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Antifeminismus-melden.de Antifeminismus: Der Kampf um die Gleichwertigkeit

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Fröhlichen Frauenkampftag uns allen! (Quelle: Flickr.com / strassenstriche.net / CC BY-NC 2.0)

Seit einigen Wochen ist die „Meldestelle Antifeminismus“ der Amadeu Antonio Stiftung online. Seit ihrer Bekanntgabe geht eine Welle der Panik durch Deutschland: Der Feminismus-Pranger droht!  Nimmt etwa die Stiftung dem braven deutschen Bürger das vermeintlich gottgegebene Recht, Frauen und queere Menschen konsequenzlos attackieren zu dürfen? Diese affekthaften Reaktionen zeigen vor allem eins auf: die immer noch bestehende Notwendigkeit feministischer Kämpfe.

Misogyne Gewalt ist Alltag in diesem Land. Systematische Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen ist Alltag in diesem Land. Die zunehmend ansteigende Hetze und Gewalt gegen transgeschlechtliche Menschen ist Alltag in diesem Land. All das wird auf Social Media, im Zwischenmenschlichen und im Parlament unterstützt und damit weiter normalisiert. Die Omnipräsenz von Misogynie, Sexismus und Queerfeindlichkeit ist fest im herrschenden Geschlechterverhältnis verankert und zeigt eindeutig die Notwendigkeit feministischer Kämpfe auf.

Feminismus als Angriff auf die eigene schwache Persönlichkeit

Heterosexuelle, cisgeschlechtliche Männer profitieren auf gesellschaftlich-politischer, aber auch auf individueller Ebene von der patriarchalen Herrschaft. Denn: die hegemoniale Vorstellung von Männlichkeit ist auf der systematischen Abwertung des Nicht-Männlichen (also des weiblichen und queeren) aufgebaut. Ich-schwache Männer sind also Vertreter ihres Geschlechts, deren Persönlichkeit ausschließlich auf der Identifikation mit seinem Phallus und allem, was er damit assoziiert, basiert. Der Ich-schwache Mann betrachtet feministische Kämpfe nicht nur als Angriff auf seine gesellschaftliche Hegemonie-Position, sondern auch auf das vermeintliche Anrecht, Frauen und queere Menschen diskriminieren, unterdrücken und attackieren zu dürfen. Dementsprechend panisch und wütend reagiert er auf alles, was  auch nur ansatzweise nach Feminismus aussieht: Er begreift die Gleichstellung von Frauen und queeren Menschen als konkreten Angriff auf seine eigene Persönlichkeit. Und die scheint eine Mischung zu sein aus bräsigen Altherren-Witzen, dem Wettern gegen die „Woke-Agenda“ und dem Echauffieren über Klimaktivist*innen beim Biertrinken mit der Männerrunde.

Antifeminismus als politisierte Männlichkeit

Als ein effektives Mittel gegen diese bedrohliche Emanzipation scheint einigen Menschen der Antifeminismus. Es ist über 100 Jahre her, seitdem die Feministin Hedwig Dohm folgende Zeilen veröffentlicht hat: „Die Frauenfrage in der Gegenwart ist eine akute geworden. Auf der einen Seite werden die Ansprüche immer radikaler, auf der anderen die Abwehr immer energischer. Letzteres ist erklärlich. Je dringender die Gefahr der Fraueninvasion in das Reich der Männer sich gestaltet, je geharnischter treten ihr die Bedrohten entgegen.“

Zum Glück bleibt Dohm erspart, sich mit ansehen zu müssen, wie aktuell ihre Worte 100 Jahre später immer noch sind. Denn immernoch ziehen tagtäglich dauerempörte Männerrechtler, Kolumnenschreiber und Antifeministinnen in den affekthaften Kampf gegen die feministische Emanzipation. Feminist*innen erfahren jeden Tag aufs Neue, dass jede Maßnahme gegen den omnipräsenten patriarchalen Normalzustand, und sei sie noch so klein, mit einem reaktionären Backlash beantwortet wird. Jede Person, die in der Öffentlichkeit feministisch agiert, erfährt für ihren Aktivismus Angriffe, Beleidigungen oder gar koordinierte Hasskampagnen. Laut der Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig vertreten sogar 25 % der Menschen in Deutschland ein geschlossen antifeministisches Weltbild!

Um Betroffene antifeministischer Hassgewalt eine Stimme zu geben, hat die Amadeu Antonio Stiftung die „Meldestelle Antifeminismus“ ins Leben gerufen. Seit Bekanntgabe des Projekts überschlägt sich die antifeministische Empörung in Zeitungskolumnen und auf Social Media. Anstatt einer nüchternen Auseinandersetzung mit der Meldestelle dominieren Panikmache, Desinformation und die Bagatellisierung von Antifeminismus.

Feindbild Feminismus

Die ressentimentgeschwängerten Pseudo-Argumente der YouTube-Videos, Zeitungsartikel oder Tweets sind immer die gleichen. „Online-Pranger“, „Petz-Portal“, „Denunziation“, „Stasi“, „Einimpfung totalitärer Gender-Ideologie“, gar: der Kampf gegen Antifeminismus als „antidemokratisch“. Dass all diese Behauptungen nicht stimmen, und auch von der Meldestelle selbst widerlegt worden sind – geschenkt. Den empörten AntifeministInnen ist das egal. Denn, wie jede reaktionäre Einstellung ist Antifeminismus nicht rational, sondern affekthaft, pathisch-projektiv und vor allem Ausdruck der Verleugnung der eigenen, patriarchalen Gewalt. Deswegen werden wir hier aufzeigen, was hinter der gängigen Panikmache vor dem Portal steckt.

Aus dem Geraune von „Denunziation“ spricht eigentlich nur eins: die Angst davor, Konsequenzen für die eigene Frauen- und Queerfeindlichkeit zu erfahren. Es erinnert ein wenig an die wütenden Reaktionen von AfD-Mitgliedern, die bei Artikeln über ihre Verbindungen in die radikale Rechte sich über „Kontaktschuld“ beschweren: Sie wollen einfach nur weiter ungestört diskriminieren dürfen. Diese Angst ist durchaus auch entlarvend. Denn: Diese Antifeminist*innen und Frauenfeind*innen scheinen also durchaus auch zu ahnen, dass ihre Worte und Taten Ausdruck von Menschenverachtung sind.

Deswegen geht die Wut über die Thematisierung von Antifeminismus regelmäßig mit dessen Bagatellisierung einher. „Wir haben doch schon längst Geschlechtergerechtigkeit“, „Männern geht es viel schlechter als Frauen“, „Antifeminismus und Sexismus sind kein Strafbestand und deswegen nicht schlimm“, „Das Problem ist die Trans-Agenda“ sind wiederkehrende Kommentare der GegnerInnen der Meldestelle. Nur: Sie entbehren jeglicher Realität

Es bedarf schon einiges an kognitiver Dissonanz und patriarchaler Verblendung, um die Brutalität geschlechtsspezifischer Gewalt zu leugnen. Und: würde in einer Welt, in der Frauenhass kein Problem mehr wäre, es zu so einem Zorn über ein feministisches Portal kommen? Vermutlich nicht. Antifeminismus ist laut diesen Behauptungen eine legitime Meinung von vielen, keine Ideologie der Ungleichwertigkeit und aktives Instrument gegen ein gutes Leben für alle.

Besonders absurd wird es, wenn die Meldestelle gar als „demokratiefeindlich“ bezeichnet wird – als wäre Antifeminismus nicht von jeher ein politisches Instrument, um Frauen die politische Partizipation zu verwehren! Dann wieder wird er gar als notwendige Gegenwehr gegen eine männerfeindliche Kampagne dargestellt – obwohl er Ausdruck einer Weltsicht ist, in der ein selbstbestimmtes Leben für Frauen und queeren Menschen nicht vorkommen darf.

Täter-Opfer-Umkehr statt Gefahr durch Meldestelle

Außerdem ist das Lamento über einen „Online-Pranger“ Täter-Opfer-Umkehr. Regelmäßig werden feministische Aktivist*innen für ihre politische Arbeit als Feindbilder markiert und müssen sich deswegen aus der Öffentlichkeit zurückziehen. Misogyne Shitstorms zählen seit Jahren zum Repertoire konservativer bis rechtsradikaler AkteurInnen und gehen für Betroffene mit psychischer Belastung, Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit oder Doxxing einher. Judith Rahner, Leiterin der „Fachstelle für Gender, Rechtsextremismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ der Stiftung, sagt: „Einige bisher eingegangene Meldungen zeigen sehr deutlich, mit wieviel Hass Menschen umzugehen haben, die sich für Gleichberechtigung und gegen Sexismus engagieren. Es gibt zudem eine Reihe unangemessener Kommentaren bis üblen Diffamierungen gegen die Meldestelle, die Stiftung und einzelne Mitarbeitende. Die sind teilweise schwer zu ertragen, aber demonstrieren sehr eindrücklich wie notwendig die Arbeit gegen Hass und Antifeminismus ist.“

Für diese Aktivist*innen haben jene Kommentator*innen, die gerade aus Sorge vor unrechtmäßigen Anzeigen unschuldiger konservativer Aktivist*innen zerfließen, in der Regel wenig Sympathie übrig. Denn: in ihren Augen sind Feminist*innen durch ihr öffentliches Auftreten selbst daran schuld, wenn sie attackiert werden.

Der Wunsch, Opfer zu sein

Die immer wiederholte Behauptung, Opfer einer feministischen Agenda zu sein – anstatt Profiteur eines patriarchalen Systems – dient der Legitimation des eigenen misogynen Hasses. Die kritische Theorie bezeichnet diese Tendenz als „autoritäre Revolte“: deren VertreterInnen reproduzieren zwar die auf Unterdrückung Marginalisierter basierenden gesellschaftlichen Verhältnisse, verleugnen dies aber. Es ist dem eigenen Selbstbild nämlich zuträglich, sich selbst als „Underdog“ zu fühlen, der sich gegen eine ihm überlegene Gewalt zur Wehr setzt. Die Vorstellung dieser „woken, linksgrünen Agenda“, die mit staatlicher Gewalt durchgesetzt werden soll, ist selbstverständlich lediglich Ausdruck der eigenen pathologischen Verunsicherung. Dass wir nach wie vor in einer Gesellschaft leben, in der Männer den Großteil der Projektionsmittel besitzen, den kulturellen Diskurs dominieren, mehr in Parlamenten vertreten sind und sich auf Jahrtausenden verankerter und gewalttätig durchgesetzter geschlechtsspezifischer Unterdrückung ausruhen, wird verdrängt.

Hervorzuheben ist an dieser Stelle auch der Aspekt der Transfeindlichkeit in den Angriffen gegen die Meldestelle. Dieser macht auf erschreckende Art und Weise deutlich, dass AkteurInnen aus unterschiedlichsten politischen Richtungen ihre Differenzen beiseitelegen können, wenn es um den Hass gegen transgeschlechtliche Menschen geht. Seit Monaten tobt ein Kulturkrieg gegen die Emanzipation von trans Menschen, von sich „feministisch“ nennender Seite unterfüttert mit der Behauptung, dass diese Kämpfe diejenigen von cisgeschlechtlichen Frauen unterminieren würden. Dabei wird jedoch bewusst ignoriert, dass die Kämpfe von trans Menschen und cis Frauen die gleiche Basis haben: das Recht auf Selbstbestimmung jenseits biologistisch-patriarchaler Zurichtungen. Transfeindlichkeit fungiert bei cis Frauen ähnlich wie Sexismus bei Männern: Sie dient der Abwertung einer marginalisierten Bevölkerungsgruppe, um sich selbst darüber narzisstisch zu überhöhen. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass selbsternannte transfeindliche „Feministinnen“ im Bezug auf diese Debatte kaum Berührungsängste haben, mit AkteurInnen zu kooperieren, die dem Feminismus selbst ansonsten doch nicht gerade wohl gesonnen sind.

Twitter-Profil,  das sich gegen die Realität von Transgeschlechtlichkeit ausspricht (und die Meldestelle kritisiert hat).  Das Kiwi-Emoji gilt als Symbol von Zweigeschlechtlichkeit, weil die Kiwi Früchte mit getrennten männlichen und weiblichen Blütenständen austreibt, das Biber-Emoji bezieht sich darauf, dass „beaver“ ein englisches Slang-Wort für die weibliche Vagina ist, und Biber werden zum Symbol für bevorzugte Sexualpraktiken, weil Biber Stöcke mögen. Das Clown-Emoji steht für die Clownworld, in der wir angeblich leben, der Dinosaurier-Emoji ist ein Symbol der Rückständigkeit, die Transfeind*innen immer wieder vorgeworfen wird und die sie umarmen, indem sie das Emoji selbst verwenden. „Dritte Person“ soll sich über das dritte Geschlecht lustigmachen, und auch #HogwartsLegacy bezieht sich auf die Transfeindlichkeit der „Harry Potter“-Autorin J.K. Rowling.

Wer die Kolumnen zur Meldestelle Antifeminismus, die in bürgerlich-liberalen bis hin zu rechtsradikalen Blättern und Blogs veröffentlicht worden sind, liest, könnte glauben, dass ab sofort für jedes einzelne Wort, das nicht mit Gender-Stern versehen ist, der oder die Sündige auf einer akribisch geführten Liste landet, um anschließend von Familienministerin Lisa Paus geführten Feminismus-Tribunal zum Klaus Theweleit-Lesekreis ins Straflager verdonnert zu werden.

Diese Panikmache vor dem „Anschwärzen“ hat System. Den LeserInnen oder ZuschauerInnen soll vermittelt werden, der Feminismus bedrohe einen sicheren, gewohnten Status Quo – was zu einem Gefühl der affekthaften Ablehnung führt. Es ist nicht verwunderlich, dass der Großteil der Texte aus einem Spektrum rechts der Mitte stammt: Antifeminismus ist integraler Bestandteil reaktionärer Ideologien. Gleichzeitig ist er jedoch auch bis weit in die Mitte der Gesellschaft verankert und fungiert deswegen ganz ausgezeichnet als „Türöffner“ an den rechten Rand. Gekränkte Männlichkeit, Misogynie, Queerfeindlichkeit, der Kampf gegen eine imaginierte „Woke Culure“ und den Kulturmarxismus werden von rechtsradikalen AkteurInnen gezielt eingesetzt, um in ihrer Hegemonie-Position verunsicherte Männer zu rekrutieren.

Sexismus, Queerfeindlichkeit, Misogynie und Antifeminismus werden gerade wegen ihrer das Patriarchat stützenden Funktion nach wie vor nicht in ihrer Gewalttätigkeit anerkannt. Alle Männer profitieren auf die eine oder andere Art vom Geschlechterverhältnis, und der überwältigende Großteil ist deswegen geneigt, es zu verteidigen. Dies geschieht immer wieder auf Kosten von Frauen und queeren Menschen. Und gerade deshalb braucht es die „Meldestelle Antifeminismus“: um den Betroffenen eine Stimme zu geben und sie im Kampf gegen die Gewalt zu unterstützen und einen Teil zu einer Gesellschaft beizutragen, in der Geschlechtergerechtigkeit Realität ist – ob es Antifeminist*innen passt oder nicht.

 

Das Foto wird unter der Lizenz CC BY-NC 2.0 veröffentlicht.

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