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Arier

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Er stellt in der pseudowissenschaftlichen Entstellung, die er durch die Rassetheorien des 19. Jahrhunderts erfahren hat, eine Zentralkategorie der völkischen Ideologie, des Rassismus, des Antisemitismus und damit des Nationalsozialismus dar. Unter dessen Herrschaft wurde 1933 „Arier“ zu einem rechtsoffiziellen Begriff, der den Ausschluss der „Nicht-Arier“, also der Juden, zunächst aus dem öffentlichen Dienst und zunehmend aus dem gesamten öffentlichen Leben wegen ihres angeblich „rassefremden Blutes“ und ihres „semitischen Charakters“ begründete. Bereits 1935 wurde er allerdings dann ausschließlich in der Propaganda, aber nicht mehr im Gesetzestext weiterverwendet. Anläßlich des 7. Reichsparteitags der NSDAP wurden in diesem Jahr die sogenannten Nürnberger Rassegesetze beschlossen, die die Juden vollständig entrechteten und unter anderem sexuellen Verkehr und Eheschließung zwischen Juden und Nicht-Juden verboten, doch wurden die deutschen Nicht-Juden jetzt nicht mehr als „arisch“, sondern als „deutschblütig“ bezeichnet.

Überhaupt erwiesen sich die Bedeutungsreste, die der Begriff „arisch“ aus seiner ursprünglich wissenschaftlichen Verwendung heraus noch mit sich führte, bereits in den 1930er Jahren als hinderlich für den Umgang des Dritten Reichs mit seinen Bündnispartnern: Da Arabisch beispielsweise wie Hebräisch zur semitischen Sprachgruppe gehört, die wiederum nichts mit der arischen oder, wie man heute sagt, indoeuropäischen gemeinsam hat, tat man sich schwer mit einer Begründung (nach dem bisherigen Muster: „arische Rasse“ kämpft gegen „semitische Rasse“) dafür, warum man so eng kooperierte mit den in Arabien so zahlreichen Sympathisanten der antijüdischen Politik. Ähnlich verhielt es sich mit dem Wunsch der Nationalsozialisten, Finnen, Esten und auch Ungarn zumindest teilweise zur „nordischen Herrenrasse“ dazuzuschlagen, wo doch deren Sprachen zur finno-ugrischen Sprachgruppe gehörten, die ebenso keinesfalls zur „arischen“ Sprachfamilie hinzugerechnet werden kann. So gab es ofiziell schließlich nur noch eine „deutsche“, maximal „nordische“ Rasse mit diversen Unter-, Neben- und Hilfsvölkern, aus der sich das antijüdische Vernichtungsprogramm „rassekundlich“ zu legitimieren versuchte. Ebenso willkürlich also, wie die Nazi-Partei bestimmte, wer Jude sei, legte sie auch fest, wer „Arier“ oder zumindest Aushilfs-Arier sei – letztlich nämlich durch Anordnung des Führers, Adolf Hitler.

Lange vor Hitler hatte „Arier“ zunächst eine sprachwissenschaftliche und eine völkerkundliche Bedeutung. Der Begriff selbst stammt aus dem Altiranischen bzw. dem altindischen Sanskrit und bedeutet dort in etwa „gut“ oder „edel“. Sprachwissenschaftlich bezeichnete man so seit dem Ende des 18. Jahrhunderts eine Sprachenfamilie, der aufgrund grammatikalischer und satzbaulicher Analogien sowie Ähnlichkeiten bei den Wortwurzeln zentraler Begriffe viele sowohl lebende wie ausgestorbene Sprachen zugerechnet werden: von Hindi und Bengali, den Hauptsprachen des indischen Subkontinents, über das im Iran (der Landesname geht auf dieselbe Wurzel zurück wie der Begriff „Arier“) vorherrschende Persisch, die slawischen Sprachen bis zu den germanischen und romanischen Sprachen des westlichen Europa. Aufgrund des „rassekundlichen“ Mißbrauchs durch Nationalsozialismus und völkische Ideologie verwendet man heute für diese große Sprachfamilie statt der Bezeichnung „arisch“ oder auch „indogermanisch“ den umfassenderen und unbelasteten Begriff „indoeuropäisch“.

Völkerkundlich war die Rede von einem prähistorischen Nomadenvolk der „Arier“ schon immer erheblich spekulativer, aber an sich auch hier erst einmal durchaus neutral: die Annahme eines solchen Urvolkes kann sich zwar nicht auf eigene Zeugnisse dieser hypothetischen Ethnie stützen, aber immerhin kann eine prähistorische Migrationsbewegung von indoeuropäisch sprechenden Stämmen aus dem Kaukasusgebiet nach Nordindien bzw. den Iran belegt werden. Die häufig angenommene These einer indoeuropäischen Völkerwanderung nach Europa kann hingegen nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden: es kann also nicht bewiesen werden, ob es zwischen Kaukasus-Nomaden, die die urindoeuropäische Sprachen redeten, und den heutigen Europäern irgendeine genetische Verwandschaft gibt oder nicht – eine solche Fragestellung wäre außerhalb rein wissenschaftlichen Interesses auch völlig irrelevant für die heutige Gesellschaft und die aktuelle Politik.

Eine solch naheliegende Überlegung war den wirren und komplett überspannten Theorien esoterischer Rassekundler (siehe: Neopaganismus und Okkultismus) des 19.Jahrhunderts fremd, Theorien, auf die wiederum sich der Nationalsozialismus und zum Teil auch der Faschismus berief: Eine zentrale Rolle spielt dabei die Theosophie – der auch die Anthroposophie Rudolf Steiners entsprang -, eine auf fernöstliche und mittelalterliche Mythen gestützte esoterische Religion, die meinte, die alten „arischen“ Weisheiten für die Menschheit neu aufbereiten zu müssen. Die Vorstellung von der überlegenen Weisheit der „Arier“ (die angeblich aus dem sagenumwobenen Atlantis stammen sollten) geht hier bereits einher mit rassischem Dünkel, der allerdings noch keine aggressiv-kriegerische Wendung genommen hatte. Begriffe aus der theosophischen Rassenkunde allerdings, wonach beispielsweise die „Arier“ als „fünfte Wurzelrasse“ in vier „Unterrassen“ eingeteilt seien (nordisch, fälisch, mittelländisch und ostisch), gingen direkt in die nationalsozialistische Rassenlehre ein. In dieser Lehre verbanden sich Vorstellungen aus dem theosophischen Dunstkreis, die sogenannte „Ariosophie“ Guido von Lists und Jörg Lanz von Liebenfels‘ (die Hitlers programmatische Schrift „Mein Kampf“ stark beeinflußten), mit dem klassischen Rassismus von Gobineau und (des nach Deutschland ausgewanderten) Chamberlain. Daraus resultierte in etwa folgendes Konglomerat: Aus einer überlegenen „arischen Urrasse“ von echten „Leistungsmenschen“ und „Kulturbringern“ habe sich in Nordeuropa ein „nordisches“ Herrenvolk entwickelt. Genetisch hätten dessen überlegene Eigenschaften vor allem die Deutschen geerbt, die deshalb berufen seien, die „semitische“ bzw. „jüdische Gegenrasse“ auszurotten und die „slawischen Niederrassen“ zu unterjochen. Dieser hochgefährliche Unfug machte die antichristliche (Un-)Heilslehre des Nationalsozialismus aus, bildete den ideologischen Kern der SS und gab damit die Begründung für das Menschheitsverbrechen von Holocaust bzw. Shoa. Im Interesse der „Reinheit der Rasse“ startete der Nationalsozialismus auch ein Tötungsprogramm an behinderten Menschen („Aktion T4“) und konträr dazu – schwerpunktmäßig im eroberten Norwegen – ein staatliches Zuchtprogramm für blonde und blauäugige Menschen, gezeugt von geeignet erscheinenden Müttern und ausgewählten SS-Männern („Lebensborn“). Diese Programme wurden in ihrer genetischen Widersinnigkeit (die Eigenschaften „blond“ bzw. „blauäugig“ werden rezessiv vererbt, eine nach SS-Vorgaben gezüchtete „nordische“ Menschengruppe wäre dementsprechend Ergebnis zum Inzestuösen tendierender Vermehrung und damit prädestiniert für vererbbare Erkrankungen!) nur noch von ihrer tiefen Barbarei übertroffen. Das hindert allerdings Neonazi-Sekten wie Jürgen Riegers „Artgemeinschaft“ oder die US-amerikanische „Aryan Nation“ nicht daran, solcherlei weiter zu propagieren. Auch in der NPD spricht man heutzutage von „Ethnobiologie“ und meint damit kaum verblümt „Rassenhygiene“.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise zur Verfügung gestellt von der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung

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