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Alltagsrassismus Angstraum Nahverkehr in Magdeburg

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Gesehen in einer Straßenbahn 2007; Foto: Holger Kulick

Wie die Polizei am 2.12. mitteilte wurde in der Nacht zum 1. Advent 2007 in der Innenstadt eine Gruppe Afrikaner angegriffen. Zwei Männer aus dem westafrikanischen Niger und ein Polizist, der einen Angreifer festhalten wollte, wurden dabei verletzt. Zuvor wurde am Samstagabend eine schwangere Irakerin mit ihrem Kind in einem Bus Opfer eines rassistisch motivierten Übergriffs.

Als Konsequenz fordert Sachsen-Anhalts „Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt“ eine offensive Reaktion der Magdeburger Verkehrsbetriebe (MVB), denn es handele sich „nicht um Einzelfälle“, sagte die Sprecherin der Opferberatung, Martina Nees. „Der öffentliche Personennahverkehr ist seit geraumer Zeit ein Schwerpunkt fremdenfeindlich motivierter Straftaten“, so Nees, er sei „für viele Ausländer ein Angstraum“ geworden. Seit 2005 wurden von der Opferberatung 26 rassistisch motivierte Angriffe in Magdeburgs Nahverkehrsmitteln registriert.

Besorgt ist die Magdeburger Opferberatung darüber, dass es andere Fahrgäste oder Umstehende oftmals an einem Mindestmaß an Zivilcourage mangeln lassen. „Niemand muss gegenüber Gewalttätern den Helden spielen. Doch ein Handy hat fast jeder in der Tasche. Es reicht aus, die Polizei zu rufen und sich anschließend als Zeuge zur Verfügung zu stellen“, sagte Martina Nees.

Angriff in der Straßenbahn

Die 20 Jahre alte Irakerin war gegen 22.00 Uhr mit ihrem zweijährigen Kind im Kinderwagen in Begleitung einer weiteren Frau und dreier Männer aus dem Irak in den Bus gestiegen. Sofort seien sie von einer Gruppe Deutscher beschimpft und beleidigt worden, teilte die Polizei mit. U.a. seinen Sprüche gefallen, wie: „Für Ausländer haben wir keinen Platz“, „Ihr könnt auch zu Fuß gehen“, und: „Macht mal die Tür auf, Ausländer stinken.“

Dann habe ein 30 Jahre alter Mann die Schwangere aufgefordert, Platz zu machen, und ihr unvermittelt ins Gesicht geschlagen. Kurz darauf habe ein 28-Jähriger sie gegen ihren Kinderwagen gestoßen. Ihr Kind blieb den Angaben zufolge unverletzt. An einer Haltestelle flohen die Angreifer. Die Irakerin wurde mit Unterleibsschmerzen in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei nahm die beiden Tatverdächtigen kurze Zeit später fest. Am Sonntag seien sie jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt worden, hieß es. Der Staatsschutz habe in beiden Fällen Ermittlungen unter anderem wegen Volksverhetzung, Beleidigung, gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung aufgenommen.

Überfall auf Nigerianer. Zuschauer griffen nicht ein

Der Überfall auf die vier Afrikaner spielte sich in der Magdeburger Innenstadt vor zahlreichen Schaulustigen ab. Die vier Afrikaner aus dem Niger, eine 23 Jahre alte Frau und drei Männer im Alter von 25, 27 und 38 Jahren, waren von zunächst drei Männern angegriffen worden. Ein Täter habe die Gruppe zunächst provokativ angerempelt, teilte die Polizei mit. Das ist eine in rechtsextremen Kreisen antrainierte Vorgehensweise. Dann schlugen die Männer zu und riefen ausländerfeindliche Parolen. Im Laufe der Auseinandersetzung gesellten sich mindestens drei weitere Angreifer hinzu.

Der Tatort am Hasselbachplatz in Magdeburg ist eine Kneipengegend, die jedes Wochenende von vielen Student*innen und Jugendlichen besucht wird. Ein Passant habe die Polizei alarmiert. Mehrere Polizisten, die zur Hilfe eilten, wurden von der zwischenzeitlich auf sieben oder acht Deutsche angewachsenen Gruppe ebenfalls angegriffen. Dabei wurden laut Polizei zwei festgehaltene Verdächtige wieder befreit. Ein Polizist wurde verletzt, als er versuchte, einen der Täter festzuhalten. Alle Angreifer konnten entkommen. Die Polizei sucht nun nach einem jungen Punker als Zeugen. Er hatte den Angaben zufolge die Afrikaner couragiert verteidigt und war dabei von den Tätern massiv geschlagen und getreten worden. Im Gegensatz zu ihm blieb die Mehrzahl der ‚Glotzer‘ regungslos.

Die Opferberatung bot der MVB Unterstützung bei der Sensibilisierung von Fahrgästen und Fahrern im Falle solcher Übergriffe an. „Wir denken hier zum Beispiel an eine Aufklärungskampagne in Straßenbahnen und Bussen.“

Nees kündigte an, dass sich die Opferberatung in Kooperation mit der Koordinierungsstelle für den lokalen Aktionsplan gegen Rechtsextremismus in den kommenden Wochen verstärkt um fremdenfeindliche Straftaten im öffentlichen Raum kümmern werde. „Angedacht ist eine öffentliche Anhörung mit potentiellen Opfern, um gemeinsam Handlungsstrategien zu entwickeln.“

Geschönte Polizeistatistik

Bereits am 24. November war es in einer Magdeburger Straßenbahn zu einem Angriff auf ein schwarzafrikanisches Ehepaar mit migrantischem Hintergrund gekommen. Ein betrunkener Mann pöbelte die Eheleute erst an und beleidigte sie mit ausländerfeindlichen Sprüchen. Über 10 weitere Fahrgäste saßen in der Bahn, aber niemand schritt ein. Beim Aussteigen des Paares, schlug der besoffene Rassist den Mann seine Faust ins Gesicht. Die Frau alamierte daraufhin den Straßenbahnfahrer, der aber nicht die Polizei verständigte, weil er laut eigener Aussage die Situation nicht begriff.

Erst in der Vorwoche war der Direktor des Landeskriminalamtes Sachsen-Anhalt (LKA) zurückgetreten, weil seine Behörde Statistiken bei Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund geschönt hatte. Innenminister Holger Hövelmann (SPD) hatte am 28. November erklärt, LKA-Chef Frank Hüttemann übernehme damit die Verantwortung für „Fehler in der Kommunikation“ zwischen dem LKA und seinem Ministerium. Auslöser für den Rücktritt war, dass das LKA in der vorläufigen Kriminalitätsstatistik für das erste Halbjahr 2007 rund 200 rechtsextreme Propagandastraftaten nicht aufgeführt hatte. Daraus ergab sich nahezu eine Halbierung der registrierten rechtsextremen Delikte. Laut Hövelmann hatte Hüttemann alle Staatsschutzbeamten angewiesen, eindeutig rechte Straftaten, bei denen kein Täter bekannt sei, als nicht politische Delikte einzuordnen. (www.mobile-opferberatung.de)

Dieser Beitrag ist ursprünglich auf dem Portal „Mut gegen rechte Gewalt“ erschienen (2002-2022).

 

 

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