Im August 2022 jährte sich zum 50. Mal die Ermordung von elf israelischen Sportlern bei der Olympiade in München durch palästinensische Terroristen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskanzler Olaf Scholz wurde der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) Mahmud Abbas gefragt, ob er sich für diesen Terroranschlag entschuldige. Abbas tat das nicht, stattdessen antwortete er: „Israel hat seit 1947 bis zum heutigen Tag 50 Massaker in 50 palästinensischen Orten begangen. 50 Massaker, 50 Holocausts“.
Damit hat Abbas im Bundeskanzleramt die Shoah relativiert, indem er den israelischen Staat mit den Gräueltaten der Nationalsozialist*innen auf eine Stufe stellte. Stärker noch: Er suggerierte, Israel sei sogar noch schlimmer. Denn der jüdische Staat soll gleich eine Vielzahl von Holocausts zu verantworten haben und das bereits vor seiner offiziellen Gründung 1948. Damit delegitimiert er den weltweit einzig jüdischen Staat, denn welche Existenz hätte ein Staat, der 50 Holocausts begangen hätte?
Trotz dieser Dämonisierung Israels fand Bundeskanzler Scholz keinen guten Umgang mit Abbas Worten. Die Pressekonferenz war direkt nach diesem Statement beendet, Scholz blieb keine Zeit für Widerworte, hieß es später.
Vereint gegen Israel
Die Aussage von Abbas trifft in Deutschland auf fruchtbaren Boden. Sie knüpft an eine weithin verbreitete Sichtweise auf Israel und den Nahostkonflikt an. Israel wird von vielen als Übel der Region angesehen. So finden bis zu 36 Prozent der befragten Personen in Deutschland in einer Studie der Bertelsmann-Stiftung aus dem Jahr 2022, dass Israels Politik mit den Nationalsozialist*innen verglichen werden kann. 43 Prozent der Befragten geben Israel selbst die Schuld, antisemitisch angefeindet zu werden und stimmen der Aussage zu: „Die israelische Regierung trägt dazu bei, dass es Antisemitismus, also Judenfeindlichkeit, gibt.“
Diese weitverbreitete israelfeindliche Grundstimmung zeigt sich auch in Resolutionen der Vereinten Nationen (UN). Seit Jahren wird Israel öfter wegen Menschenrechtsverletzungen durch die UN gerügt als alle Staaten dieser Erde zusammen. Die Resolutionen zeugen von einem doppelten Standard, der an das einzige Land mit einer jüdischen Mehrheitsbevölkerung gelegt wird: Im Zeitraum von 2015 bis 2022 zählt die Organisation UN Watch insgesamt 140 Resolutionen der UN-Generalversammlung zu Israel, während es gleichzeitig 69 Resolutionen gegen alle anderen Länder insgesamt gab. Das ist ein bemerkenswertes Gefälle, das sich durch die Situation in Israel nicht erklären lässt. In 2022 verabschiedete die UN 15 Resolutionen gegen Israel bei gleichzeitig 13 Resolutionen gegen alle anderen Länder (darunter sechs gegen Russland, eine gegen Nordkorea und Iran und keine gegen China oder Katar).
Die verzerrende Darstellung Israels im Abstimmungsverhalten der UN zeigt sich auch rund um eine Gedenkfeier, die in diesem Jahr die UN-Generalversammlung im Mai zum 75. Jahrestag der sogenannten Nakba abhält – das arabische Wort für „Katastrophe“. Es bezeichnet die Flucht und Vertreibung von Palästinenser*innen in der Zeit von 1947 bis 1949, also im Kontext der Staatsgründung Israels und des Unabhängigkeitskrieges.
Zu diesen historisch komplexen und vielschichtigen Ereignissen gibt es unterschiedliche Erzählungen, Instrumentalisierungen, Auslassungen sowie antisemitische Verzerrungen. Die Nakba-Erzählung ist dann verzerrend, wenn sie als antizionistischer Mythos verwendet wird. Wie auch die Behauptung von Abbas, dass Israel seit 1947 50 Holocausts begangen habe.
Zum Hintergrund
Die UN-Vollversammlung hat im November 1947 eine Resolution angenommen, die die Teilung des damaligen britischen Mandatsgebiets in zwei je unabhängige Staaten, einen jüdischen und einen arabisch-palästinensischen vorsah. Die Resolution reagierte damit auf den Konflikt um das frühere britische Mandatsgebiet zwischen arabischen Nationalbewegungen, zionistischen Gruppen und der britischen Regierung. Es häuften sich militante Auseinandersetzungen zwischen jüdischen und arabischen Gruppen, sodass die britische Regierung das Problem an die Vollversammlung der Vereinten Nationen herantrug. Die Resolution wurde zeitlich zudem unter direktem Eindruck der Shoah und damit der dringenden Notwendigkeit, eine Heimstätte für das jüdische Volk zu finden, erlassen. Jüdinnen*Juden leben seit Jahrhunderten in der Region, ebenso wie Muslim*innen und Angehörige anderer Religionen.
Der UN-Teilungsplan sah zwei Staaten mit demokratischer Verfassung vor. Mit 33 Stimmen wurde der Plan von den UN angenommen, 13 Staaten stimmten dagegen – darunter alle arabischen Mitgliedstaaten der UN. Zehn Länder enthielten sich. Nachdem am 14. Mai 1948, nach jüdischem Kalender am 5. Ijjar, David Ben-Gurion die Unabhängigkeitserklärung verlesen hatte und damit der Staat Israel gegründet wurde, erklärten die arabischen Staaten Syrien, Ägypten, Libanon, Transjordanien und Irak den Krieg und marschierten am Folgetag in den neugegründeten Staat ein. An diesem Tag wird heute der „Nakba-Tag“ begangen. Im Zuge dieses Unabhängigkeits- bzw. arabisch-israelischen Krieges kam es zu Vertreibungen und Flucht. Jordanien besetzte in diesem Krieg für fast 20 Jahre das Westjordanland und Ostjerusalem.
Die Nakba-Erzählung: Zahlen und Fakten
Der Historiker Benny Morris schreibt: „Die meisten der 700.000 Araber, die aus ihren Häusern vertrieben und später ‚Flüchtlinge‘ genannt wurden […] flohen aus Angst vor einem nahenden Kampf in ihren Dörfern und Städten und vor Kämpfen selbst. Man fürchtete, von Kugeln oder Granaten getroffen zu werden und unter jüdische Kontrolle zu kommen. Andere verließen ihre Heimat, vor allem Dörfer in der dicht besiedelten, von Juden bewohnten Küstenregion und Tälern, weil es ihnen von arabischer Seite geraten oder angeordnet wurde, […] – Frauen und Kinder wurden aus Dutzenden Dörfern fortgeschickt, und ganze Dörfer wurden evakuiert, schon ab Dezember 1947 – entweder aus Angst, dass Zivilisten bei eventuellen feindlichen Handlungen verwundet werden könnten oder aus Angst, unter jüdischer Herrschaft in jüdischen Gebieten leben zu müssen.“
Gemeinhin wird mit der Nakba-Erzählung behauptet, dass 700.000 Palästinenser*innen von Israelis vertrieben wurden. Welche Rolle diese Geschehnisse für die heutige Situation im Nahostkonflikt haben und wie ihnen erinnert wird, ist dabei immer wieder Gegenstand wichtiger, aber teils aufgeladener Debatten. Denn das ist nur die halbe Wahrheit. Wie viele Menschen aus welchen Motiven geflohen sind, ist schwer zu sagen. Insgesamt kam es zu teils widersprüchlichen Erfahrungen. Während in manchen Regionen jüdische Gruppierungen die arabische Bevölkerung explizit zum Bleiben aufforderten, waren andere an gewaltsamen Vertreibungen beteiligt. Gleichzeitig riefen arabische und palästinensische Führungspersonen zur Flucht auf, um der arabischen Armee mehr Handlungsspielraum zu ermöglichen.
Von verschiedener Seite wurden Opferzahlen teils künstlich erhöht, um die Flucht voranzutreiben. Die generelle Angst vor Kriegsgefahren, Aufrufe der arabischen Führer und damit verbunden die Hoffnung, nach einem Sieg der arabischen Truppen bald wieder zurückkehren zu können oder auch der Unwille, unter Jüdinnen*Juden leben zu wollen, werden ebenfalls in unterschiedlicher Gewichtung als Gründe angegeben, wie die Ausstellung „1948 – Wie der Staat Israel entstand“ darlegt.
Fluchtgründe waren also auch die Reaktion auf einen Krieg, der mit der Ablehnung des UN-Teilungsplans sowie dem Einmarsch arabischer Truppen begann. Während Palästinenser*innen auch aus ihren Häusern vertrieben wurden, ist die Reduzierung der Geschehnisse auf diesen Fluchtgrund oder die Behauptung, es hätte zu dieser Zeit eine „umfangreiche, von jüdischen Truppen in Gang gesetzte ethnische Säuberung“ stattgefunden, eine einseitige beziehungsweise falsche Darstellung, wie das Mideast Freedom Forum Berlin (MFFB) kritisch anmerkt.
Gegen die UN-Resolution für eine Gedenkfeier der sogenannten Nakba haben 30 Staaten gestimmt, darunter Deutschland, Griechenland, die USA und auch muslimische Staaten wie Jordanien, die Vereinigten Arabischen Emirate und Marokko, die diplomatische Beziehungen mit Israel unterhalten. 90 Länder stimmten der Resolution zu. Damit ist sie angenommen.
Ein Volk ohne Wurzeln?
In der Debatte über diese Resolution bezeichnete der Vertreter Israels bei der UN, Gilad Erdan, die Darstellung Israels und die Gedenkfeier der UN als „beschämend“. Sie zementiere den Nahostkonflikt, fasst die Jüdische Allgemeine seine Position zusammen. „Was würden Sie sagen, wenn die internationale Gemeinschaft die Gründung Ihres Landes als Katastrophe beginge?“, wird Erdan von israelnetz zitiert. Der Repräsentant Palästinas, Riyad Mansour, behauptete in der Debatte, dass die Politik Israels seit 75 Jahren darauf abziele, die Palästinenser*innen zu entwurzeln (Original: „75 years Israeli policies aiming to uproot our people“). Mit der Gedenkfeier erkenne die UN-Generalversammlung endlich die historische Ungerechtigkeit den Palästinenser*innen gegenüber sowie den 75. Jahrestag der Nakba an.
Mit dem Terminus der „Entwurzelung“ wird im deutschen Sprachraum auch verknüpft, Israel verfolge seit seiner Gründung einen Plan, die wahren mit dem Land Verwurzelten – die Palästinenser*innen – von ihrem ursprünglichen Territorium zu entwurzeln. Das ignoriert nicht nur den Angriffskrieg der arabischen Staaten direkt nach der Staatsgründung Israels, der zur Flucht und Vertreibung vieler Palästinenser*innen führte, oder dass auf dem Gebiet des heutigen Israels seit mehreren tausenden Jahren Jüdinnen*Juden leben. Es findet auch ein assoziativer Anschluss an uralte antisemitische Vorstellungen statt, nach denen „der Jude“ keine Heimat kenne und als „Wurzelloser“ für ewig über die Erde wandele.
In einem offenen Brief palästinensischer und arabischer Professor*innen, Künstler*innen und Schriftsteller*innen wird die angebliche Entwurzelung als Grundpfeiler der israelischen Staatsgründung beschrieben: „In seiner aktuellen Form basiert der Staat Israel darauf, einen Großteil der autochthonen Bevölkerung entwurzelt zu haben – was Palästinenser*innen und Araber*innen als Nakba bezeichnen – und jene, die weiterhin auf dem Gebiet des historischen Palästina leben, entweder als Bürger*innen zweiter Klasse zu behandeln oder der Besatzung auszuliefern und ihnen so ihr Recht auf Selbstbestimmung zu verweigern“.
Auch in linken Kontexten in Deutschland findet sich das Bild der „Entwurzelung“: „Die Palästinenser*innen halten jährlich am 15. Mai mit dem Tag der Nakba das Gedenken an die Entwurzelung und Vernichtung ihrer Gesellschaft aufrecht. Vor, während und nach der Staatsgründung Israels am 14. Mai 1948 wurden etwa 750.000 Palästinenser*innen vertrieben und in die Flucht gezwungen. Zehntausende Palästinenser*innen verloren ihr Leben. Zionistische Milizen verübten Massaker, es kam zu Plünderungen und Vergewaltigungen“, heißt es von „Marx21“, einer trotzkistischen Gruppe innerhalb der Partei „Die Linke“. Solche Verkürzungen und Auslassungen verzerren die Geschehnisse und erfüllen einen politischen Zweck: Sie dämonisieren und delegitimieren Israel.
Die Nutzung der Nakba-Erzählung als antisemitisches Narrativ
Die Nakba-Erzählung ist als antizionistischer Mythos vielfach einseitig und verzerrend. Sie wird genutzt, um Israel zu delegitimieren. Im Gespräch mit dem Leiter der „Bildungsstätte Anne Frank“, Meron Mendel, sagte der britische Musiker Roger Waters, ein Vertreter der antisemitischen BDS-Kampagne (Boycott, Divestment and Sanctions), die Israelis sollten zugeben, „dass das Experiment dieses Landes ein Fehler war“. Sie sollten „den Menschen ihr gestohlenes Land und die Menschenrechte zurückgeben“. Das ist ein Generalangriff. Waters spricht dem jüdischen Staat das Existenzrecht ab.
Diese Erzählung steht auch im Mittelpunkt einer 15 Jahre alten Ausstellung, die bis heute zu größeren Auseinandersetzungen führt. Dieses Jahr sollte „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ wie in vergangenen Jahren auf dem Evangelischen Kirchentag gezeigt werden. Das wurde 2023 abgelehnt. Im evangelischen Chrismon wird das auf ein „erhöhtes Problembewusstsein“ zurückgeführt. Die Ausstellung ist inhaltlich fragwürdig und hat aufgrund ihrer tendenziösen Haltung an zahlreichen Orten Widerspruch hervorgerufen. Der Verein, der die Ausstellung betreibt, dokumentiert diese Kritiken selbstbewusst und ein wenig stolz, habe doch keine davon dazu geführt, dass etwas an der Ausstellung geändert wurde.
In der Ausstellung zur sogenannten Nakba wird eine einseitige Darstellung präsentiert. Die „Deutsch- Israelische Gesellschaft“ (DIG) hat schon vor zehn Jahren in einem offenen Brief an den damaligen Evangelischen Kirchentag deutlich gemacht: Die Ausstellung „betreibt unverhohlene Geschichtsklitterung und der Zweck, der damit verfolgt werden soll, ist die Delegitimierung und Dämonisierung des jüdischen Staates“.
Die Auseinandersetzungen um die Nakba-Erzählung beziehen sich gar nicht immer unbedingt auf den Zeitraum 1947-49. Es geht nicht allein um die Aufarbeitung historischer Ereignisse. In letzter Zeit wird öfter von einer „andauernden Nakba“ gesprochen. „Die Katastrophe“ dauere demnach unvermindert an. Aus ihr werden politische Forderungen abgeleitet. Im Zentrum steht hier die Forderung nach einem Rückkehrrecht der Palästinenser*innen.
Die Palästinenser*innen werden in der Nakba-Erzählung gemeinhin als alleinige Opfer der Geschichte wahrgenommen: Israel hätte sie vertrieben und sei qua Existenz Schuld am Nahostkonflikt und Schuld an der fehlenden Staatlichkeit Palästinas. Das spiegelt sich in der Rede Mansours in der UN wider. Die Forderung nach einem Rückkehrrecht bezieht sich nicht nur auf die ursprünglich etwa 700.000 Geflüchteten und Vertriebenen aus dem Kontext des arabischen Krieges gegen Israel 1947/48, sondern sie schließt auch deren Nachkommen sowie Geflüchtete und Vertriebene aus dem Kontext des Sechstagekrieges ein.
Für die palästinensischen Geflüchteten gelten besondere Regelungen. Nicht nur wurde nur für sie ein UN-Flüchtlingshilfswerk, die UNRWA, eingerichtet. UNHCR versorgt alle anderen Geflüchteten weltweit. Mehr noch: Der Flüchtlingsstatus der Palästinenser*innen vererbt sich über Generationen. Heute gibt es ungefähr 5,7 Millionen registrierte palästinensische Geflüchtete. Die „Rückkehr“ hätte weitreichende Konsequenzen: Mit der „Rückkehr“ würde der israelische Staat die jüdische Mehrheit verlieren und wäre damit kein jüdischer Staat im selben Sinne mehr. Der besondere Flüchtlingsstatus bringt noch mehr Probleme mit sich. Er verhindert auch eine Integration in den arabischen Ländern wie Jordanien und Libanon, wo viele Palästinenser*innen heute leben.
Jüdischer Traum, arabisches Trauma
Die Nakba-Erzählung ist einseitig und verzerrend und eignet sich daher gut, um Israel zu delegitimieren. Die Vorgänge in dieser Zeit sind kompliziert, von Gleichzeitigkeiten und Widersprüchen geprägt. Verzerrende Darstellungen können heute aber antisemitische Darstellungen schüren.
Flucht, Migration und Vertreibungen nehmen seit jeher Einfluss auf den Verlauf des Konfliktes und prägen die israelische wie palästinensische Realität. So kam es beispielsweise in einem ähnlichen Zeitraum zu Flucht und Vertreibungen von Jüdinnen*Juden aus arabischen Ländern. Die Zahl der jüdischen Geflüchteten und Vertriebenen wird mit rund 850.000 beziffert, die unter anderem aus Marokko, Algerien, Libyen, Ägypten, Jemen, Irak und Iran wegen antisemitischer Pogrome fliehen mussten oder migriert sind. Darüber wird nur selten gesprochen, die Ereignisse sind weitgehend unbekannt.
Dem israelischen Traum einer Staatsgründung steht ein arabisches Trauma gegenüber. Die Nakba-Erzählung ist Ausdruck davon. Der israelische Unabhängigkeitstag, der Jom haAtzma’ut, wird in Israel seit 1949 als Feiertag begangen. Bevor an diesem Tag gefeiert wird, gedenkt das Land der gefallenen Soldaten sowie der Opfer von Terrorakten. Mit dem Traum sind also auch Traumata auf jüdischer Seite verbunden.
Am Jom haSikaron steht das Land zwei Mal still. Am Vorabend ertönt um 20 Uhr ein einminütiger Signalton. Am folgenden Morgen ertönt dann noch einmal ein zweiminütiger Signalton. In beiden Momenten erliegt der öffentliche Verkehr, die Menschen bleiben stehen und halten inne. Der Angriff der arabischen Staaten auf Israel hätte das Land beinahe ausgelöscht. Zur Auslöschung kam es nicht. All derer, die Israel verteidigten und starben, wird gedacht. Der Gedenktag geht am Abend in den Feiertag zum Unabhängigkeitstag über.
Antisemitische Vernichtungsfantasien auf dem „Nakba-Tag“
Seit 2004 wird aus palästinensischer Perspektive am 15. Mai, dem „Nakba-Tag“, jährlich der Geschehnisse gedacht. Diesen Gedenktag führte Präsident Jassir Arafat ein. Der Tag gewann gerade in den letzten Jahren in Deutschland an Bedeutung. Der „Nakba-Tag“ wird zum Anlass genommen, um antisemitische Vernichtungsfantasien gegen Israel zu verbreiten. 2021 fiel der Tag in die Zeit des Israel-Gaza-Konflikts. Anlässlich der schweren Eskalation kam es in Deutschland zu zahlreichen Demonstrationen, auch an diesem „Nakba-Tag“.
Auf Demonstrationen in Berlin, aber auch bundesweit, wurden antisemitische Vernichtungsfantasien gegen Israel geäußert, auf einer Demonstration am 15. Mai 2021 in Berlin waren neben pro-palästinensischen Linken auch Anhänger*innen der radikal-islamistischen Hamas, der Muslimbruderschaft sowie der rechtsextremen türkischen Gruppierung „Graue Wölfe“ anwesend. Hier wurden antisemitische Parolen wie „From the river to the sea, Palestine will be free“ gerufen, die von der Auslöschung Israels träumen, indem das ganze Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordanfluss als Palästina beansprucht wird. Zudem wurde eine „Intifada bis zum Sieg“ gefordert und die Bombardierung Tel Avivs herbeigesehnt.
Auch im April und Mai 2022 kam es durch erneute Eskalationen im Nahen Osten zu Demonstrationen insbesondere in Berlin, die durch offenen Antisemitismus gekennzeichnet waren und von denen Angriffe gegen Pressevertreter*innen ausgingen. Angemeldet wurde beispielsweise eine Demonstration am 23. April 2022 von „Palästina Spricht“. Die Demonstrationen zum „Nakba-Tag“ 2022 wurden in Berlin vorab untersagt. Das Verbot hielt vor zwei richterlichen Instanzen stand.
Als Grund angeführt wurde die „Befürchtung von Gewaltausbrüchen und Volksverhetzung“. Es kam zu mehreren unangemeldeten Aufzügen und Versammlungen, die das „Jüdische Forum für Demokratie und gegen Antisemitismus“ (JFDA) dokumentierte. Nachdem auf einer Demonstration am Karsamstag 2023 in Berlin judenfeindliche Parolen gerufen wurden, wurden am darauffolgenden Wochenende zwei Demonstrationen aus dem Umfeld der terroristischen „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) verboten. In Köln-Mühlheim wurde eine Kundgebung anlässlich des Tags der palästinensischen Gefangenen nach Gewaltaufrufen gegen das israelische Volk aufgelöst.
In diesem Jahr will sich die Kampagne #nakba75 gegen den vermeintlichen Einschnitt in die Meinungsfreiheit einsetzen und hat dabei prominente Unterstützung von Aktivist*innen, Politiker*innen und Wissenschaftler*innen. Im Aufruf zur Kampagne wird von Apartheid gesprochen und Israel als Kinder folternder Staat mit Massengefängnissen beschrieben. Deutschland habe eine „historische Verpflichtung, alle Menschenrechtsverletzungen anzuerkennen und ihnen entgegenzutreten“. Es wird also mit Rhetorik gespielt, die klassischerweise im Kontext der Shoah-Erinnerung verwendet wird. Israel wird gleichzeitig dämonisiert, historische Fakten werden verdreht und aus dem Kontext gerissen.
Geschichte und Gegenwart des Nahostkonfliktes sind kompliziert. Die Darstellung des Nahostkonfliktes, insbesondere Israels, ist jedoch immer wieder geprägt von einseitigen Darstellungen, Auslassungen und Shoahrelativierungen. Geschehnisse im Kontext der israelischen Staatsgründung und des arabischen Krieges gegen Israel in den Jahren 1947/48 werden genutzt, um Israel als Schurkenstaat darzustellen. Die Existenz des Staates wird delegitimiert, denn ein Staat, der dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde nach „mehr als 50 Holocausts“ begangen haben soll, hätte schließlich keine Existenzberechtigung.