Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, betont in ihren einleitenden Worten zur Pressekonferenz der „Aktionswochen gegen Antisemitismus“ die Aktualität des Themas. Sie weist auf die Gefahr der Verbindung verschiedener antisemitischer, politischer Strömungen hin, zum Beispiel bei den sogenannten „Montagsdemonstrationen“. Nach dem Wiederaufflammen des Nahostkonflikts in diesem Sommer zeigte sich bei großen Teilen der deutschen Bevölkerung, dass verschiedene Formen des Antisemitismus weiter verbreitet sind. Diesen wahrzunehmen und zu bearbeiten sieht sie als ungemein wichtig an.
Thomas Heppener, Referatsleiter für „Demokratie und Vielfalt“ im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betont auch aufgrund der judenfeindlichen Vorurteile angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Israel und Palästina die Notwendigkeit der Unterstützung von Projekten gegen antisemitische Tendenzen. Er verweist zudem auf die Wichtigkeit des 9.November, um den herum die Aktionswochen gegen Antisemitismus in jedem Jahr stattfinden. Der 9. November ist eben nicht nur der 25. Jahrestag des Mauerfalls, sondern auch der Tag der Erinnerung an die Novemberpogrome des Jahres 1938, mit denen die tödliche Gewalt gegen Jüdinnen und Juden im Nationalsozialismus begann.
Existenzielle Ängste bei jüdischen Menschen in Deutschland
Angesichts der Reaktionen auf die diesjährigen politischen Ereignisse im Nahen Osten stellt Sergey Lagodinsky, Publizist, Jurist und Präsidiumsmitglied der Repräsentantenversammlung der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, eine Unterschätzung der Verunsicherung innerhalb der jüdischen Gemeinschaft fest. Er berichtet über existenzielle Ängste jüdischer Menschen hier in Deutschland, die erst enden würden, wenn der Nahost-Konflikt und die daraus resultierende antisemitische Hetze selber es tut. Die schwache Beteiligung der Zivilgesellschaft bei Demonstrationen gegen Antisemitismus findet er alarmierend. Deshalb fordert er nachhaltige Arbeit von Initiativen gegen Antisemitismus und ihre Finanzierung. Die Aufklärung über diese Form von Ausgrenzungsmechanismus müsse sofort, intensiv und kontinuierlich stattfinden, um die Menschen für dieses Thema zu sensibilisieren. Lagodinsky stellt auch die Frage nach dem schwierigen Umgang mit den neuen Hybridformen des Antisemitismus, die etwa antikapitalistisch, antiimperialistisch, antiamerikanisch auftauchen und verschiedenste Gruppierungen und politischen Richtungen kooperieren lassen.
Unermüdliche und breitgefächerte Aufklärung nötig
Neben der unzulänglichen Finanzierung von Initiativen gegen Antisemitismus durch den Bund und die Länder sieht Beate Küpper, Professorin an der Hochschule Niederrhein für soziale Arbeit für Gruppen und Konfliktsituationen, ein Grundproblem in der Ignoranz des von breiten Teilen der Bevölkerung geteilten Antisemitismus. Laut Küpper existieren kaum aktuelle Befunde und Studien zur Judenfeindlichkeit , die die Stimmung der Bevölkerung in Deutschland nach diesem ereignisreichen Sommer wiedergeben. Doch auch vorangegangene Analysen zeigten, dass Antisemitismus nach wie vor existiert in Deutschland, ob er nun für einige Zeit versteckt und unauffällig agiert oder anlässlich bestimmter politischer Klimata wieder offen zum Vorschein kommt. Deshalb ist eine unermüdliche und breitgefächerte Aufklärung über antisemitische Ressentiments, die sich in einem breiten Spektrum der deutschen Gesellschaft finden von außerordentlicher Wichtigkeit. Für eine starke Zivilgesellschaft müssen die Menschen für Ausgrenzungsmechanismen jeglicher Art sensibilisiert werden. Ebendiese Sensibilisierung und Aufklärung findet durch Projekt wie die Aktionswochen gegen Antisemitismus 2014 statt.
350 Veranstaltungen von 150 Initiativen
In insgesamt 16 Bundesländern organisieren 150 Initiativen im Rahmen der Aktionswochen Veranstaltungen, wie etwa Lesungen, Workshops, Theater- und Filmaufführungen oder Gespräche mit Zeitzeug_innen. So kann man sich etwa in Berlin am 12.11. in einer Lesung des Autoren Patrick Gensing über Rechtsterrorismus informieren, in Hamburg am 22.11. ein Dialogseminar über die Nachkommen von Tätern und NS-Verfolgten besuchen oder sich einen Vortrag über die Psychoanalyse von Antisemitismus und Verschwörungstheorie am 28.11. in München anhören.
Informationen über die Teilnahme, Unterstützung und das Programm sind auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung zu finden unter