„Wie äußert sich der Senat zur stetigen Zunahme der Demonstranten gegen seine Corona-Maßnahmen?“, wollte der Berliner NPD-Abgeordnete Kay Nerstheimer in einer schriftlichen Anfrage an den Berliner Senat wissen. Die Antwort des Staatssekretärs der Gesundheitsverwaltung, Martin Matz: „Über die Veränderungen des Körpergewichts von Demonstrierenden gegen die Corona-Maßnahmen liegen dem Senat keine Erkenntnisse vor.“ Auch wollte Nerstheimer wissen, ob Gesunde künftig auch nicht mehr zur Arbeit gehen dürfen, mit Verweis auf Lockerungen der Corona-Maßnahmen in Nachbarstaaten. Darauf antwortete der Staatssekretär lapidar: „Doch“.
In einem weiteren Anlauf fragte Nerstheimer: „Welche weiteren Ausschlüsse, Diskriminierungen und Grundrechtsschädigungen von gesunden Menschen werden des Weiteren angedacht?“ Doch die skandalöse, entlarvende Antwort, die sich Nerstheimer offenbar erhofft hatte, blieb aus. Stattdessen lautete die Antwort lediglich: „Der Senat trifft seine Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie stets mit Blick auf den verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Diskriminierungen und Grundrechtsschädigungen kommen daher nicht vor.“
Der schriftliche Fragenkatalog mit dem Titel „Einstellung der Zwangsmaßnahmen“ reichte der NPDler am 31. August 2021 ein, die Antworten der Senatsverwaltung für Gesundheit erfolgten am 20. September – nur wenige Tage vor dem Ende der Legislatur und damit Nerstheimers kurzer politischer Karriere im Abgeordnetenhaus.
2016 zog Nerstheimer, damals noch AfD, mit einem Direktmandat im Wahlkreis Lichtenberg 1 ins Berliner Abgeordnetenhaus ein, den er mit 26 Prozent gewann. Nerstheimer war in der rechtsextremen Szene bereits ein bekanntes Gesicht: Früher war er u.a. Vorsitzender der rechtsextremen „German Defence League“, die von einer „christlich-jüdischen“ Tradition fantasiert und dabei vor allem gegen den Islam und Muslim:innen hetzt. Nach eigenen Angaben wollte er die Gruppe zur Miliz ausbauen. Die „German Defence League“ wird seit 2013 vom Verfassungsschutz beobachtet. Nerstheimer war zuvor auch Mitglied der ebenfalls islamfeindlichen Kleinstpartei „Die Freiheit“. Er ist zudem sechsfach vorbestraft, unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung, Fahrerflucht und Verletzung der Unterhaltspflicht.
Vor der Konstituierung der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus verzichtete er jedoch nach internen Streitigkeiten auf eine Fraktionsmitgliedschaft. 2016 wurde ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn eingeleitet, doch erst im Januar 2020 schloss das Bundesschiedsgericht der AfD Nerstheimer in letzter Instanz aus der Partei endlich aus. Im November 2020 wechselte er dann zur NPD und wurde somit die einzige NPD-Vertretung in einem deutschen Landtag (siehe Belltower.News).
Onlineshopping während Landtagsplenum
Zuletzt sorgte Nerstheimer Anfang des Jahres mit seinen Onlineshopping-Aktivitäten für Schlagzeilen. Wie in der taz berichtet wurde, hatte er unter Klarnamen zahlreiche Artikel bestellt und verfasste zudem als verifizierter Käufer Dutzende Produktbewertungen zu Waffen und Zubehör. Unter anderem scheint Nerstheimer in Besitz einer MP40 zu sein, der Standard-Maschinenpistole der Wehrmacht. Der Besitz ist verboten und würde unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen.
Als Mitglied einer verfassungsfeindlichen Partei wie der NPD darf Nerstheimer laut Waffengesetz keine Waffen besitzen. Ein Hinweis darauf, dass der wegen Volksverhetzung verurteilte Nerstheimer dennoch in Besitz von Schusswaffen ist, liefert er dabei selbst: Ein User mit dem Namen „Mitglied Des Abgeordnetenhause N. aus Berlin“ (Fehler im Original) bewertet auf der Website des Waffenhändlers „Frankonia“ eine „Ceska CZ 75 B“ mit den Worten „Eine schöne handliche Dienstpistole“. Die am 12. Dezember 2019 verfasste Rezension überschneidet sich zeitlich mit den Sitzungen im Abgeordnetenhaus. Nutzte Nerstheimer die Zeit im Plenum fürs Shoppen? Inzwischen darf Nerstheimer nicht mehr ballern: Nach Informationen der taz wurde ihm die Waffenbesitzkarte entzogen.
Nerstheimer scheitert bei Landtagswahlen
Nun verliert Nerstheimer auch seinen Sitz im Abgeordnetenhaus: Bei den letzten Wahlen vergangene Woche reichte das Wahlergebnis von lediglich 128 Stimmen und 0,6 Prozent Nerstheimer nicht mehr für ein Mandat aus. Zwar verspricht eine Kandidatur für die NPD so oder so wenig Erfolg, wie die sehr schlechten Wahlergebnisse der letzten Jahre zeigen, jedoch haben sicherlich auch die beschriebenen Fehltritte ihr Übriges getan.
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