Hassgewalt beruht auf menschenverachtenden Einstellungen wie beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Ableismus, Sexismus oder Queerfeindlichkeit. Sie trifft Angehörige der betroffenen Gruppen, aber auch Personen und Einrichtungen, die sich für demokratische und menschenrechtliche Grundsätze einsetzen, wie Journalist*innen, zivilgesellschaftlich Engagierte oder Gewerkschafter*innen.
Häufigstes Motiv Rassismus
In vielen Fällen erleben Betroffene mehrere Diskriminierungsformen gleichzeitig, 2023 war dies in 40 Prozent der Anträge der Fall. Mit knapp 60 Prozent wurde besonders häufig ein rassistisches Motiv erkannt, darunter fallen etwa ein Viertel Anti-Schwarzer-Rassismus, aber auch anti-muslimischer Rassismus und anti-asiatischer Rassismus. 22% der Vorfälle waren LSBTI*-feindlich motiviert, mehr als die Hälfte davon transfeindlich. Sexismus ist mit 14% ebenfalls besonders häufig ein Motiv gewesen.
Hassgewalt kann als verbale Gewalt, körperliche Angriffe oder Bedrohungen im digitalen Raum, verschiedene Formen annehmen und ist für viele Betroffene eine alltägliche Erfahrung. Besonders häufig (33 Prozent) wurden Personen auf der Straße im öffentlichen Raum angegriffen oder bedroht. Am zweithäufigsten (21 Prozent) waren Vorfälle in den öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bus oder U-Bahn. Wie etwa im Fall einer Person, die an einem Nachmittag auf dem Weg zu einem Termin ist. Sie bemerkt, dass eine Person ihr auf der Straße folgt und immer wieder böse zu ihr rüber schaut. Sie bleibt stehen und dreht sich zu einem Schaufenster, da bleibt die andere Person stehen, beschimpft sie rassistisch und transfeindlich, bespuckt sie und geht weiter. Sie ist geschockt. Obwohl mehrere Personen den Vorfall beobachten, kommt niemand auf sie zu um ihr Hilfe anzubieten. Viele berichten, dass Umstehende nicht eingreifen oder Hilfe anbieten. Dieses Erleben ist für viele Betroffene besonders schlimm. Die betroffene Person möchte den Vorfall in Therapiesitzungen bearbeiten. Bei einem anderen Fall ebenfalls im ÖPNV sind ein paar Freund*innen unterwegs, einer von ihnen trägt einen Davidstern um den Hals und sie sind als queer erkennbar. Es sind Fans einer rechtsradikalen Band im Zug, die sie anpöbeln, antisemitisch und queerfeindlich beleidigen und körperlich angreifen. Sie können sich bei der nächsten Station in Sicherheit bringen und stellen Anzeige gegen die Täter, diese stellen ebenfalls Anzeige – eine Täter-Opfer-Umkehr. Auch dies geschieht häufig und es fallen Kosten für Anwält*innen an.
„Die viele Hassgewalt im öffentlichen Raum, das prägt den Alltag von Betroffenen. Der Fonds ist dafür da, als Stadtgesellschaft zumindest finanziell zu unterstützen und an der Seite von Betroffenen zu stehen. Dies ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität seitens der Stadtgesellschaft. Wünschenswert wäre es, wenn mehr Menschen auf betroffene Personen zu gehen und die Gewalt nicht ignorieren.“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.
Hassgewalt trifft Betroffene aber auch Zuhause (17 Prozent) durch den Nachbarn, die Mitbewohnerin oder Partner, sowie auch am Arbeitsplatz durch Vorgesetzte oder Kolleg*innen (12 Prozent). Dass Gewalt aus menschenverachtenden Motiven nur durch Personen, die sich nicht kennen, ausgeübt wird, ist ein Trugschluss, bei etwa einem Viertel der Fälle lag eine Bekanntschaft vor. Wie etwa im Fall von AK. Er ist Muslim und ist mit seiner Familie vor einem Jahr in eine neue Wohnung eingezogen. Seitdem gibt es Probleme mit einem Nachbarn, der sie immer wieder bedroht und ihnen rassistische Sprüche vor die Tür legt. Diese Situation belastet die gesamte Familie sehr, die Kinder haben zum Teil Angst rauszugehen und sie möchten umziehen.
Soforthilfefonds finanziert bedarfsbezogen
So unterschiedlich wie Hassgewalt auftritt, so unterschiedlich sind auch die Bedarfe der Betroffenen nach einem Vorfall. Beantragt wurden in vielen Fällen mehr als eine Maßnahme, denn bei einem Vorfall kann beispielsweise ein Handy kaputtgehen, welches repariert werden muss, zum anderen werden Gelder für eine Rechtsberatung oder Therapiesitzungen zur Aufarbeitung des Erlebten gebraucht. Der Fonds ermöglicht mit einer finanziellen Förderung von bis zu 1.000 Euro pro Fall eine schnelle erste Entlastung. In vielen Fällen haben die Antragstellenden allerdings einen noch höheren Bedarf und so kann nur ein Teil der tatsächlichen Kosten für Therapie, Anwält*innen oder Reparaturen durch den Soforthilfefonds gestellt werden. In den Beratungen wird bei Bedarf an andere Unterstützungsangebote verwiesen.
Der Berliner Soforthilfefonds wird auch in 2024 Betroffene von Hassgewalt finanziell unterstützen. Neben der finanziellen Unterstützung ist es wichtig, dass die gesamte Stadtgesellschaft Verantwortung übernimmt und sich ebenfalls klar gegen Hassgewalt stellt und den Betroffenen zur Seite steht.