Der Militärische Abschirmdienst (MAD) stuft aktuell einen Mitarbeiter des AfD-Bundestagsabgeordneten Jan Nolte als Rechtsextremen ein. Es handelt sich um Maximilian T., Oberleutnant der Bundeswehr, im Mai 2017 verdächtigt, als Komplize von Franco A. an der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Straftat beteiligt gewesen zu sein, im Juli 2017 aus der Untersuchungshaft entlassen. Dann wurde das Verfahren ganz eingestellt und Maximilian T. 2018 als Mitarbeiter eines Bundestagsabgeordneten im Verteidigungsausschuss mit einem Hausausweis des Bundestages ausgestattet.
Maximilan T. will nach eigenen Aussagen mit Franco A. nichts zu tun haben, der nach Ansicht des Generalbundesanwalts aus einer rechtsextremen Gesinnung heraus einen Terroranschlag geplant habe und sich zudem eine Zweitexistenz als syrischer Flüchtling aufgebaut hatte. Dafür sprach, dass T. etwa A. an den Sicherheitsdienst meldete, als er ihn im September 2019 auf einem „Tag der offenen Tür“ des Bundestages entdeckte (vgl. zu Maximilan T. und dem Vorfall: BTN). Trotzdem waren demokratische Parteien und Öffentlichkeit besorgt über T.s Anwesenheit im Bundestag, zumal er über Noltes Arbeit im Verteidigungsausschuss Zugang zu vertraulichen Dokumenten und sicherheitspolitischen Strategien erhält (vgl. Welt).
Nun kommt der MAD aber offenbar zu der Erkenntnis, dass bei Maximilian T. doch eine rechtsextreme Gesinnung vorliegen könne. Laut einem Bericht des Tagesspiegels durfte der MAD gegen T. nachrichtendienstliche Mittel anwenden, weil dieser außerdem Schatzmeister des Landesverbandes der „Jungen Alternative“ in Sachsen-Anhalt sei, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft ist, was für Geheimdienste den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel erlaubt. Zur selben Einschätzung war nach taz-Informationen zuvor das Bundesamt für Verfassungsschutz gekommen.
Sein Chef, der AfD-MdB Jan Nolte, hat Maximilian T. schon immer mit viel Verve in Sozialen Netzwerken verteidigt. So gibt es auch diesmal einen langen Facebook-Post zur Einstufung.
Der Text ist ein Paradebeispiel für AfD-Rhetorik.
„Eben erfahre ich, dass mein Mitarbeiter, der im Hauptberuf aktiver Oberleutnant ist, vom MAD nun ganz offiziell als „erkannter Rechtsextremist“ geführt wird. Der MAD nennt für diese Einstufung genau einen Grund: Mein Mitarbeiter ist Schatzmeister der „Jungen Alternative Sachsen-Anhalt“. Genau dieser Umstand ist es, der ihn zum „Rechtsextremen“ macht.“
Wie gerade beschrieben, ist es dem MAD deshalb möglich, nachrichtendienstliche Mittel anzuwenden. Der Grund für die Einstufung als rechtsextrem dürfte nicht die pure Funktion, sondern Erkenntnisse aus der Überwachung sein.
„(…) Wäre er doch Mitglied der JUSOS geworden, wo man sich sich regelmäßig mit der gewalttätigen Antifa solidarisiert, sich dafür einsetzt, Deutschland künftig straffrei diffamieren zu können und wo man im Europawahlkampf, mit Baseballschlägern in den Händen und dem Slogan „Nationalismus eiskalt abservieren“, posiert. Oder wäre er der Jugendorganisation der Linken beigetreten, in der man von der Wiedereinführung des Kommunismus träumt und genau wie JUSOS und Grüne Jugend enge Kontakte zu Antifa und Hausbesetzern unterhält.“
Klassische Täter-Opfer-Umkehr. Andere zur Ablenkung als böser beschreiben, und kann man denen nichts direkt vorwerfen, dann eben Kontakt zu weiteren Menschen. Die Motive zum Europawahlkampf der Berliner Jusos waren allerdings zurecht in der Kritik. „Antifa“ und „Hausbesetzer“ schrecken zwar offenkundig die AfD, wollen aber im Gegensatz zu Rechtsextremen weder die Demokratie noch die Menschenrechte abschaffen.
„Aber eine patriotische Jugendorganisation, die einer Partei angehört, vor deren Konkurrenz man sich fürchtet, wird offenbar nicht toleriert.“
Verschwörungs-Argumentation: Es gehe dem nicht um die Sache, sondern in Wahrheit um „Angst“ vor der „Konkurrenz“ der AfD. Wobei der MAD ja nicht in Konkurrenz zur AfD steht, gemeint sind hier also mutmaßlich, andeutungsvoll geraunt, die demokratischen Parteien.
„Wenn das die Maßstäbe sind, verwundert es nicht, woher plötzlich 500 Rechtsextremismus-Verdächtige in der Bundeswehr kommen. Dieses erbärmliche Vorgehen ist in vielerlei Hinsicht falsch.“
Nein, die Grundannahme ist falsch. Die 550 Rechtsextremismus-Verdächtigen (vgl. tagesschau) in der Bundeswehr sind nicht verdächtig, weil sie mit der AfD zu tun haben, oder, wie Nolte es im folgenden Absatz fasst, „deren Vergehen es ist, konservativer als die CDU zu denken“. Laut Bundeswehrverband geht es bei den Verdächtigen vielmehr darum, dass ihnen aktive Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung – teils auch mit Gewalt – nachgewiesen werden können – etwa gegen demokratische Freiheiten und Rechte, die Unabhängigkeit der Justiz oder gegen die im Grundgesetz formulierten Menschenrechte richten. (dbwv.de)
„(…) Diese Instrumentalisierung des MAD ist nicht nur eine Verhöhnung unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung, sie verharmlost auch tatsächliche Rechtsextreme. Wo der wichtige Kampf gegen Extremismus nicht ernst genommen, sondern als Vorwand für politische Säuberungen begriffen wird, untergräbt man seine Legitimation.“
Dem MAD wird also unterstellt, er handele nicht eigenständig, sondern sei eine Art Marionette in den Händen der Bundesregierung. We nn der MAD nun gegen Rechtsextreme in der Bundeswehr vorgeht, die die Demokratie angreifen wollen und qua Beruf an Waffen ausgebildet sind, sind das für Nolte „politische Säuberungen“.
„In der Jungen Alternative engagieren sich junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund.“
Wir haben den Eindruck, es sind vielleicht doch ein paar mehr junge Menschen ohne Migrationshintergrund. Aber so soll die Unbescholtenheit mit Rassismus der „Jungen Alternative“ wohl bezeugt werden.
„(…) Ja, wir sind Patrioten, wir wollen ein sicheres Deutschland erhalten und eine vernünftige Migrationspolitik. Und wir lieben Deutschland. Aber die Junge Alternative (…) anhand weniger, aus dem Zusammenhang gerissener Halbsätze als extremistisch zu brandmarken, ist Unfug.“
Das Gutachten mit den Begründungen zur „Jungen Alternative“ als Verdachtsfall ist umfangreich und enthält mehr als ein paar Halbsätze (vgl. Verfassungsschutz.de). Unter anderem stellt der Verfassungsschutz fest: „Sie [Die „Junge Alternative“] richtet sich augenscheinlich gegen die Garantie der Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG. Eine gründliche politikwissenschaftliche und juristische Analyse der Aussagen der JA zeigt, dass sie auf den Vorrang eines ethnisch-homogenen Volksbegriffs abzielt. Diejenigen, die dieser ethnisch geschlossenen Gemeinschaft nicht angehören, macht die JA in offensichtlicher Weise verächtlich. Sie respektiert den Menschen als obersten Wert der Verfassung nicht. Dem BfV liegen deutliche Anhaltspunkte für eine migrations- und insbesondere islamfeindliche Haltung der JA vor. Dieser wird mit aggressiver Rhetorik Nachdruck verliehen.“
Gegen die Einstufung will die AfD aber jetzt klagen, denn sie wirke sich zudem negativ auf das „Ansehen der AfD“ aus und schmälere „auch ihre Attraktivität beim Wähler“ (vgl. Spiegel).
„Wer gemäß der Definition der bpb ein Rechtsextremer ist, der hat weder in der Bundeswehr, noch in meinem Abgeordnetenbüro etwas zu suchen.“
Eine Aussage, auf die man sich gern beziehen kann, wenn der MAD weitere Erkenntnisse über Maximilan T. teilt.
„Aber die Etiketten, die ein MAD, der sich offenbar jeglicher Dienstethik entledigt hat und der sich wohl als reiner Erfüllungsgehilfe der Politik versteht, jungen Menschen anheftet, deren einziges Vergehen es ist, Deutschland zu lieben, interessieren mich nicht. Mein Mitarbeiter hat meine volle Rückendeckung.“
Wer Rechtsextremismus in der Bundeswehr untersucht, habe also keine „Dienstethik“, denn die Fälle, die er verfolgt, sind nur Menschen, deren einziges Vergehen es ist, Deutschland zu lieben? Da sprechen die bekannten Fälle eine andere Sprache, etwa Reichsbürger in der Bundeswehr, Partys mit Hitlergrüßen und Rechtsrock, Rassismus und Umsturzpläne in Chatgruppen unter Beteiligung von aktiven und ehemaligen Bundeswehr-Soldaten (vgl. Merkur, BTN). Allerdings könnte diese Beschreibung auch auf so manche AfD-Fangruppe im Internet zutreffen.
„Ich selbst habe einen Antrag zum Thema Extremismus und organisierte Kriminalität in der Bundeswehr eingebracht, der nächste Woche im Verteidigungsausschuss beraten wird. Denn natürlich kann auch die Bundeswehr, so wie jeder andere Teil unserer Gesellschaft, zum Ziel von Extremisten oder kriminellen Clans werden. Das gilt es zu verhindern.“
Ablenkung vom eigentlichen Thema, in dem hier Rassismus eingestreut wird. Zum Thema „kriminelle Clans“ in der Bundeswehr: 2019 gab es 500 Verdachtsfälle wegen „mangelnder Verfassungstreue“, davon waren 450 rechtsextrem motiviert (vgl. dbwv.de).
„Es braucht in Zukunft eine politische Kraft in Deutschland, die entschlossen ist, sämtliche Extremisten, die unsere fragiler werdende Gesellschaft hervorbringt, zu bekämpfen. Gleichzeitig muss diese Kraft aber echten, demokratischen Geist vorleben. Nur so behält unsere Gesellschaft ihr festes Vertrauen in die Gerechtigkeit und Richtigkeit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Die einzige Kraft, die dazu den Willen hat, ist die Alternative für Deutschland.“
Die Partei, die permanent daran arbeitet, die Parteiendemokratie zu delegitimieren, Rassismus und Islamfeindlichkeit zu einer Normalität zu machen und so die Menschenrechte mit Füßen zu treten, wird hier also der Hort der Demokratie dargestellt. Warum?
Wir haben am 01.02.2018 beantragt, die „Demokratieklausel“ wieder einzuführen.
Wir haben am 04.04.2019 eine Enquete-Kommission „Direkte Demokratie auf Bundesebene“ beantragt.
Und wir haben am 16.08.2019 einen Gesetzesentwurf zur Einführung direkter Demokratie auf Bundesebene vorgelegt.
Bisher ohne Unterstützung irgendeiner anderen Partei.
Da ist das Misstrauen gegenüber aktiv Engagierten und gegenüber den gewählten Vertreter*innen des Volkes also bereits in Gesetzesentwürfe gegossen. Wenn die AfD Volksabstimmungen und direkte Demokratie fordert, tut sie das in der Hoffnung auf ein angeblich vorhandene schweigende Mehrheit, die die AfD auf ihrer Seite vermutet. Volksentscheide lassen sich besonders leicht durch populistische Argumentationen und (Des-) Informationen beeinflussen, weshalb wir in Deutschland für wesentliche Entscheidungen eine parlamentarische Demokratie mit gewählten Volksvertreter*innen haben, die sich informieren und in Fachgebiete einarbeiten können, bevor sie wichtige Entscheidungen fällen. Aber die gefällt Jan Nolte offenbar nicht so gut.
Noltes Posting endet mit:
Es gibt viele gute Gründe, die Alterative für Deutschland zu wählen. Demokrat zu sein, ist einer davon.
Dass so eine Argumentation nur möglich ist, wenn man zentrale Wesensmerkmale der Demokratie negiert und umkehrt, ist in der Analyse hoffentlich klar geworden.