prozent SPD. Alle anderen Parteien bewegen sich im einstelligen Bereich. Noch dramatischer sieht die Lage in Thüringen aus. Bei der Landtagswahl im Herbst 2024 könnte die AfD mit 28 Prozent mit Abstand zur stärksten Partei werden, gefolgt von der Linken (22 Prozent) und CDU (21 Prozent).

Die guten Ergebnisse der Partei deuten auf eine wachsende Wähler*innengruppe hin, die kein Problem mit antiwestlicher Propaganda und rechtsextremer Ideologie zu haben scheint. Zwar skandalisierten Medien und demokratische Parteien den Besuch von AfD-Chef Tino Chrupalla und Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland in der russischen Botschaft anlässlich des 9. Mais, dem Tag des Sieges über den Nationalsozialismus. Doch in der Wähler*innengunst scheint sich diese Empörung nicht niederzuschlagen. Dabei war der Besuch und das Geschenk, das Chrupalla dem russischen Botschafter überreicht hatte, auch in der Fraktion nicht nur auf Beifall getroffen. Drei Abgeordnete hatten eine Debatte in der Fraktionssitzung beantragt, allerdings nicht, weil der Fraktionsvorsitzende mit den Verursacher*innen eines Angriffskrieges angestoßen hatte: „Das unkritische Feiern der eigenen Niederlage kann kein positives Geschichtsverständnis und damit ein gesundes nationales Selbstverständnis begründen“, heißt es in dem Antrag, der es schlussendlich nicht auf die Tagesordnung schaffte. Genau sowenig hat die Verfassungsschutz-Einstufung der JA, der Jugendorganisation der AfD, als „gesichert rechtsextrem“ offenbar Einfluss auf Wähler*innen.

Der Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje widmet dem Höhenflug der AfD auf Twitter einen ausführlichen Thread und macht neben populistischer Berichterstattung von Bild und Co auch die mangelhafte Kommunikation der Regierungsparteien als einen Grund aus. Doch auch die Anbiederung von CDU und insbesondere CSU an rechtspopulistische Diskurse könnten Gründe sein.

Dabei hat sich schon in vorherigen Wahlen gezeigt, dass die konservativen Parteien nur selten mit diesen Strategien punkten können. Stattdessen werden die Rechtsaußen-Positionen der AfD so weiter normalisiert und die Partei gewinnt Stimmen.

Wie sich das niederschlägt, zeigt eine andere Umfrage von Insa, im Auftrag von Bild. Demnach schrumpft der Bevölkerungsanteil, der grundsätzlich ausschließt, AfD zu wählen, seit einigen Monaten rapide. Nur noch 53,9 Prozent würden ihre Stimme unter keinen Umständen an die Rechtsradikalen geben. Im Dezember 2022 lag der Anteil noch bei 60 Prozent. Die Forscher*innen machen ein mögliches Potenzial von mehr als 20 Prozent für die Partei aus. Die AfD und damit auch ihre menschenverachtenden Ideologien und Positionen normalisieren sich immer weiter. Gefragt wurde auch, ob die Rechtsaußen-Partei für „eine normale demokratische Partei“ gehalten werde oder ob Zweifel an dieser Aussage bestünden. 2016 glaubten das nur 17 Prozent der Befragten. 68 Prozent hatten Zweifel. Mittlerweile sieht das anders aus. Zweifel haben nur noch 60 Prozent. 27 Prozent halten die AfD mittlerweile für normal und demokratisch.

Je stärker konservative Parteien mit Positionen der AfD liebäugeln, je öfter – wenn auch bisher nur auf kommunaler Ebene – CDU und AfD gemeinsam abstimmen, desto stärker und desto normalisierter wird die Rechtsaußen-Partei. Besonders die kommenden Landtagswahlen und die folgenden Regierungsbildungen, aber auch die aktuellen Debatten rund um das Heizungsgesetz und Geflüchtete dürfen nicht dazu führen, dass rechtsextreme Positionen zur Selbstverständlichkeit in Deutschland werden.

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