Wenn 20-Jährige sich im Internet für Rechtsterrorismus begeistern, kann das geschmackloses Posertum sein – oder eine echte Gefahr. Am Mittwoch, dem 13. April 2022, teilt die Generalbundesanwaltschaft mit, dass sie gegen den mutmaßlichen Rechtsextremen Marvin E. wegen versuchter Gründung einer terroristischen Vereinigung sowie Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat Anklage erhebt. Ihm soll am Oberlandesgericht Frankfurt der Prozess gemacht werden. Bereits seit Mitte September 2021 sitzt Marvin E. wegen Vorbereitung einer „schweren staatsgefährdenden Gewalttat“ und Verstößen gegen das Sprengstoffgesetz in Untersuchungshaft.
Bei dem Angeklagten Marvin E. handelt sich um einen hessischen Schreinerlehrling, der auch für lokale CDU bei der Stadtverordnetenwahl 2021 antrat – kurz vor seiner Festnahme. Bei einer Hausdurchsuchung im September 2021 fanden Ermittler:innen neben rund 600 selbstgebastelten Sprengkörpern und Sprengfallen auch ein Manifest, indem er zum „totalen Rassenkrieg“ aufruft. Die Generalbundesanwaltschaft teilt weiter mit, dass Marvin E. Anhänger der rechtsterroristischen Ideologie der „Atomwaffen Division“ (AWD) sein soll.
Die sogenannte „Atomwaffen Division“ (AWD) ist eine rechtsterroristische Organisation, begründet 2015 in den USA. Unter dem Label organisieren sich Neonazis und White-Supremacy-Fanatiker:innen, die vor allem junge Menschen weltweit für ihre Gewalttaten anwerben. In den USA werden Mitglieder der AWD bereits für mindestens fünf Morde verantwortlich gemacht. Ein geplanter Sprengstoffanschlag auf ein Kernkraftwerk konnte glücklicherweise verhindert werden. Vergangene Woche, am 6. April, fanden in Deutschland großangelegte Razzien gegen die rechtsextreme Szene statt. Auch die Aktivitäten von deutschen Mitgliedern der AWD standen hier im Fokus.
„Atomwaffen Division Hessen“
Im Februar, zum Beginn des „Black History Month“, waren an mehreren Dutzend Schwarzen Colleges und Universitäten in den USA Bombendrohungen eingegangen. Spuren der Täter:innen führten auch hier zur „Atomwaffen Division“. Die international verbreitete, lose Gruppe der AWD-Anhänger:innen verfolgt das Prinzip der „Zellen des führerlosen Widerstandes“, bezugnehmend auf „Siege“ von James Mason. Auch in Deutschland gibt es AWD-Zellen. Laut Bundesanwaltschaft stand der nun angeklagte Marvin E. der „Atomwaffen Division Hessen“ vor, beziehungsweise wollte diese aufbauen.
Im Sommer 2021 soll E. den Plan aufgestellt haben, innerhalb von drei Jahren in Deutschland einen „Rassen“- und Bürgerkrieg im Sinne der AWD-Ideologie zu entfachen. „Hierfür sollte eine von ihm geführte ‘Atomwaffen Division Hessen‘ Anschläge mittels Sprengsätzen und Schusswaffen begehen“, berichtet die Generalbundesanwaltschaft. E. soll versucht haben, vor allem Personen mit Erfahrung im Umgang mit Waffen und Pyrotechnik zu rekrutieren. Außerdem bemühte er sich, die entsprechenden Waffen zu besorgen. E. soll sich über Schnellfeuerwaffen informiert haben. Zudem erwarb er via Internet verschiedene Komponenten, mit denen er mehrere sogenannte unkonventionelle Sprengvorrichtungen herstellte. „Das von ihm produzierte Gemisch entfaltete dabei eine Sprengkraft, die einen mit militärischem Sprengstoff in etwa vergleichbaren Wirkungsgrad erzielte“, gab die Bundesanwaltschaft am Mittwoch bekannt.
Um den in der rechtsextremen Szene viel beschworenen „Tag X“ auszulösen, an dessen Ende eine neofaschistische Herrschaftsform stehen soll, habe Marvin E. laut Spiegel Anschläge auf Politiker:innen, Amtsträger:innen und staatliche Einrichtungen geplant haben. Laut Bundesanwaltschaft, habe E. bereits einige Anschlagsziele ins Auge gefasst.
Zu einer Umsetzung seiner Vorhaben kam es nicht, da Marvin E. im September festgenommen wurde. Seitdem befindet er sich in Untersuchungshaft.