In Halle in Sachsen-Anhalt ereignete sich am Mittwoch, den 09. Oktober ein Terroranschlag auf eine Synagoge und einen jüdischen Friedhof. Mindestens zwei Menschen wurden getötet, einer von ihnen in einem benachbarten Döner-Laden. Auf das Datum fällt in diesem Jahr Jom Kippur, der höchste jüdische Feiertag. Das Uniklinikum in Halle gibt an, dass aktuell zwei durch Schusswunden Schwerverletzte behandelt werden. Die Bundesanwaltschaft spricht von der „Möglichkeit eines rechtsextremen Terroranschlags“.
70-80 Menschen hatten sich zur Tatzeit in der Synagoge im Paulusviertel aufgehalten, sagte Max Privorozki, der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, dem Spiegel. Ein Täter hatte versucht in die Synagoge einzudringen. Die Sicherheitsvorkehrungen hätten „dem Angriff standgehalten“. Der Stuttgarter Zeitung sagte Privorozki: „Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen“. „Der Mann sah aus wie von einer Spezialeinheit“, sagte er. „Aber unsere Türen haben gehalten“. Der oder die Täter versuchten danach, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, so der Vorsitzende weiter. „Wir haben die Türen von innen verbarrikadiert und auf die Polizei gewartet“ berichtet Privorozki. Der oder die Täter schossen offenbar am naheliegenden Friedhof um sich. Eine Frau wurde getötet. Augenzeugen berichteten, dass eine oder mehrere Handgranaten über die Mauer des Friedhofs geworfen wurde.
Einer der Täter soll versucht haben, eine Handgranate in einen benachbarten Dönerladen zu werfen. Nachdem diese vom Türrahmen abprallte, soll er in den Imbiss gefeuert haben, so ein Zeuge. Ein Mann starb dabei.
Nach Informationen der Polizei soll es sich um mindestens zwei Täter handeln. Mindestens einer davon trug offenbar einen Kampfanzug mit Helm. Die Täter sollen sich nach dem Anschlag getrennt haben. Einer floh mit einem Taxi und wurde auf der Autobahn gestoppt, so Spiegel Online.
Auch im 15 Kilometer entfernten Landsberg kam es zu Schüssen, so eine Sprecherin der Polizei gegenüber der dpa. Aktuell scheint noch nicht klar zu sein, ob die beiden Vorfälle miteinander zu tun haben. In Halle sollen Straßenzüge gesperrt worden sein. Im benachbarten Leipzig wurden die Sicherheitsvorkehrungen an der Synagoge erhöht. Auch Michael Müller, Regierender Oberbürgermeister in Berlin kündigte an, Sicherheitsmaßnahmen rund um jüdische Einrichtungen zu erhöhen.
Die Polizei in Halle rät Anwohner*innen dazu, Wohnungen oder Büros nicht zu verlassen. Der gesamte Linienverkehr in der Stadt wurde eingestellt.
Aktuell gibt es wenige Informationen zur Motivation der Täter. Die Bundesanwaltschaft hat mittlerweile die Ermittlungen übernommen und spricht von der „Möglichkeit eines rechtsextremen Terroranschlags“. Es gehe um „die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland betreffende Gewaltdelikte“, sagte ein Sprecher der Nachrichtenagentur AFP.
Gleichzeitig ist nicht klar, wieviele Täter es überhaupt sind. Bei Welt stellt ein Terrorexperte fest, dass es sich offenbar um einen sehr gut vorbereiteten Anschlag handeln muss. Videoaufnahmen von einem der Täter zeigen, wie er sehr ruhig und überlegt feuert.
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, sagt dazu: „Der Anschlag von Halle zeigt die mörderische Dimension antisemitischer Weltbilder. Dass die Tat ausgerechnet an Yom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, verübt wurde, spricht für ein planvolles Vorgehen der Täter, ebenso wie ihre Kampfausrüstung. Die Parallelen zu den Terroranschlägen von Poway, Pittsburgh und Christchurch sind deutlich. Auch hier waren es rechtsextreme Täter, die im Namen einer antisemitischen und rassistischen Ideologie Menschen ermordeten.
Die Tat schockiert und ist doch wenig überraschend: Die Amadeu Antonio Stiftung warnt seit Monaten vor der Zunahme rechtsterroristischer Anschläge, insbesondere nach dem Mord an dem hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke. Diese rechtsextremen Attentate dürfen nicht als Einzelfälle verharmlost werden. Sie sind Ausdruck einer wachsenden Radikalisierung der rechtsextremen Szene, die mit neuem Selbstbewusstsein agiert. Seit Jahren werden immer wieder größere Waffenarsenale bei Rechtsextremen gefunden, die Szene ist gut vernetzt. Die Gefahr rechtsterroristischer Gewalt besteht jederzeit. Das wurde heute erneut auf tragische Weise deutlich.“