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Allein auf weiter Flur? Erfahrungen in deutschen Presseforen

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Gegen Nazipropaganda anschreiben (Quelle: ngn/al)

User „ZH1006“ schreibt regelmäßig in verschiedenen Foren deutscher Medien – und engagiert sich dabei gegen rechtsextreme, rassistische und menschenfeindliche Postings. Kein leichter Kampf, wie er in seinem Gastbeitrag unter Pseudonym berichtet:

Ausgebremst beim Kampf gegen Rechts. Vertane Chancen? Und andere Fragen.

Der tagtägliche Rechtsextremismus im Internet bleibt weitestgehend unwidersprochen – per Moderation.

Eigentlich sollte man davon ausgehen, dass Menschen, die dem alltäglichen Rechtsextremismus auf Internetforen etwas entgegensetzen möchten, die erforderliche Unterstützung seitens unserer Presse erfahren. Beobachtungen und Erfahrungen von Userinnen und Usern zeigen jedoch: Nein, eine solche Unterstützung wird kaum gewährt.

Nicht nur Signalbegriffe wie „Integration“, „Sexualstraftäter“ und „islamistischer Terror“ führen auf den Internet-Foren der deutschen Tages- und Wochenpresse Tag für Tag zu ungehemmt ausufernden Ausbrüchen rechtsmotivierter Hetze. Antidemokratische rassistische, europa- , schwulen- und islamfeindliche Multi-Hasser schwadronieren völlig unbehelligt von „Überfremdung“ und „Integrationsunwilligkeit“, fordern MigrantInnen zum Verlassen Deutschlands auf, wettern gegen den Zeitgeist und diffamieren ihre KritikerInnen als linke Gutmenschen. Dabei verschanzen sie sich hinter den Errungenschaften von Demokratie und Rechtsstaat und transportieren so unter dem Deckmäntelchen der Meinungsfreiheit ihre braune Gesinnung unter das auf-rechte Volk. Dass diese Leute jede Meinungsfreiheit unverzüglich abschaffen würden, ließe man sie ihren (Alp-)Traum von einer neuerlichen Machtergreifung verwirklichen, ist genauso klar, wie von ihnen die Tatsache außer Acht gelassen wird, dass es sich bei einer Beleidigung von Minderheiten niemals um die Äußerung einer Meinung handeln kann.

Was kann man tun.

Nimmt man die rechte Hetze nicht als solche wahr, wird man auch nichts unternehmen. Ebenso wenig werden diejenigen tätig, die immer schnell vom „Kampf gegen Windmühlenflügel“ sprechen oder als Kern des Problems nur ein paar sogenannte Foren-Trolle erkennen wollen.

Für einige wenige Foren-Userinnen und -User scheint jedoch „wehret den Anfängen“ noch nicht zur leeren Worthülse verkommen zu sein. Menschen, welche die jüngere Geschichte als warnendes Beispiel für Untätigkeit zu verstehen in der Lage sind und sich weigern, den Rechten das Feld des Internets kampflos zu überlassen, Menschen, die nicht dafür verantwortlich sein wollen, wenn Demagogen, Faschisten und Antisemiten in Deutschland wieder Oberwasser bekommen und langsam aber sicher die Zivilgesellschaft unterwandern. Selbstverständlich mischt man sich dann auch in solche Online-„Diskussionen“ ein.

Die Frage dabei ist, welcher rhetorischen und stilistischen Mittel man sich bei diesem Kampf bedienen darf.

Rassisten Rassisten zu nennen, das muss erlaubt und sollte unstrittig sein. Aber muss nicht auch davon gesprochen werden dürfen, dass die rechtsradikalen Äußerungen immer auch auf Dummheit, Rückständigkeit und niederen Instinkten beruhen und mit humanistischer Unbildung und menschlicher Verrohung einhergehen?  Und davon, dass extremer Rassismus geradezu ein Charakteristikum kleingeistiger Spießbürger ist? Ist das nicht sachliche Beschreibung immanenter Fakten? Und sind es nicht die Rechten selbst, die immerzu Anspruch auf Verkündung von Wahrheit erheben? Muss ihnen dann nicht auch die schonungslose Wahrheit über sich selbst zugemutet werden dürfen?

Auf den Foren wird eine solche Zuspitzung gar nicht gerne gesehen: Die rechte Hetze wird eher selten moderiert, da muss schon offen die Shoa verleugnet oder müssen revanchistische Gebietsansprüche erhoben werden. Während die pauschale Beleidigung großer Teile unserer Mitbürger als „fauler Wirtschaftsflüchtlinge“ und „Sozialschmarotzer“ im Zweifel genauso durchgehen wird, wie die Abstempelung aller missliebigen Politiker zu „Volksverrätern“, werden die Anstrengungen, Rechtspopulisten den Spiegel vorzuhalten, konterkariert und gemaßregelt. Es wird verwarnt und dazu aufgefordert, auf „Provokationen“ und „Beleidigungen“ zu verzichten und „sachlich“ zu bleiben.

Kritische Beiträge werden gekürzt oder gleich ganz entfernt, mitunter gar nicht erst veröffentlicht.

Wie ist das zu bewerten? Darauf verzichten, Rechtspopulisten zur Rede zu stellen und mit provokanten Fragen das Lügengebäude ihrer kranken Ideologie ins Wanken zu bringen? Wie sonst, wenn nicht so, will man denn vordringen in deren sture, hasserfüllte Schädel? Wie sonst, wenn nicht so, will man Foren-Besuchern dazu verhelfen, dem Impuls, rechtspopulistischem Gequatsche Beifall zu spenden, zu widerstehen und zu entscheiden, sich doch besser von solchen Ansichten abzuwenden? Sind Provokation und Bloßstellung von Rassisten da nicht erste Bürgerpflicht?  

Wie können Institutionen in der Presselandschaft regelmäßig von der Blindheit auf dem rechten Auge schreiben und diese Blindheit dann auf den eigenen Online-Foren selbst betreiben?

So wird im Volk eben gedacht – ist das etwa die Auffassung in den Büros der RedakteurInnen und ModeratorInnen? Stört dort Kritik nur die für ein ungetrübtes Geschäft wünschenswerte (Forums-) Harmonie? Geht es schlicht und einfach um die übergeordneten Interessen eines möglichst unbeeinträchtigt bleibenden Werbe- und Anzeigengeschäfts mit Kirche, Industrie und Lobbyisten jeglicher Couleur – weswegen auch schon gesellschafts- und religionskritische Beiträge nur dürftige Chancen haben, auf den Online-Foren unzensiert den Tag zu überstehen?

Das sind wirklich ärgerliche Umstände, das hat weder viel mit wirklicher Meinungsfreiheit  zu tun, noch mit der Anerkennung von Zivilcourage. Der jüngst ermittelte deutsche Platz 17 für Pressefreiheit wird da plausibel.

Gut gemeinte aber im Falle des Rechtsextremismus falsch verstandene Netiquette-Regelungen gehören dringend auf den Prüfstand und zwar, bevor sich allgemein der Eindruck einstellen kann, die liberale Presse in Deutschland sei in ihrer Gänze der rechten Propaganda auf den Leim gegangen, nach der ja jede Kritik am Rechtsextremismus nur aus den Agitationsbüros „linksgrüner Chaoten“  und 68er entstammen kann.

Dabei kommen bekanntermaßen Kritik und Gegenwind tief aus der gesellschaftlichen Mitte, aus der Mitte, in der die Nationalkonservativen von halbrechts-außen zunehmend behaupten, beheimatet zu sein.

Vertane Chancen, Änderungen nicht in Sicht. Solange lachen sich die selbsternannten Wortführer der Braunen ins Fäustchen und schieben sich für ihre menschenverachtenden Parolen selbst und gegenseitig weiter die „likes“ und „Leserempfehlungen“ zu.

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