In der digitalen Stadt ist viel los. Auf dem Marktplatz herrscht quirliges Treiben: Neben den neuesten Apps und Goldbarren für Candy Crush werden auch gebrauchte Möbel verkauft – inklusive Lieferung. Auf großen Bildschirmen über den Ständen laufen abwechselnd Katzenvideos, Memes, Live-Reportagen und die neuesten Playlists. In Gassen und Parks tummeln sich Menschen. Sie sprechen über das Wetter, die aktuellen Nachrichten und ihren letzten Restaurantbesuch. Überall klingelt und vibriert es, während gleichzeitig Millionen von Nachrichten ausgetauscht werden. Im Café am Markt werden bei einer Feier Urlaubsfotos herumgezeigt. Statt Luftballons steigen hier Herz-Emojis in die Luft. Etwas abseits davon findet im Stadtpark eine Diskussion zur politischen Mitbestimmung statt. Manche Passant*innen bleiben stehen und bringen ihre Meinung ein. Diese digitale Stadt ist voller vielfältigem Leben.
Doch sie hat auch ihre Schattenseiten. Das digitale Zusammenleben ist nicht immer friedlich. Für viele Menschen ist die digitale Stadt ein Ort, an dem sie auch Beleidigungen, Anfeindungen und Hass ausgesetzt sind. Ein Ort, an dem Menschen, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen, von anderen angegriffen werden. Ein Ort, an dem sich Wutbürger*innen, rechtsextreme Trolle und Bots versammeln, um Hass zu schüren und zu Gewalt aufzurufen. Im Café werden mit den Urlaubsfotos unbemerkt persönliche Daten abgesahnt und ohne Erlaubnis in privaten Messengern geteilt. Beim Online-Einkauf auf dem Marktplatz werden private Informationen abgefischt. Bei der Diskussion im Stadtpark sind auch rassistische und antisemitische Kommentare zu hören. Die Täter*innen sind sehr laut und übertönen oft die engagierten Gegenstimmen.
In der Stadt engagieren sich aber auch viele Aktive aus Zivilgesellschaft, Politik und Justiz für ein sicheres und friedliches Miteinander. Einige von ihnen sind selbst zu einer Zielscheibe von digitalem Hass und Gewalt geworden. Ein Großteil der Bewohner*innen der Stadt beobachtet das Geschehen jedoch still. Sie wissen oft nicht so recht, was sie tun sollen, sind unsicher oder haben Angst, ebenfalls in den Fokus des Hasses zu geraten.
Das ist der Alltag in unserer digitalen Stadt. Hier findet ein großer Teil unseres Lebens statt: digital und somit real. Denn wir können die Räume nicht getrennt denken. Sie bedingen sich wechselseitig. Ob bei Instagram oder an der Supermarktkasse – Diskriminierung fügt den Angefeindeten großen Schaden zu.
Das Internet auszuschalten ist keine hilfreiche Option, denn die Folgen von Online-Hass wirken auch offline. Deshalb ist es an uns allen, Demokratie und Menschenrechte sowohl offline als auch online zu verteidigen. Dabei haben wir einen klaren Vorteil auf unserer Seite: Wir sind viele. Wir wissen, wie wir demokratisch leben wollen. Und demokratische Medienkompetenz und Informationskompetenz können wir üben und lernen. Deshalb gibt es nun ein Heft vom Projekt firewall – Hass im Netz begegnen der Amadeu Antonio Stiftung mit einem Glossar von A wie Algorithmus bis Z wie Zivilcourage – also zu den Begriffen, die in aktuellen Debatten um Mediennutzung und demokratische digitale Kompetenz im Zentrum stehen.
Was bedeutet demokratische Medienkompetenz?
Das medienpädagogische Lexikon des Projekts firewall – Hass im Netz begegnen der Amadeu Antonio Stiftung ist quasi einen Spickzettel mit einem medienpädagogischen Glossar.
Du beschäftigst Dich schon seit längerem mit Medienkompetenz, digitaler demokratischer Bildung, Zivilcourage gegen Hate Speech und möchtest am Ball bleiben? Oder Du steigst gerade ein und möchtest Dich mit ein paar Grundlagen auseinandersetzen? Du bist Lehrkraft oder arbeitest in einem Jugendzentrum und möchtest mit Jugendlichen zu diesen Themen arbeiten? In diesem praxisorientierten Glossar ist für alle etwas dabei.
Das Internet wandelt sich schneller, als die User*innen tippen können. Dabei fliegen einem immer neue Begriffe um die Ohren. Sind gestern Hatefluencer*innen im For You aufgetaucht? Wieso ist plötzlich das Wort Deep Fake in aller Munde? Was ist dieses PoV im Reel? Welchen Einfluss haben Algorithmen auf meine Bubble? Und wieso ist die Caption eigentlich wichtig? In unserem Glossar für Medienkompetenz haben wir die wichtigsten Begriffe für Dich zusammengetragen. Wir wünschen viel Spaß und „Aha“-Momente beim Stöbern!
Wofür brauchen wir das eigentlich?
Nahezu jedem Menschen, der sich im digitalen Raum bewegt, begegnen dort auch Diskriminierungen, Hasskommentare, Desinformationen, Verschwörungserzählungen – vielen tagtäglich. Schon 77 Prozent von uns haben Hass im Internet wahrgenommen, mehr als ein Drittel sogar „sehr häufig“. Insbesondere junge Menschen sind einem hohen Maß an Hate Speech, also Hassrede, ausgesetzt: Unter den 14- bis 22-Jährigen haben nur 8 Prozent noch keine Hasskommentare gesehen, wie die aktuelle Forsa-Studie der Medienanstalt NRW zu Hate Speech 2022 zeigt. Diese Form von digitaler Gewalt enthält Abwertungen, Angriffe, Beschimpfungen, Beleidigungen und Verleumdungen von Gruppen oder einzelnen Menschen. Dabei greift Hate Speech nicht nur die betroffenen Personen an, sondern auch unsere demokratische Zivilgesellschaft als Ganzes. Denn nicht wenige User*innen ziehen sich aufgrund von Hass und Hetze zurück, und so fehlen wichtige Stimmen im Diskurs.
Daher ist es wichtig, dass wir alle lernen, uns auch in der digitalen Welt engagiert zu bewegen und Haltung zu zeigen. Besonders die Pädagogik ist hier gefragt, damit Kinder und Jugendliche in ihrer Mediennutzung angemessen begleitet und unterstützt werden. Es braucht Orientierung und ein stabiles Wertegerüst, um einen gesellschaftlichen Zusammenhalt im digitalen Raum zu fördern. Dabei geht es um Prävention und den Umgang mit digitalen Herausforderungen, also um Informationskompetenz, Medienethik und politische Bildung.
Wir alle brauchen mehr demokratische Medienkompetenz! Dabei ist es hilfreich, sich im Universum der immer neu entstehenden Begriffe und Schlagwörter auszukennen. Lasst uns mitreden, statt nur zuzuschauen! Lasst uns mitreden und mitgestalten! Klassische Informations- und Medienkompetenz reichen dafür nicht mehr aus. Vielmehr drängt sich die Frage auf, welche Kenntnisse und Fähigkeiten wir brauchen, um unter dem Dach der Digitalisierung gut miteinander zu leben. Klar ist: Wer mit jungen Menschen über demokratiefeindliche Tendenzen im digitalen Raum sprechen möchte, muss Unrecht und Diskriminierung thematisieren; wer über Hate Speech spricht, muss auch klar benennen, wo Hass seinen Ursprung hat. Hier kommen werteorientierte Bildung und gesellschaftspolitische Kompetenz ins Spiel. Im Kontext von Medienkompetenz sprechen wir von der Erweiterung um digital-demokratische Kompetenzen. Denn das Wissen, wie ich einen Computer an- und ausschalte, sowie Information und Aufklärung allein reichen für ein verantwortungsbewusstes Handeln in der digitalen Gesellschaft nicht mehr aus.
Demokratische Medienkompetenz beschreibt die Verbindung von demokratischer und digitaler Bildung. Wenn wir beides zusammen denken, können wir die demokratische Debattenkultur durch digitale Bildung stärken – und umgekehrt. Ein verantwortungsvoller Umgang in analogen und digitalen Räumen muss zusammen gedacht, digitale und politische Bildung müssen kombiniert werden, um den digitalen Raum als gemeinsamen Lebensraum demokratisch zu gestalten.
Das Glossar
„Von Algorithmus bis Zivilcourage. Dein Lexikon für demokratische Medienkompetenz“ (2023)
ist hier als PDF erhältlich:
https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/wp-content/uploads/2023/10/Glossar_Firewall.pdf
Oder kann hier als Print-Exemplar bestellt werden, solange der Vorrat reicht:
www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/von-algorithmus-bis-zivilcourage/
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