Eingeladen hatte das „Forum Demokratische Kultur und zeitgenössische Kunst“ im Rahmen einer Diskussionsreihe über Kontinuitäten des Antisemitismus und obwohl es nicht schwer fällt, BDS Antisemitismus nachzuweisen, wurde schnell klar, dass der Umgang mit dieser Bewegung in der Praxis oft kompliziert ist.
Einer der Gründe liegt darin, dass „BDS die einzige Kampagne ist, die international funktioniert und die sich für Palästinenser*innen einsetzt“, wie es Laura Cazés von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland formulierte. Es ist schwer, um die Kampagne herumzukommen, wenn man sich gegen die zum Teil tatsächlich prekäre Situation von Palästinenser*innen engagieren möchte. Das ändert allerdings nichts daran, dass führende Vertreter*innen das Existenzrecht des jüdischen Staates verneinen.
Der Künstler Leon Kahane, einer der Initiatoren des Forums, wies daraufhin hin, dass der Einsatz für die Rechte von Palästinenser*innen mitnichten antisemitisch ist. Der Hass auf Juden und Jüdinnen kommt aber ins Spiel, wenn über dieses Engagement antisemitische Narrative transportiert werden. Gleichzeitig müssen die Ziele der Bewegung im Blick bleiben. Bleibt Platz für eine jüdische Perspektive? Wenn die Existenz des jüdischen Staats zur Diskussion gestellt wird, ist das eben nicht der Fall.
Dabei spielt auch das Narrativ von BDS eine Rolle. „Je öfter man Apartheid sagt, desto mehr kommt es in den Köpfen an, auch wenn Israel überhaupt kein Apartheidsstaat ist“, erklärte die Autorin Mirna Funk. Die gezielte Desinformation wird in den Köpfen offenbar zur Wahrheit und übt so Einfluss auf das Handeln auch von Kunstschaffenden und ihrem Umfeld aus. Nichts zu vergessen ist der deutsche Antisemitismus: „Es geht nicht um BDS oder Palästina, sondern es geht um eine Entlastungsstrategie“, so Kahane. Wenn Israelis permanent als Täter*innen dargestellt werden, funktioniert das besonders in Deutschland, dem eigentlichen Land der Täter*innen.
Dazu kommt, dass Juden und Jüdinnen oft als Repräsentant*innen Israels gesehen werden. „Wenn du dich als jüdische Person zu erkennen gibst, wirst du bestenfalls zur israelischen Politik befragt,“ so Funk. Schlimmstenfalls können solche Gespräche aber auch in Aggressionen und in Gewalt umschlagen. Juden und Jüdinnen müssen sich rechtfertigen, für eine Politik, mit der sie in der Regel überhaupt nichts zu tun haben. Die Podiumsgäste berichten alle von diesem Rechtfertigungsdruck, der auch institutionell ausgeübt werden kann. Kahane erzählte von einem Partygespräch mit dem Kurator einer großen Ausstellung, dass fast zu seinem Ausschluss aus ebendieser Ausstellung geführt hätte. Der Grund? Er sei Zionist.
„Zionismus ist nicht mehr Selbstbestimmungsrecht, sondern wird zum codierten Wort für Rassismus und Unterdrückung“, beschreibt Cazés dieses Phänomen. Der Einsatz für den jüdischen Staat wird dadurch praktisch kriminalisiert. Dabei ist es auch interessant, wie antisemitische Stereotype sich in der BDS-Bewegung tradieren: „Israel steht für Dinge, für die Juden und Jüdinnen schon immer gestanden haben“.
Die BDS-Bewegung hat es geschafft, ihre Narrative in den Köpfen zu verankern. Auf den Antisemitismus darin hinzuweisen bleibt zwar richtig, argumentativ muss dagegen allerdings mehr getan werden. Die Bewegung reiht sich nahtlos in den deutschen Antisemitismus ein.
Foto oben: Flickr / oh-berlin.com / CC BY 2.0