Mit dem Amadeu Antonio Preis wurden am 26. November zum dritten Mal Künstler*innen und Gruppen aus der Bildenden Kunst, Literatur, Theater und Musik ausgezeichnet, die zu Diskriminierung und Diversität arbeiten und sich in besonderer Weise in diesen Bereichen verdient gemacht haben. Der Hauptpreis ging an die Choreografin Olivia Hyunsin Kim und ihr Team „ddanddarakim“. Zwei weitere Preise würdigten die Hip-Hop-Crew BSMG und die Herausgeber des Gedichtsbandes „Haymatlos“.
Es wirkt etwas ungewöhnlich, dass an einem Abend so viele junge kreative Kunstschaffende in Eberswalde einfallen. Doch der Ort ist nicht zufällig gewählt. Unweit vom Festort wurde Amadeu Antonio, ein angolanischer Vertragsarbeiter, in der NAcht zum 25. November 1990 von einer Gruppe Neonazis durch den Ort gejagt und brutal ins Koma geschlagen. Am 6. Dezember verstarb der Angolaner. Lange Zeit galt er als erstes Todesopfer rechtsextremer Gewalt nach der Wende.
„Der Mord an Amadeu Antonio hat uns alle verändert“, berichtet der Bürgermeister von Eberswalde, Friedhelm Boginski, in seiner Festrede. Der Preis, der an die vielen weiten Opfer rassistischer Gewalt in Deutschland erinnern soll, wird von der Amadeu Antonio Stiftung gemeinsam mit der Stadt vergeben.
Besonders in Zeiten, in denen eine rechtsradikale Partei in den Parlamenten sitzt und ganz unverholen gegen alles und jede*n hetzt, der in ihren Augen nicht Deutsch genug ist, kommt der Kunst eine wichtige Rolle zu. Mit ihren eigenen unterschiedlichen Mitteln kann sie Probleme aufzeigen und Diskurse schaffen. Gleichzeitig kann sie denjenigen eine Stimme geben, die sonst von der lauten Mehrheit überhört werden. Sie kann marginalisierte Gruppen empowern und ermächtigen. Aus diesen Gründen braucht es diese Art der „wehrhafte Kunst“, wie es Festredner Jo Frank, Geschäftsführer des Ernst Ludwig Ehrlich Studienwerks, nannte.
„Miss Yellow and Me – I wanna be a musical“
Der mit 3.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an diesem Abend an die skurril-schillernde Performance „Miss Yellow and Me – I wanna be a musical“ der Choreografin Olivia Hyunsin Kim und ihres Teams „ddanddarakim“. Mit ihrer Performance bricht die Choreografin mit Stereotypen und dekonstruiert und unterwandert virtuos die Klischees der fürsorglichen und devoten Asiatin. Kims besondere Perspektive speist sich aus den Erfahrungen, die sie als Deutsch-Koreanerin machte. Inspiriert von „Miss Saigon“, einer der erfolgreichsten Broadway-Shows, die zugleich zahlreiche Kontroversen über die Repräsentation asiatischer Frauen auslöste, imaginiert sie eine ebenso groteske wie unterhaltsame Musical-Talentshow. Sie greift durch Ihre Kunst tradierte Machtverhältnisse an, die ihren Ausdruck in abwertenden Klischeebildern, Exotisierung und Sexualisierung von „den“ Asiatinnen finden. Mit ihrer Performance hinterfragt Kim den gesellschaftlich eingeübten, oft vorurteilsbehafteten Blick des Publikums.
Die zweiten mit jeweils 1.000 Euro dotierten Preise gingen an die Hip-Hop-Crew Black Superman Group (BSMG) für ihr Album „Platz an der Sonne“ sowie an Tamer Düzyol und Taudy Pathmanathan für ihren Gedichtband „Haymatlos“.
„Platz an der Sonne“ von BSMG
BSMG ist ein Hip-Hop-Trio aus den beiden Rappern Megaloh und Musa sowie dem Produzenten Ghanaian Stallion. Die Jury befand, dass die Musiker mehr als eine Gruppe, sondern mit ihrer Musik Teil der Bewegung einer neuen, selbstbewussten, afropäischen Identität sind. Ihr erstes Konzeptalbum „Platz an der Sonne“ behandelt Themen wie Kolonialgeschichte, Sklaverei, Heimat und Alltagsrassismus in Deutschland.
Der Gedichtband „Haymatlos“ von Tamer Düzyol und Taudy
Der Gedichtband „Haymatlos“ von den Herausgeber*innen Tamer Düzyol und Taudy Pathmanathan bringt Poesie gegen Rassismus in Stellung und ist das Produkt eines jungen, kreativen und selbstbewussten Netzwerks. „Haymatlos“ dekonstruiert den Heimatbegriff durch kritische, politische und persönliche Perspektiven mit Deutlichkeit und Poesie.
Im Rahmen des Festakts vergab die Lars Day Stiftung den mit 3.000 Euro dotierten „Lars Day Preis – Zukunft der Erinnerung“ für Kunstvermittlung und Bildung an die Kampagne „softie“. Das Projekt ist ein Ort für die queerfeministische Community im Internet. In einer eindrucksvollen und sehr persönlichen Videoreihe setzten sich Protagononist*innen mit der eigenen Familiengeschichte während der NS-Zeit auseinander. Die Jury ehrte mit dem Preis die beispielgebende Leistung des Projekts, Themen der Gegenwart mit der Erinnerungskultur zusammenzudenken. „Die Demographie unserer Gesellschaft verändert sich. Es gibt immer weniger Zeitzeugen, das stellt die Erinnerungskultur vor neue spannende Herausforderungen. ’softie‘ stellt sich dieser Aufgabe und ist ein echtes self-empowerment Projekt“, würdigte die Jugendkulturberaterin Ida Schildhauer das Engagement der Macher*innen in ihrer Laudatio.
Vom Objekt zum Subjekt
Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, bemerkte, dass es an diesem Abend nicht um Kunst gehe, in denen Opfer von Diskriminierung Objekte sind. Sondern darum, dass sich Künstler*innen mit Diskriminierungserfahrungen zum Herr ihrer eigenen Geschichten machen, zu Subjekten ihrer eigenen Erzählungen: „Wer einer Minderheit angehört und aushalten muss, immer als Opfer betrachtet zu werden, braucht die Möglichkeit, diese Rolle zu verändern und selbst zu gestalten. Die Kunst ist dafür ein wichtiges Instrument, sie erhellt, bewegt und berührt und macht Perspektivwechsel möglich.“
Für den Amadeu Antonio Preis 2019 waren 260 Einreichungen eingegangen. Der Preis wird seit 2015 alle zwei Jahre von der Stadt Eberswalde und der Amadeu Antonio Stiftung vergeben und würdigt Werke aus den Bereichen Bildende Kunst, Literatur, Theater und Musik, die sich mit Rassismus und anderen Formen von Diskriminierung auseinandersetzen, sowie für Menschenrechte und Diversität eintreten.