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Ausstieg bei den ANs

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In der Videoreihe "Ausstieg - (K)Ein Weg zurück" berichtet Christian Ernst Weißgerber über seine Erfahrungen in der rechtsextremen Szene. (Quelle: Ausstieg - (K)Ein Weg zurück)

Christian Ernst Weißgerber war ab seinem 16. Lebensjahr als Neonazi in Südthüringen aktiv, koordinierte eigene Jugendgruppen, war ein führender „Autonomer Nationalist“ und hatte eine rechtsextreme Band. Im Jahr 2010 distanzierte er sich von der rechtsextremen Szene, 2011 begann seine Ausstiegsarbeit mit EXIT Deutschland. Heute klärt er über Mechanismen der rechtsextremen Szene auf – unter anderem mit dem Projekt „Ausstieg – (K)Ein Weg zurück“ auf YouTube und Facebook.

Sie sind mit Hilfe von Exit aus der rechtsextremen Szene ausgestiegen. Dort gehört es zum Konzept, sich mit seiner ehemaligen Ideologie auch auseinanderzusetzen, sich nicht nur abzuwenden. Sie haben das in Form eine Video-Serie gemacht, die jetzt auf Facebook und bei Youtube eingestellt sind. Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Tatsächlich war das die Idee der Filmproduktionsfirma elroq, die auf EXIT zugekommen ist, und EXIT hat mich dann gefragt. Da ich auch schon zuvor in der Öffentlichkeit über meine Erfahrungen in der rechtsextremen Szene und meinen Ausstieg gesprochen habe, etwa im Fernsehen, war das kein Problem für mich. Wenn man aus der rechtsextremen Szene aussteigt, gibt es die Trennung zwischen privat und öffentlich nicht mehr wirklich. Nachdem ich die rechtsextreme Szene verlassen habe, wurde ich permanent über meine politische Vergangenheit, meinen Ausstieg und meine Motivationen befragt. Was hast Du gemacht, warum, warum jetzt nicht mehr? Ich war es also gewohnt, davon zu sprechen.

Aber nun auf Filmen im Internet. Warum?

Zum einen wünsche ich mir einen öffentlichen Diskurs zum Thema Rechtsextremismus, und dies scheint mir dafür eine mögliche Form zu sein. Unter einigen der Filme – oder auch in Diskussionen unter Berichterstattung zum Projekt – haben sich dann in den sozialen Netzwerken auch lebhafte Diskussionen entwickelt, auch mit Vertretern der rechtsextremen Szene. An denen nehme ich dann auch gern Teil. Zum anderen möchte ich damit meine öffentliche Distanz zur Szene bekräftigen und zugleich über Themen aufklären, die mir ansonsten in der Berichterstattung zu Rechtsextremismus zu wenig vorkommen. Ich möchte ein Stück weit Verantwortung übernehmen und mich gegen die Strukturen engagieren, die ich in meiner aktiven Zeit ja selbst mit geschaffen habe.

Welche Reaktionen gibt es bisher auf das Projekt?

Natürlich gibt es plakative Reaktionen – von links, à la „Einmal Nazi, immer Nazis“, und von rechts, dort „Ein Verräter etc.“ Wir haben ja manche Dinge auch bewusst provokativ gestaltet – etwa den Start am 20.04., Hitlers Geburtstag, oder die Sendezeit 18:18 Uhr („18“ ist in der rechtsextremen Szene ein Code für „AH“ = Adolf Hitler). Oder auch die Tatsache, dass ich in den ersten Folgen zwar über meinen Einstieg und die ersten Erlebnisse in der Szene rede, aber der klare Bezug zu Ausstieg und Distanzierung zunächst noch fehlen. Darauf gab es Nachfragen und Reaktionen. Auch aus der rechtsextremen Szene melden sich Menschen – einer löscht nach dem Gedankenaustausch immer alle seine Postings, damit das niemand mit bekommt.  Das finde ich gut, die Filme sollen ja einen Diskurs anstoßen. Ich möchte mich nicht nur von der rechtsextremen Szene zurückziehen oder distanzieren, ich möchte auch aktiv gegen die Strukturen arbeiten. Das ist für mich auch eine moralische Frage: ich möchte offenlegen, wie die Neonazis agieren.

Das tun Sie in den Filmen. Wie kam die Themenauswahl zustande?

Da hatte ich freie Hand. Ich spreche über die Themen, die ich persönlich wichtig finde:  den Konflikt zwischen „Autonomen Nationalisten“ und völkischen Nazis etwa, die Gender-Frage  oder das Konzept des Ethnopluralismus. Mich interessieren gerade die Felder, in denen Neonazis nicht offen, sondern verschleiert auftreten – wo also Menschen leichter auf sie hereinfallen können, weil sie sie nicht erkennen. Ich wollte auch die Reibungspunkte aufzeigen, die Konflikte zwischen NPD und sich selbst als „revolutinär“ bezeichnenden „Kräften“, und die Schnittmengen zu anderen, nicht-rechten Bewegungen.

Über den Ausstieg reden Sie aber – trotz des Titels – nicht explizit.

Die Widersprüche, die letztendlich zu meinem Ausstieg geführt haben, kommen aber in allen Folgen vor. Ich wollte aber auch lieber über Inhalte sprechen, als über meine persönlichen Ausstiegserfahrungen – um nicht mich selbst in den Fokus zu stellen.  Ich habe mich im Jahr 2010 aus der rechtsextremen Szene zurückgezogen, seit 2011 bin ich – gemeinsam mit einem Freund und ehemaligen Mitbewohner – mit EXIT ausgestiegen. Während dieser Zeit habe ich Philosophie studiert, das war auch eine Art Therapie für mich. Die Auseinandersetzung mit Kritischer Theorie der Frankfurter Schule oder der Psychoanalyse hat mir viele Schwierigkeiten in meinem früheren Denken aufgezeigt. Als ich mit dem Studium anfing, sah ich mich noch als antiamerikanisch, antiimperialistisch und antizionistisch. Die Auseinandersetzung etwa mit strukturellem Antisemitismus hat mein Weltbild verändert, mir Fehler aufgezeigt. Vielleicht muss ich so eine Folge doch noch drehen.

Heute wird die vorerst letzte Folge der Filmreihe veröffentlicht. Was geschieht dann mit dem Material?

Wenn es Rückfragen oder Diskussionen zu den Themen der Filme gibt, kann ich mir vorstellen, dazu noch Videoantworten zu produzieren. Vielleicht hat ja auch ein anderer Aussteiger oder eine andere Aussteigerin Lust, sich an einem ähnlichen Format zu versuchen? Ansonsten stehen die Filme ja für jeden öffentlich auf YouTube zur Verfügung. Ich hatte auch schon den Fall, dass ein Lehrer den Film in seiner Klasse gezeigt hat. Dazu kann man mich über EXIT auch einladen.

| „Ausstieg – (K)Ein Weg zurück“ auf YouTube

| „Ausstieg – (K)Ein Weg zurück auf Facebook

| www.exit-deutschland.de

| www.timbox.tv

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