“Strukturelle Diskriminierung ebenso wie individuelles Verhalten von Behördenvertreter/innen erfasst“ -Anstieg um 20 Prozent bei den gemeldeten Vorfällen
Im Vergleich zum Vorjahr, mit 118 gemeldeten Vorfällen, verzeichnet der Verein nun 146 Vorfälle und damit einen Anstieg von etwa 20 Prozent. Roma sind in Berlin dabei von einer umfassenden Diskriminierung betroffen. Dies bewege sich vor allem im Kontakt zu Leistungsbehörden, wie Jobcenter oder Familienkasse. Roma seien hier insbesondere durch abweisende Handlungen, antiziganistische Beleidigungen und abwertende Kommentare seitens Sachbearbeiter_innen und Securitypersonal über zugeschriebene Lebensweisen und Traditionen betroffen. Auch behördliche Schikanen, wie Zugangsverweigerung oder längere Bearbeitungszeiten von Anträgen, wurden verzeichnet. „[I] in diesem Bereich haben wir strukturelle Diskriminierung ebenso wie individuelles Verhalten von Behördenvertreter_innen erfasst“, erklärt Projektkoordinatorin Diana Botescu. „Außerdem kommt es vor allem im Bereich Alltag und öffentlicher Raum immer wieder zu Beleidigungen bis hin zu massiven Drohungen und Angriffen.“
Zum ersten Mal Lebensrealitäten von Roma-Asylbewerber_innen erfasst
Der Bericht 2016 umfasst zum ersten Mal auch die Lebensrealitäten von Roma-Asylbewerber_innen. Dazu betont die Mitarbeiterin Violeta Balog, dass sich die 2014 und 2015 stattgefundenen Asylrechtsverschärfungen verheerend für Roma-Asylbewerber_innen aus den Westbalkanstaaten aus. Asylanträge aus den genannten Ländern gelten für deutsche Behörden als unbegründet und werden im Schnellverfahren abgelehnt, die Antragstellenden häufiger in separate Unterkünfte untergebracht und sich die Abschiebepraxis deutlich verschärft habe. „Dies betrifft auch Menschen, die seit über zehn Jahren hier sind oder hier geboren sind. Besonders bei jungen Menschen mit Duldungsstatus wirkt sich diese Situation außerdem dramatisch auf ihre weitere Biografie und ihre Bildungschancen aus“, schildert Violeta Balog von Amaro Foro.
Medienmonitoring – Kritik an Berichterstattung Berliner Zeitungen
Neben einigen immer wiederkehrenden Motiven waren die beiden Themenfelder Wohnungslosigkeit und Kriminalitätsberichterstattung 2016 dominierend. Dafür wurden im 130 Artikel Berliner Zeitungen nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ erfasst und in drei Bewertungskategorien gezählt: positiv, neutral und diskriminierend. Im Vergleich zu den Vorjahren sei zu begrüßen, dass mittlerweile auch positive Berichterstattung stattfindet. Der Anteil diskriminierender Artikel sei mit etwa 50 Prozent immer noch sehr hoch. Dabei stellt der Verein eine hohe Unterstellung von Roma-Zugehörigkeit bei Wohnungslosen für die Berichterstattung fest. Auch „[i]m Bereich der Kriminalitätsberichterstattung beobachten wir, dass ein Roma-Hintergrund der Tatverdächtigen inzwischen offenbar von allen Medien grundsätzlich genannt wird. Die inhaltliche Relevanz wird dabei basierend auf Zuschreibungen konstruiert.“ fasst die Mitarbeiterin Andrea Wierich zusammen. Ebenso wurden diskriminierende Kommentare in den Foren zu den jeweiligen Artikeln analysiert. Die 350 zu den jeweiligen Artikeln ausgewerteten Kommentare zeigen, dass insbesondere Berichte über Täter_innen aus der Mehrheitsgesellschaft besonders starke Reaktionen hervorrufen. Hier finde vor allem eine Täter-Opfer Umkehr statt. Ebenso lasse sich hier eine enorme Vehemenz bezüglich einer Leistungsideologie feststellen.
Da erfolgreiche Roma in der Berichterstattung schlicht nicht sichtbar seien, führe dies zu einer stagnierenden Diskriminierung. Der Verein empfiehlt gerade für die mediale Berichterstattung eine verstärkte Differenzierung, in der Roma nicht weiter als »die anderen« dargestellt werden.
Der Bericht als PDF zum Download
MEHR INFOS IM NETZ:
? Themenseite Antiziganismus der ZAG
? Bundeszentrale für politische Bildung