Innerhalb von zwei Tagen wurden in Deutschland zwei Synagogen angegriffen. Am Morgen des 18. Novembers 2022 wurden an einer Tür zum Rabbinerhaus der Alten Synagoge in Essen Einschusslöcher entdeckt. Die Synagoge gehört der Stadt und wird von der jüdischen Gemeinde nicht mehr als Gotteshaus genutzt. Im Rabbinerhaus arbeitet heute ein Institut für deutsch-jüdische Geschichte. Überwachungsaufnahmen zeigen, dass eine unbekannte Person in der Nacht zum Freitag mindestens dreimal auf die Tür schoss. Die Ermittlungen laufen weiter, ein möglicher Täter wurde bisher noch nicht gefunden. Aktuell sucht die Polizei nach Zeug*innen, die den Angriff gesehen haben könnten.
Während der Ermittlungen am Samstag entdeckte die Polizei allerdings auch zwei Löcher im Kuppeldach der Neuen Synagoge in Essen. Laut Angaben der Behörde könnte es sich dabei ebenfalls um Einschusslöcher handeln. Die vorhandenen Rostspuren deuteten aber daraufhin, dass die Löcher bereits vor vier Wochen entstanden sein könnten.
Nach dem Anschlag hatte das Innenministerium NRW am Freitag einen „Sensibilisierungserlass“ an alle Kreispolizeibehörden versendet, Innenminister Herbert Reul (CDU) bezeichnete die Schüsse als „Anschlag“. Der Erlass des Ministeriums verlangt, dass Personen- und Objektschutzmaßnahmen „vor dem Hintergrund der Ereignisse in Essen“ überprüft und angepasst werden. In Essen wurde der Schutz der Synagoge bereits verstärkt. SPD und FDP haben eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragt. Die Landesregierung soll sich zu Hintergründen der Tat und den bisherigen Ermittlungen äußern und Auskunft darüber geben, „welche Konsequenzen (..) aus der wachsenden Zahl an antisemitischen Übergriffen“ hervorgehen, heißt es im Antrag für die Sondersitzung.
Der Botschafter Israels in Deutschland schreibt auf Twitter: „Die Schüsse auf die alte Synagoge in Essen zielen nicht nur auf die jüdische Gemeinde in Deutschland, sondern sind eine Bedrohung für die gesamte deutsche Gesellschaft“. Oberster Priorität müsse der Kampf gegen Antisemitismus haben, so der Botschafter: „Hier darf nicht nachgelassen werden“.
In der Nacht von Freitag auf Samstag wurde auch in Berlin eine Synagoge angegriffen. Im Eingangsbereich der Synagoge in Schöneberg wurde die Mesusa abgerissen, eine traditionelle Schriftkapsel, die an Eingangstüren angebracht wird und die zwei Gebetsabschnitte aus der Tora enthält. Eine Passantin hatte bereits in der Nacht die Polizei verständigt, nachdem sie im Eingangsbereich Müll und eine zerstörte Türklingel bemerkt hatte. In dem Müllhaufen wurde schließlich von Beamt*innen die leere Menusa gefunden. Der Staatsschutz ermittelt wegen Diebstahl und Sachbeschädigung.
Antisemitische Straftaten gehören zum Alltag in Deutschland. Für 2021 meldetet das Bundesinnenministerium 3.028 Fälle, 700 Fälle oder 30 Prozent mehr als im Jahr 2020, das bereits einen traurigen Höchststand der Fälle seit 2001 verzeichnet hatte. Hochgerechnet werden in Deutschland fast zehn antisemitische Straftaten am Tag begangen.
Foto oben: Tuxyso / Wikimedia Commons / CC BY-SA 3.0