Während Linke und Mitte debattieren, WIE weit rechtsaußen die AfD nun steht, streiten die Rechtsextremen mächtig darüber, ob die AfD auch nur eine “System-Partei” und auf keinen Fall wählbar ist oder ob sie momentan wahrhaftig die einzige Alternative für Nationalisten ist.
In einem Facebook-Post bekennt sich Tommy Frenck, NPDler, Südthüringer Neonazi-Größe und Rechtsrock-Konzertveranstalter, dazu, dieses Jahr bei der Bundestagswahl die AfD zu wählen. Zwar spiegele die AfD seine Ansichten nicht zu 100% wieder – das schaffe die NPD aber auch nicht. Und während die NPD mit Sicherheit nicht einmal die 5%-Hürde knacken werde, steige mit jeder zusätzlichen Stimme für die AfD “die Wahrscheinlichkeit, dass einer der etablierten Versager raus fliegt. Und nicht nur das. Jeder der raus fliegt verliert auch sein Wahlkreisbüro mit den Mitarbeitern.” Das scheint Tommy Frenck wichtiger zu sein, als linientreu zu bleiben und NPD zu wählen. Mehrheitsfähig war diese Meinung unter den Kameraden nicht. Interessant auch, dass Frenck den Post inzwischen gelöscht hat. (Mehr dazu auf bnr.de)
Die NPD ist sich der Konkurrenz durch die AfD durchaus bewusst. Sie versucht daher, um die Wähler aus dem rechtspopulistischen bis rechtsextremen Spektrum zu buhlen. Das sieht dann zum Beispiel so aus:
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Unter diesem Posting entbrandete aber auch gleich eine Diskussion zwischen geradlinigen NPDlern, für die die AfD definitiv keine Alternative zu den etablierten Parteien ist, und AfD-Sympathisanten, die im Streit zwischen NPD und AfD nur Spaltung sehen.
Wer ist nun die “System-Partei”?
Schön, dass dabei dieselben Vorwürfe unterschiedlich aufgeladen werden. Wie etwa der Vorwurf, eine “System-Partei” zu sein.Die einen sagen nämlich: die AfD ist eigentlich selbst eine “System-Partei”, weil sie schon fast genauso etabliert ist, wie die anderen Parteien und sich ihr Programm mit dem der CDU überschneidet.Die anderen sagen: die NPD ist eine “System-Partei”, weil sie “auf den Anti AfD Zug aufspringt” und nur “was vom Kuchen abhaben” will, anstatt das Beste für Volk und Vaterland zu wollen.
So wird der NPD zum Beispiel vorgeworfen, “viel zu egoistisch” zu sein: “die NPD schafft keine 5%. Wenn ihr wirklich Veränderung wollt..dann motiviert besser die Wähler blau zu wählen für eine bessere Opposition. Aber euch geht’s nicht darum hier was zum positiven zu verändern sondern was vom Kuchen abhaben zu wollen….” Dafür erntet dieser Facebook-User viel Zustimmung.
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Doch das Kuchen-Argument wird gerne auch umgekehrt. Ein anderer Facebook-User dreht den Spieß einfach um und beschreibt die AfD als “ein Sammelbecken für ehemalige CDU- Politiker, die eben ein Stück vom Kuchen abbekommen wollen”. Weiter schreibt er: “Wer wirkliche Veränderung will, darf nicht mit den selbstherrlichen, angeblich demokratischen Altparteien kuscheln!!!” Damit kann man ihn wohl zu den NPD-Wählern zählen.
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Es mischen sich aber auch einige AfDler in die Diskussion ein und versuchen, an die Einigkeit der Nationalisten zu appellieren, um sie zum AfD-Wählen zu überzeugen. Sie ernten jedoch auch wieder Widerspruch. Es ist also ein ziemliches Hin und Her mit viel Mimimi und Schuldzuweisungen. Fast schon unterhaltsam.
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Manch einer versucht, schlichtend einzugreifen und es so darzustellen, dass – früher oder später – alle was vom Kuchen abhaben können.
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Screenshot Facebook (21.09.2017)
Wahlkampf im Real Life
Auch außerhalb von Facebook ist die NPD darum bemüht, sich von der AfD abzugrenzen. “Uns geht es darum, dass auch nationalistische Meinungen durchaus salonfähig sein können”, sagt Frank Franz, Vorsitzender der NPD, eine Woche vor der Bundestagswahl auf einer nur spärlich besuchten Wahlkampfveranstaltung in Königs-Wusterhausen. Genau dies hat wohl die AfD in den vergangenen Wochen und Monaten erreicht. Zumindest hielt sich die Empörung über unsägliche, teilweise den Nationalsozialismus relativierende Aussagen leider in Grenzen. Dabei habe sich die AfD aber “ihrer” Themen bedient, sagt Franz ein wenig beleidigt. Dennoch seien sie, die NPDler, “die ehrlicheren Nationalisten”. Im Gegensatz zur AfD will die Nationalistische Partei Deutschland nämlich gar keine Flüchtlinge mehr aufnehmen. Auch der Austritt aus der NATO wird gefordert, an einem Bündnis mit der USA besteht kein Interesse.
Bei einigen scheint das gut anzukommen. “Die AfD, das sind Heuchler, das ist eine Partei der Eliten. Ich wähle die NPD, die Jungs stehen wenigstens noch zu ihrem Wort.”, zitiert die Vice einen Frührentner, einen der wenigen Zuhörer der Kundgebung. Auch ein junges Paar lauscht den Redebeiträgen der NPDler. Ganz überzeugt, ob die Wahl der Partei etwas bringen soll, sind sie aber auch nicht.
Der Einzug in den Bundestag für die NPD ist mehr als unwahrscheinlich. Franz geht es aber auch noch um etwas anderes: “Wir wollen auf jeden Fall versuchen, wieder in die Parteienfinanzierung zu kommen.” Durch das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens ist vorerst der Zugang zur staatlichen Parteienfinanzierung gesichert – und somit auch eine wichtige Geldquelle für die gesamte rechtsextreme Szene. In der Vergangenheit handelte es sich dabei um über eine Million Euro pro Jahr. Die einzige Möglichkeit, diesen Hahn abzudrehen, wäre dann wohl die Verteilung staatlicher Zuschüsse zu ändern, wie die Verfassungsrichter bei der Verkündung des Urteils anmerkten. Ob dies mit einer mehr oder weniger stark vertretenen AfD im Bundestag möglich sein wird, bleibt abzuwarten. So oder so scheint es also, dass die NPD und ihre Anhänger auf die AfD angewiesen sind – und damit unglücklich. Kein Wunder, dass etwa Udo Voigt, der für die NPD im Europaparlament sitzt, schon im Juli auf Facebook beklagte:
Screenshot Facebook (22.09.2017)
In die gleiche Kerbe schlägt ein Text aus dem “Antisem Verlags Blog”, also von Neonazis in Dortmund: Autor “antisem” schreibt: “Viel häufiger als diese reine Protesthaltung, sind aber Argumentationen zu sehen, die wirklich den Eindruck entstehen lassen, dass Menschen aus der nationalen Bewegung (!) die AfD wählen, weil sie wirkliche Veränderungen erhoffen. Weil sie glauben, mit 15, 20, 25 % für die AfD würde auch nur ein Asylbewerber weniger nach Deutschland kommen oder unser Land sogar wieder Deutsch werden. So etwas von einer Partei zu erwarten, die in Nordrhein-Westfalen sogar den CDU-Ministerpräsidenten mitwählen wollte (…)” Die AfD sei zu angepasst, trotz “Personen, die mit ihren Ansichten auch in einem bürgerlichen Flügel einer deutlich rechteren Partei, z.B. der NPD, passen würden.” Doch das habe keinen Effekt: “Aber wer glaubt, dass diese Positionen auch Einzug in parlamentarische Arbeit der Partei finden, wird eines besseren gestraft, gerade weil – oder obwohl – die Partei in 13 Landtagen sitzt. Diejenigen, die nationale Positionen vertreten, d.h. ein Bekenntnis zu einem Deutschland ohne Einwanderung, zu einer Volksgemeinschaft, zu einer wirklich politischen Kehrtwende und einem hinterfragen des herrschenden Systems, werden an den Pranger gestellt und aus der Partei gedrängt bzw. zu Rücktritten genötigt.”
Lang lebe die Zerstrittenheit der Rechtsaußen-Szene!
Das generische Maskulinum wird hier bewusst genutzt, da bis auf sehr wenige Ausnahmen ausschließlich Männer bzw. als männlich gelesene Accounts an den Diskussionen beteiligt waren.