Am 27. September 2023 gibt Thorsten Heise, Neonazi-Unternehmer und NPD-Kader, die Auflösung der „Arischen Bruderschaft“ bekannt, einer Neonazi-Gruppierung, die in den letzten Jahren vor allem als Sicherheitsdienst bei Rechtsrockveranstaltungen in Erscheinung getreten ist. „Das heißt, es wird uns nicht mehr geben“ verkündet Heise über die sozialen Medien, etwa über den Instagramkanal seines rechtsextremen Versands „Deutsches Warenhaus“. Gleichzeitig gibt Heise in der kurzen Videobotschaft bekannt, dass sich auch die Brigade 12 und die Kameradschaft Northeim auflösen, zwei weitere Gruppierungen aus dem militanten Neonazimilieu und dem Umfeld der „Bruderschaft“. Die Marke „Arische Bruderschaft Supporter“ habe er verkauft, so Heise: „Ich weiß nicht, was der neue Besitzer damit macht.“
Trotz eines langen Vorstrafenregisters, wegen schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruchs, Nötigung und Volksverhetzung sowie Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, kam Heise vor Gericht stets glimpflich davon. 1989 beispielsweise versuchte der Neonazi einen Mann libanesischer Herkunft mit seinem Auto zu überfahren. Wegen des drohenden Verfahrens wegen versuchten Totschlags tauchte Heise in den Untergrund ab. 1991 wurde er gefasst und ihm wurde der Prozess gemacht – allerdings nicht mehr wegen versuchten Totschlags, sondern wegen eines gefährlichen Eingriffes in den Straßenverkehr. 1997 gründete Heise die „Kameradschaft Northeim“. Parallel betätigte er sich auch als Produzent und Händler im Rechtsrock-Business. 2002 zog er nach Fretterode in Thüringen und organisierte dort das Neonazi-Festival „Eichsfeldtag“.
In Deutschland baut Thorsten Heise die „Arische Bruderschaft“ ab 1999 als eigene Hausmacht auf, die als eine Art Elite-Führungszirkel bestehend aus führenden Kameradschaftsmitgliedern mehrerer Bundesländer zu verstehen ist. Ihr Abzeichen, die gekreuzten Stabhandgranaten, ist die beinahe originalgetreue Übernahme des Emblems der 36. Waffen-Grenadier-Division der SS, die Anfang 1945 aus der berüchtigten SS-Division Dirlewanger gebildet wurde.
In den USA existiert seit 1967 eine Gefängnisgang namens „Aryan Brotherhood“ mit angeblich etwa 15.000 Mitgliedern, die extrem gewalttätig auftritt und für fast 20 Prozent der Morde in amerikanischen Gefängnissen verantwortlich sein soll, obwohl nur 0,1 Prozent der Insass*innen Mitglieder der Gang sind.
SS-Sondereinheit Dirlewanger
Die SS-Sondereinheit Dirlewanger richtete in Polen Massaker an. Die SS-Truppe benutzte Kinder und Frauen als Schutzschilde, trieb Gefangene durch Minenfelder und sperrte die Bevölkerung ganzer Orte in Scheunen, um diese dann anzuzünden. Kommandeur war der verurteile Kindervergewaltiger Oskar Dirlewanger. Der Stern schreibt über den Offizier der Waffen SS, er sei der schlimmste Sadist der SS gewesen. „Oskar Dirlewanger einen Nazi zu nennen, tut ihm fast zu viel der Ehre an.“ Bis heute ist Dirlewanger ein Held in der klassischen Neonazi-Szene. Die sich kreuzenden Stiehlandgranaten, das Symbol der „Arischen Bruderschaft“, stehen als Symbol für eine der schlimmsten und entmenschlichsten NS-Einheiten.
In den 2000er Jahren tauchte der Name der „Bruderschaft“ immer wieder in Neonazi- und Rechtsrockzusammenhängen auf. 2004 war ein „Arische Bruderschaft“-Transparent bei einem Rechtsrock-Konzert in Sachsen zu sehen, ein Jahr später war die Gruppe für das letzte Konzert von Michael Regener vor dessen Haftantritt in Pößneck zuständig, heißt es in einer Broschüre der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Thüringen, MOBIT.
Arischer Sicherheitsdienst für das SS-Festival
Bekannt wurde die Gruppierung 2018, als die „Bruderschaft“ als Sicherheitsdienst des Rechtsrockfestivals „Schild und Schwert“ – sicherlich nicht zufällig mit „SS“ abgekürzt – auftrat. Das Festival fand mehrfach in der kleinen sächsischen Stadt Ostritz statt, die sich seitdem gegen die Inanspruchnahme durch Neonazis zur Wehr setzt.
Der „arische Sicherheitsdienst“ auf dem Festival in Ostritz, das übrigens an Hitlers Geburtstag 2018 stattfand, trug einheitliche Shirts mit dem Symbol der brutalen SS-Division. Ein Verfahren wegen Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen wurde jedoch eingestellt, weil kein Bezug zum NS hergestellt werden könne.
Erst im März 2023 löste die Polizei ein Rechtsrockkonzert in Neumünster auf, das offenbar von Heise organisiert worden war. „Am Eingang zur ‚Heinrich-Förster’-Kolonie im Wernershagener Weg kontrollierte Gianluca Bruno von der rechtsextremen ‚Arischen Bruderschaft’ den Einlass“, berichtet Endstation Rechts. Gianluca Bruno gilt als Heises Ziehsohn. Gemeinsam mit Heises Sohn Nordulf griff er 2018 zwei Journalisten brutal an. Während des Konzertes hing das „Banner von ‚Brigade 12 Pommern’ mit den gekreuzten Stiehlgranaten im Saal, während der sich weiter füllte“. Brigade 12 sei eine in Vorpommern aktive Untergruppe. Nach der Ankunft der Polizei sei es zu Krawallen gekommen, die Neonazis griffen die Beamt*innen mit Mobiliar und Feuerlöschern an und verschanzten sich zunächst im Gebäude.
In den vergangenen Tagen wurde sowohl die militante Neonazi-Bruderschaft der „Hammerskins“ wie auch die völkische „Artgemeinschaft“ verboten. In Zuge dessen fanden Razzien bei den Mitgliedern statt. Der Verdacht liegt nahe, dass Heise mit der eigenständigen Auflösung staatlichen Repressionen zuvorkommen will.
Kommt Heise einem Verbot zuvor?
In dem Video zur Auflösung der eigenen Haus-Truppe bedankt sich Heise „bei allen Freunden und Kameraden für langjährige Treue“. Die „Arische Bruderschaft in Deutschland sind wir alle. Ihr, ich, auf der Straße immer und jederzeit.“ Damit deutet Heise eventuell an, dass das Treiben des Netzwerks weiterhin Bestand hat. Daran könne weder ein Verbot noch eine Selbstauflösung etwas ändern. Und tatsächlich, ein Blick auf die Verbotsverfahren der letzten Jahre zeigt, dass es zwar medienwirksame Razzien gibt, die konsequente Umsetzung in der Folgezeit jedoch zu wünschen übrig lässt. Obwohl sowohl „Blood and Honour“ und der paramilitärische Arm „Combat 18“ in Deutschland verboten sind, sind die Aktivist*innen und ihre Netzwerke weiterhin aktiv. Teilweise unter anderem Namen. Auch die „Artgemeinschaft“ hat bereits Vorkehrungen getroffen und eine mutmaßliche Nachfolgeorganisation gegründet.