Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Baden-Württemberg Kinder im Bann völkischer Ideologie

Von|
Das Ludendorff-Netzwerk führte vom 26. bis 29. Mai 2022 eine Veranstaltung im „Jugendheim Hohenlohe in Kirchberg/Jagst-Herboldshausen (Baden-Württemberg) durch. (Quelle: © Timo Büchner)

2022 feiert der „Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V.“ (BfG) ein Jubiläum: Seit 50 Jahren befindet sich das „Jugendheim Hohenlohe“ – ein altes, mehrstöckiges Bauernhaus in Kirchberg/Jagst-Herboldshausen im Nordosten Baden-Württembergs – in den Händen der Völkischen. 1972 hatte der langjährige BfG-Vorsitzende Dr. Gunther Duda (1926-2010) die Immobilie gekauft.

Heute ist das „Jugendheim Hohenlohe“ ein Knotenpunkt der extremen Rechten in Süddeutschland und beherbergt unterschiedliche Spektren: So fand 2020 ein „Gemeinschaftstag Süd“ der NPD-Jugendorganisation „Junge Nationalisten“, 2021 ein „Thing der Titanen“ der regionalen Neonazi-Gruppierung „WIR Heilbronn“ und 2022 ein „Aktivistenwochenende“ der „Identitären Bewegung Schwaben“ statt.

Die eigenen Veranstaltungen „folgen dem Jahreslauf der Natur“ und finden „an Ostern, zur Sommer- und zur Wintersonnenwende“ statt. Das schreibt der BfG auf seiner Website. Weiter: „Dazwischen kann es zusätzliche Kulturtagungen und Familientreffen geben.“ Laut Satzung pflegt der BfG die „religionsphilosophischen Einsichten der Gotterkenntnis Mathilde Ludendorffs“.

Ludendorff (1877-1966) begründete in den 1920er-Jahren die antisemitische und religiös-völkische „Deutsche Gotterkenntnis“. Sie unterschied zwischen „Lichtrassen“ und „Schattenrassen“ und behauptete, „Lichtrassen“ besäßen die Fähigkeit zur Gotterkenntnis. Die „Schattenrassen“ – vor allem: das jüdische Volk – strebten nach der „Rassemischung“ und wollten die „Lichtrassen“ vernichten.

Ein aktuelles Beispiel der BfG-Treffen lieferte eine Großveranstaltung von Donnerstag, 26. Mai bis Sonntag, 29. Mai 2022. An der Veranstaltung nahmen mehr als 70 Menschen teil. Die meisten Autos kamen aus Baden-Württemberg. Aus Heilbronn, Karlsruhe, Künzelsau, Ludwigsburg, Ravensburg, Reutlingen, Stuttgart und Waldshut. Die übrigen Autos reisten aus der gesamten Bundesrepublik an. Aus Bayern, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Sachsen.

Die längste Anreise dürfte Matthias K. aus der Uckermark in Brandenburg gehabt haben. K. betreibt eine „Agentur für biblisch-göttliches Recht“, er ist Autor der BfG-nahen Zeitschrift „Mensch & Maß“ und hat unzählige Schriften zur Ideologie des Ludendorff-Netzwerks veröffentlicht. Im Herbst 2021 verfasste er einen öffentlichen „Widerspruch“ gegen die Corona-Schutzmaßnahmen. Darin heißt es: „Wir betrachten Ihre Allgemeinverfügung als ein Mittel, unter dem Deckmantel des ‚Gesundheitsschutzes‘ die erstrebte TOTALITÄRE WELTHERRSCHAFT des geistigen Israel zu errichten.“ Der „Widerspruch“ richtete sich an die brandenburgische Sozialministerin und an die Uckermärkische Landrätin.

Die meisten Teilnehmerinnen der Ludendorff-Veranstaltung trugen Trachten und lange Haare mit geflochtenen Zöpfen, die meisten Teilnehmer Lederhosen und kurze Haare mit Scheitel. Auffällig: Darunter waren zwei Dutzend Kinder und Jugendliche. Auch die Jungen und Mädchen trugen die alte Kluft. Die Kinder der völkischen „Sippen“ wachsen mit der Ideologie und den Traditionen des Ludendorff-Netzwerks auf. Die Geschlechterrollen, die in völkischen Kreisen gelebt werden, werden nicht zuletzt im äußeren Erscheinungsbild deutlich. Im Ludendorff-Netzwerk haben derartige Treffen eine jahrzehntelange Tradition. Schon in den 1970er- und 80er-Jahren gehörten sie zum festen Programm des Netzwerks. Damals wurden die „Jugendtreffen“ in der Zeitschrift Mensch & Maß angekündigt. Ein Ziel der Treffen: Die Jungen und Mädchen der völkischen „Sippen“ sollen zueinander finden, schließlich sollen sie die Reinheit der „Lichtrassen“ bewahren. Insofern sind die „Jugendtreffen“ eine Art Heiratsmarkt.

Begegnungen zwischen Jungen und Mädchen werden beispielsweise durch das gemeinsame Singen und Tanzen geschaffen. Am Samstagabend versammelten sich die Teilnehmenden auf der Wiese des Grundstücks. Dr. Hartmut Klink, Ehemann der BfG-Vorsitzenden Gudrun Klink aus Ingelfingen (Hohenlohekreis), spielte Kontrabass. Sonnhild Sawallisch, die gemeinsame Tochter, spielte Geige, ihr Ehemann eine Steirische Harmonika. Zur Musik wurde gesungen und getanzt. Bereits in der Vergangenheit ist das Ehepaar Sawallisch mit Geige und Harmonika in Erscheinung getreten. Die Combo trug den Namen „Hohenloher Danzmusi“. Im Falle des Ludendorff-Netzwerks haben das Tragen der Lederhosen und Trachten sowie das gemeinsame Singen und Tanzen einen politischen Charakter: Man möchte die deutsche Kultur bewahren – schließlich werde, so die Überzeugung, die eigene Kultur durch „fremde“ Einflüsse und Mächte bedroht. „Fremd“ sind in der „Deutschen Gotterkenntnis“ insbesondere „die Juden“.

+++

Tipp: Die Broschüre „Nur nette Nachbarn? Der Bund für Gotterkenntnis (Ludendorff) e.V. in Hohenlohe“ von Timo Büchner („Recherche Nordwürttemberg“) informiert über Aktivitäten und Positionen des BfG und erklärt, welche Rolle der Verein und sein „Jugendheim Hohenlohe“ in der extremen Rechten spielen. In der Broschüre kommen Dr. Michael Blume (Beauftragter der Landesregierung gegen Antisemitismus), Jutta Niemann (MdL, Bündnis 90/Die Grünen) und Stefan Ohr (Bürgermeister der Stadt Kirchberg/Jagst) zu Wort. Die Broschüre kann per Mail bestellt werden (Schutzgebühr: 3€). Die Mail-Adresse lautet: recherche-nordwuerttemberg@posteo.de

Weiterlesen

Eine Plattform der