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Berliner Register 2022 jeden Tag elf menschenverachtende Vorfälle

Durchschnittlich elf menschenverachtende Vorfälle, an jedem einzelnen Tag: Das zählten die Berliner Register im Jahr 2022. Insgesamt waren es 4156 rechtsextreme, rassistische, antisemitische, queerfeindliche, sozialchauvinistische, behindertenfeindliche und antifeministische Fälle.

 
(Quelle: Unsplash)

Damit wurden im vergangenen Jahr die zweitmeisten Vorfälle seit Beginn der Zählung erfasst – wenn auch gegenüber 2021 ein leichter Rückgang zu verzeichnen ist. Besonders erschreckend am Jahresreport für 2022: In diesem Jahr wurden 230 LBGTIQ+-feindliche Vorfälle registriert – 32 mehr als im Vorjahr. Homo- und transfeindliche Angriffe, Beleidigungen, Aussagen und Diskriminierung erreichen damit einen neuen Höchststand. Vor allem transfeindliche Vorfälle kommen immer öfter vor.

Der jährliche Report der Berliner Registerstellen beschreibt Entwicklungen und Kontinuitäten menschenverachtender Vorfälle und Gewalt in Berlin. Seine aktuelle Ausgabe für 2022 erschien am 30. März 2023. Zu dem Report tragen die bezirklichen Registerstellen mit eigenen Recherchen, zivilgesellschaftliche Organisationen und vor allen Dingen Einzelpersonen bei, die ihre Beobachtungen oder Erlebnisse den Registern melden. Auch polizeiliche Meldungen werden berücksichtigt. Aber die zivilgesellschaftliche Zählung bildet ein wichtiges Korrektiv zu den polizeilichen Statistiken – weil durch die Register auch Vorfälle unterhalb der Strafbarkeitsgrenze erfasst werden. Dadurch machen sie auch das große Feld der alltäglichen Diskriminierung sichtbar.

2022 zählten die Berliner Register 14 Prozent weniger Vorfälle als 2021 – und dennoch die Zweitmeisten seit Beginn der Zählungen. (Berliner Register)

Insgesamt wurden 4.156 Vorfälle für 2022 erfasst. Das ist ein Rückgang von etwa 700 Vorfällen gegenüber dem Vorjahr, in dem 4.841 Meldungen gezählt wurden – ein Minus von 14 Prozent. Die Autor*innen der Studie erklären diesen Rückgang mit den geänderten gesellschaftlichen Bedingungen: In den Jahren 2020 und 2021 seien im Zuge der Coronavirus-Pandemie besonders viele Vorfälle gemeldet worden, die sich dem Milieu der Pandemieleugner*innen zuweisen lassen: Antisemitische und den Nationalsozialismus verharmlosende Propaganda, Angriffe auf Medienvertreter*innen am Rand von Demonstrationen, Sachbeschädigungen an Impfzentren, Beleidigungen und Bedrohungen gegen Politiker*innen, Virolog*innen und gegen Menschen, die auf die Maskenpflicht in geschlossenen Räumen hinwiesen. Seit dem Ende der Schutzmaßnahmen im Frühjahr 2022 seien auch diese Vorfälle rückläufig.

Die meisten dokumentierten Vorfälle zählen zur Kategorie Propaganda. Aber auch rechtsextreme Gewalt und schwere Bedrohungen waren in Berlin 2022 an der Tagesordnung. (Quelle: Berliner Register)

Weniger Vorfälle als 2021 – aber rechte Gewalt bleibt an der Tagesordnung

Die Register unterscheiden zwischen verschiedenen Vorfallsarten und schlüsseln in die Kategorien Propaganda, tätliche Angriffe, verbale Bedrohungen, Sachbeschädigungen, zählungsrelevante Veranstaltungen sowie strukturelle Benachteiligung auf. In 2022 ließ sich in allen Kategorien ein Rückgang gegenüber dem Vorjahr feststellen – außer bei den Veranstaltungen der extremen Rechten. Der deutlichste Rückgang lässt sich bei „Propaganda“ feststellen, worunter die Register Aufkleber, Sprühereien, Flugblätter, Zeitungen und Veröffentlichungen im Internet verstehen. Hier ist die Zahl dokumentierter Vorfälle um fast 500 Fälle gesunken – von 2951 im Jahr 2021 auf 2459 in 2021.

Aus der Übersicht geht aber auch hervor, dass vorurteilsmotivierte körperliche Angriffe in Berlin fast täglich stattfanden (2022: 255) und massive Bedrohungen und Beleidigungen mit 657 Fällen ebenfalls an der Tagesordnung waren. Mitte (63 Angriffe) und Friedrichshain-Kreuzberg (36 Angriffe) waren die Hotspots gewalttätiger Vorfälle. Die Autor*innen erklären, dass Angriffe auf Minderheiten dort stattfinden würden, wo sie sichtbar sind und wo die meisten Menschen aufeinander treffen, weil sich daraus mehr Gelegenheiten für Gewalttaten ergeben. Zudem waren die meisten körperlichen Angriffe rassistisch motiviert, auf 130 der insgesamt 255 Angriffe traf das zu.

Die meisten Vorfälle waren rassistisch motiviert. (Quelle: Berliner Register)

Wie die Register berichten, waren die meisten Vorfälle rassistisch motiviert – 27 Prozent aller erfassten Ereignisse. 19 Prozent waren antisemitisch motiviert (850), 16 Prozent werden als Verharmlosung des Nationalsozialismus kategorisiert (655), ebenfalls 19 Prozent waren rechte Selbstdarstellungen (808). Zehn Prozent richteten sich gegen politische Gegner*innen (407), 6 Prozent waren LGBTIQ*-feindlich motiviert (239), je 1 Prozent waren behindertenfeindlich und sozialchauvinistisch (78) und antifeministisch (27).

Ukraine-Krieg führt auch in Berlin zu Vorfällen

Der russische Überfall auf die Ukraine entfaltete nicht die befürchtete Mobilisierungswirkung. Vorfälle wurden hier insbesondere in den Sozialen Netzwerken gezählt, wo gezielte Falschmeldungen in Bezug auf den Krieg verbreitet wurden. Insgesamt wurden 259 Vorfälle mit Bezug auf den russischen Angriffskrieg dokumentiert. In 72 Fällen davon waren Geflüchtete aus der Ukraine betroffen – darunter seien überproportional auch Schwarze Menschen sowie Rom*nja repräsentiert gewesen.

Zunahme transfeindlicher Vorfälle

Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen gegen trans Menschen nahmen 2022 deutlich zu. (Quelle: Berliner Register)

Die einzige Motiv-Kategorie, die gegenüber dem Vorjahr angestiegen ist, ist die Feindlichkeit gegenüber LGBTIQ+. Angriffe gegen Personen aus dieser Gruppe erreichten 2022 mit 239 Vorfällen einen neuen Höchststand seit dem Beginn der Zählungen. Zwei Drittel der Vorfälle richteten sich 2022 gegen trans (81) und queere (79) Menschen, 55 Vorfälle gegen schwule Männer. Darunter fallen körperliche Angriffe, Beleidigungen und Bedrohungen, Aufkleber extrem rechter Organisationen, Diskriminierungsfälle und auch Veranstaltungen.

Der Report der Berliner Register für 2022 findet sich hier.

Vorfälle in Berlin können Betroffene oder Beobachter*innen hier melden.

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